Entscheidungsstichwort (Thema)
Irreführende Werbung: Relevanz der hervorgerufenen Fehlvorstellung für die geschäftliche Entscheidung
Leitsatz (amtlich)
Auch eine unzutreffende Blickfangangabe in einer Werbeanzeige führt dann nicht zu einer relevanten Irreführung, wenn sie den Werbeadressaten zwar zu einer weiteren Befassung mit der Anzeige veranlasst, dieser sich jedoch vor einer "geschäftlichen Entscheidung" im Sinne der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs - etwa dem Aufsuchen eines Ladengeschäfts - mit dem weiteren Anzeigeninhalt befasst und den wahren Sachverhalt erkennt; ein solcher Fall kann auch vorliegen, wenn die Blickfangangabe allein noch keine konkrete Vorstellung von dem beworbenen Produkt vermittelt und aus diesem Grund vor einer "geschäftlichen Entscheidung" eine weitere Befassung mit dem Anzeigeninhalt erforderlich ist.
Normenkette
UWG § 5
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Beschluss vom 12.10.2015; Aktenzeichen 3-6 O 85/15) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens beträgt 50.000 EUR.
Gründe
I. Die Parteien gehören zu den führenden Wettbewerbern im Bereich der Telekommunikation. Die Antragstellerin bietet unter der Bezeichnung "Magenta EINS" ihren Kunden die Möglichkeit an, Festnetz- und Mobilfunkdienstleistungen durch den Abschluss von Paketverträgen mit entsprechenden Preisvorteilen zu kombinieren. Seit September 2015 bietet die Antragsgegnerin ein neues Produkt mit dem Namen "Family Card Start" an, das als Zweitkarte zu einem bestehenden Telekom Mobilfunklaufzeitvertrag hinzugebucht werden kann. Dieses Angebot, das u.a. eine Flatrate für Telefonate ins Mobilfunknetz der Antragsgegnerin und eine Flatrate zu einer persönlichen Zielfunknummer enthält, richtet sich an Eltern, deren Kinder neu in die Mobilfunkwelt einsteigen.
Die Antragsgegnerin hat diesen neuen Tarif durch Printanzeigen, Internetwerbung und in einem TV Spot beworben. Die mehrseitigen Werbeanzeigen gemäß Anlage AST 3 zur Antragsschrift sind auf der ersten Seite mit der Überschrift "Eins für den Start" und der Angabe "Wir begleiten den mobilen Start ihres Kindes", auf der zweiten Seite mit der Angabe "Kann mein Kind mich ohne Handyguthaben erreichen?" und auf der dritten Seite, wie auch die Anlage AST 5, wie nachfolgend ausgestaltet:
Die Angabe "Bei MAGENTA EINS INCLUSIVE" befindet sich in einem blauen Feld mit weißer Schrift. Hinter den in der nächsten Überschriftzeile am Ende enthaltenen Worten "... die mitwächst" befindet sich eine Fußnote 1, die am unteren Rand der Anzeige unter anderem mit folgendem Text aufgelöst wird:
1) Einmaliger Kartenpreis: 9,95 EUR ... Monatlicher Grundpreis Family Card Start: 2,95 EUR, die Family Card Start (buchbar zu einem bestehenden Telekom Mobilfunk Laufzeitvertrag von mind. 29,95 EUR/Monat) ist für Magenta EINS Kunden inklusive. Magenta EINS setzt das Bestehen eines Festnetz- und Mobilfunklaufzeitvertrages ... voraus. Gespräche und SMS ins dt. Festnetz und andere deutsche Mobilfunknetze kosten 0,09 EUR/Minute bzw. 0,09 EUR/SMS ...
Die Antragstellerin hat der Antragsgegnerin vorgeworfen, mit der dargestellten Printwerbung und mit ihrer Internet- und TV - Werbung dem angesprochenen Publikum vorzuspiegeln, dass "Magenta EINS" das beworbene Produkt "Family Card Start" beinhalte und dass ein Magenta EINS - Kunde dieses Produkt mithin automatisch und ohne zusätzliche Kosten erhalte. Tatsächlich müsse auch ein Magenta EINS - Kunde die Aktivierungsgebühr und die zusätzlichen Verbindungsentgelte zahlen; sein einziger Vorteil sei der Erlass der monatlichen Grundgebühr in Höhe von 2,95 EUR.
Das LG hat durch einstweilige Verfügung vom 12.10.2015 die Internet- und die TV-Werbung untersagt und im Übrigen den Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung zurückgewiesen. Die im Blickfang stehende Aussage "Bei Magenta EINS inclusive" werde durch den Hinweis in der Fußnote hinreichend erläutert.
Die Antragstellerin hat gegen den Beschluss form- und fristgerecht Beschwerde eingelegt, mit der sie unter Wiederholung ihres bisherigen Vortrages folgenden Antrag verfolgt:
Der Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Verfügung bei Meidung eines Ordnungsgeldes von bis zu 250.000 EUR für jeden Fall der Zuwiderhandlung, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollstrecken an den Geschäftsführern, untersagt, im geschäftlichen Verkehr handelnd
in Bezug auf das Produkt "Family Card Start" zu behaupten oder behaupten zu lassen, diese sei bei "Magenta EINS" inklusive, wenn dies geschieht wie in den Printanzeigen gemäß den Anlagen AST 3 und AST 5 zur Antragsschrift vom 5.10.2015.
Die Antragsgegnerin beantragt, die sofortige Beschwerde der Antragstellerin zurückzuweisen.
II. Das Rechtsmittel der Antragstellerin bleibt ohne Erfolg. Ihr stehen keine weitergehenden Unterlassungsansprüche gegen die Antragsgegnerin zu, weil die in den Werbeanzeigen gemäß AST 3 und AST 5 angegriffene Aussage...