Entscheidungsstichwort (Thema)
Offenlegungspflichten des Schiedsrichters nach § 16.1 DIS-SchO (98)
Normenkette
DIS-SchO (98) § 16.1
Tenor
Der unter dem Az. ... von der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit e.V. (DIS) durch das Schiedsgericht, bestehend aus der Schiedsrichterin Name1 als Vorsitzende und den beisitzenden Schiedsrichtern Name2 und Name3, am 20. März 2018 erlassene Schiedsspruch wird für vollstreckbar erklärt, soweit die Schiedsklägerinnen verurteilt wurden, an die Schiedsbeklagte zu 1) EUR 746.791,20 (brutto) zu zahlen.
Die Antragsgegnerinnen haben die Kosten des Vollstreckbarerklärungsverfahrens zu tragen.
Der Beschluss ist vorläufig vollstreckbar.
Der Gegenstandswert des Verfahrens wird auf die Gebührenstufe bis zu EUR 750.000,00 festgesetzt.
Gründe
I. Die Antragstellerin begehrt im hiesigen Verfahren die Vollstreckbarerklärung eines Schiedsspruchs, durch den die Schiedsklage der hiesigen Antragsgegnerinnen auf Schadensersatz aus einem im Jahr 2016 abgeschlossenen Unternehmenskaufvertrag abgewiesen und die Schiedsklägerinnen zur Kostentragung verpflichtet wurden.
Daneben sind zwischen den hiesigen Parteien und den weiteren Beteiligten des Schiedsverfahrens zwei weitere Verfahren vor dem Senat anhängig. So haben die hiesigen Antragsgegnerinnen und Schiedsklägerinnen gegenüber den Schiedsbeklagten zu 1) bis 4) des Schiedsverfahrens ein Verfahren nach § 1037 Abs. 3 ZPO eingeleitet (Az.: .../18) mit dem Ziel, die von ihnen erklärte Ablehnung der Vorsitzenden des Schiedsgerichts sowie des beisitzenden Schiedsrichters Name3 für begründet zu erklären.
Zudem haben die Schiedsklägerinnen mit Antragsschrift vom 25.06.2018 gegen den ihnen am 23.03.2018 zugestellten Schiedsspruch bei dem hiesigen Senat zu Az.: .../18 einen gesonderten Antrag auf Aufhebung des Schiedsspruchs gemäß § 1059 ZPO eingereicht.
Die Antragstellerin ist Österreichs führender Logistik- und Postdienstleister.
Bei der Antragsgegnerin zu 1) handelt es sich um ein Logistik-Unternehmen der Firma B Unternehmensgruppe, die Antragsgegnerin zu 2) ist eine Tochtergesellschaft des Firma A Konzerns, der vornehmlich in den Bereichen Logistik, Verpackungssysteme und Dienstleistungen für geistiges Eigentum tätig ist.
Die Antragstellerin hielt seit 2008 zusammen mit ihren mittelbaren Tochtergesellschaften, der Firma C Beteiligungs-GmbH, der Firma D Logistics Group GmbH i.L. und der Firma E Finanzierungs-GmbH (zugleich Schiedsbeklagte zu 2. bis 4. im Schiedsverfahren) die Geschäftsanteile an der Firma D-Gruppe (nachfolgend "Firma D"), eine im Bereich Logistik und Transport tätige Unternehmensgruppe, deren Kernkompetenz in Logistiklösungen für Pharmaprodukte und andere sensible Güter besteht.
Die Antragsgegnerinnen waren ihrerseits zwischen 1995 und 1997 an der Firma D beteiligt und hatten ihre Beteiligungen im Jahr 1997 an die Firma G AG verkauft.
Unstreitig hatte die Firma D in den Jahren vor dem Verkauf an die hiesigen Antragsgegnerinnen deutliche Verluste erwirtschaftet. Die Antragstellerin sowie die Schiedsbeklagten zu 2) bis 4) leiteten deshalb im Sommer 2015 einen Verkaufsprozess für die Firma D im Wege eines Bieterverfahrens ein. Zur Vorbereitung des beabsichtigten Verkaufs erstellte die Firma H GmbH (nachfolgend: "Firma H") zum 01.10.2015 ein sogenanntes "Financial and Tax Factbook" nebst Update vom gleichen Tag sowie einem weiteren Update vom 04.12.2015 (nachfolgend zusammenfassend: "Firma H Financial Factbook").
In diesem Factbook sind für die Firma D unter anderem eine sogenannte DSO ("Days Sales Outstanding",nachfolgend: "DSO") von 43,2 Tagen zum dritten Quartal 2015 und "trade receivables" (Außenstände) zum 30. September 2015 in Höhe von EUR 57,7 Mio. angegeben. Bei dem sog. "DSO"-Wert handelt es sich um eine Kennzahl, die Auskunft über die Zeitspanne zwischen Rechnungsstellung und Geldeingang gibt.
Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Firma D zum damaligen Zeitpunkt zwar werktäglich ihre Leistungen erbrachte, die hieraus resultierenden Forderungen aber nicht fortlaufend in der Finanzbuchhaltung erfasst, sondern ganz überwiegend erst zum Monatsende fakturiert und eingebucht wurden.
In diesem Zusammenhang streiten die Parteien über die Frage, inwieweit diese Darstellung zum Forderungsbestand bzw. zur DSO den irreführenden Eindruck von einem durchschnittlich täglichen Forderungsbestand der Firma D von rund EUR 57 Mio. habe vermitteln können.
Ende 2015 kam es zu ersten Gesprächen zwischen den Parteien.
Noch vor der Übermittlung des Firma H Financial Factbooks an die Antragsgegnerinnen bzw. dessen Einstellung in den für die Transaktion vorgesehenen Datenraum unterzeichneten Vertreter der Firma A Holding GmbH am 19.01.2016 einen an Firma H adressierten sog. "Non Reliance Letter", der unter anderem den Hinweis enthält, dass die Zwecke, zu denen das Firma H Financial Factbook erstellt worden war, möglicherweise von denen potentieller Erwerbsinteressenten abweichen könnten und diese daher ggf. eine eigenständige Prüfung anzustellen hätten.
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