Verfahrensgang
AG Hanau (Beschluss vom 06.10.2009; Aktenzeichen 65 F 2003/06) |
Tenor
Die Beschwerde der Staatskasse wird zurückgewiesen.
Das Verfahren ist gebührenfrei, Kosten werden nicht erstattet (§ 56 Abs. 2 Sätze 2 und 3 RVG).
Gründe
Der Antragstellervertreter und Beschwerdegegner hat sich zunächst mit einer Erinnerung gegen die Absetzung der Einigungsgebühr gem. Nr. 1003 VV zu § 2 Abs. 2 RVG im Rahmen der Abrechnung der Vergütung als beigeordneter Anwalt für die Mitwirkung an einem Vergleich der Parteien über den Verzicht auf die Durchführung des Versorgungsausgleichs gewendet. Daraufhin hat das AG mit dem angefochtenen Beschluss durch den zuständigen Richter gem. § 56 Abs. 1 Satz 1 RVG die Einigungsgebühr i.H.v. 85 EUR zzgl. 19 % MWSt. bewilligt und die Gesamtvergütung auf 833 EUR festgesetzt.
Die dagegen gerichtete, vom AG zugelassene Beschwerde der Staatskasse ist gem. § 56 Abs. 2 RVG i.V.m. § 33 Abs. 3 RVG zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet.
Der Staatskasse ist zuzugeben, dass sich die Vereinbarung, an der ein Anwalt mitgewirkt hat, nicht ausschließlich auf ein Anerkenntnis oder einen Verzicht beschränken darf (amtl. Anm. I 1 zu VV 1000). In der neueren Rechtsprechung ist allerdings streitig, ob und gegebenenfalls unter welchen Umständen im Einzelfall die Vereinbarung über den Verzicht auf eine Durchführung des Versorgungsausgleichs die Einigungsgebühr auslöst. Sofern noch unklar ist, ob ein Ausgleichsanspruch bestand und wer ausgleichspflichtig sein würde, wird weithin angenommen, die Einigungsgebühr falle an (OLG Zweibrücken, 6 WF 73/09, OLGR 2009, 581; OLG Naumburg, 3 WF 229/08, OLGR 2009, 429; ; OLG Düsseldorf FamRZ 2008, 1463 f.; ; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 18. Aufl., VV 1000, Rz. 186 ff. m.w.N.), weil dann beide Parteien wechselseitig auf ungewisse Ansprüche verzichten.
Soweit allerdings - wie im vorliegenden Fall - der Verzicht im Hinblick darauf vereinbart wird, dass sich nach erteilten Auskünften nur ein geringer Ausgleichsbetrag ergeben hat, geht die überwiegende Meinung dahin, eine Einigungsgebühr entstehe nicht, zumal beim bisherigen "Einmalausgleich" nach § 1587b BGB a.F. letztlich immer nur eine Partei verzichtet (OLG Hamm, Beschlüsse vom 29.3.2007 - 6 WF 91/07, vom 8.1.2007 - 6 WF 171/06, und vom 25.1.2007, 6 WF 360/06, OLGR 2007, 230 f.; in diesem Sinne auch OLG Stuttgart, 8 WF 104/06, FamRZ 2007, 232; OLG Karlsruhe, 16 WF 108/06, FamRZ 2007, 843.
Diese Rechtsprechung, die zum alten Versorgungsausgleichsrecht ergangen ist, kann jedoch unter der Geltung des neuen Versorgungsausgleichsgesetzes nicht beibehalten werden, und zwar auch dann nicht, wenn die Entscheidung über den Versorgungsausgleich noch nach dem bis 31.8.2009 maßgeblichen Recht zu treffen war.
Nach §§ 10 ff. VersAusglG ist künftig ein Hin- und Herausgleich für jedes einzelne Anrecht der Beteiligten vorzunehmen, das heißt, das Prinzip des Einmal-ausgleichs, auf dem die bisherige herrschende Meinung beruhte, besteht nicht mehr. Das AG weist zutreffend darauf hin, dass Entscheidungen, die nach dem bisherigen Recht getroffen worden sind, gem. § 51 Abs. 1 und 2 VersAusglG einer Abänderung unterliegen können. Bei einer wesentlichen Änderung des Ausgleichswertes für auch nur ein Anrecht ist dann im Wege einer Totalrevision nach dem neuen Recht zu entscheiden. Das bedeutet, in jedem Fall eines generellen Verzichts beider Parteien auf die Durchführung des Versorgungs-ausgleichs handelt es sich nicht nur um einen einseitigen Verzicht einer Partei, sondern im Hinblick auf die ansonsten jederzeit noch denkbare Umstellung von Altentscheidungen auf das neue Recht immer um einen wechselseitigen Verzicht zur Beseitigung einer Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis.
Nach allem ist der Auffassung des AG zu folgen, dass die Einigungsgebühr entstanden und antragsgemäß festzusetzen ist.
Fundstellen
AGS 2010, 424 |
FamRB 2010, 79 |
RVGreport 2010, 296 |