Entscheidungsstichwort (Thema)
Unzuständigkeitserklärung gemäß Art. 6 lit. a EuErbVO bei Rechtswahl schwedischen Rechts
Leitsatz (amtlich)
1. Bei einer Entscheidung gemäß Art. 6 lit.a EuErbVO sind die konkreten Umstände der Erbsache zu berücksichtigen.
2. Angesichts beachtlicher Abweichungen des schwedischen Erbrechts zum deutschen Erbrecht ist die Annahme einer besseren Entscheidungskompetenz der schwedischen Gerichte jedenfalls bei Hinzutreten weiterer Umstände - hier Aufenthaltsort von Miterben, Belegenheit von Nachlassgegenständen - nicht zu beanstanden.
Normenkette
EuErbVO Art. 6, 22, 83 Abs. 4
Verfahrensgang
AG Frankfurt am Main (Beschluss vom 27.06.2022) |
Tenor
Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.
Das erstinstanzliche Aktenzeichen wird aus Gründen des Persönlichkeitschutzes nicht mitgeteilt.
Die befristete Beschwerde der Beteiligten zu 1) gegen den Beschluss des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 27.06.2022 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligte zu 1) hat die gerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens und die zur Durchführung des Beschwerdeverfahrens notwendigen Aufwendungen der Beteiligten zu 2) und 3) zu tragen.
Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf bis 10.000,- EUR festgesetzt.
Gründe
I. Gegenstand des Verfahrens ist die Frage der internationalen Zuständigkeit zur Entscheidung über die Ausstellung eines europäischen Nachlasszeugnisses.
Der Erblasser war schwedischer Staatsangehöriger. Die Beteiligte zu 1) ist deutsche Staatsangehörige und die zweite Ehefrau des Erblassers. Die Ehe wurde am XX.XX.1992 in Stadt1 geschlossen. Die Beteiligten zu 2) und 3) sind die Kinder des Erblassers aus dessen erster Ehe.
Der Erblasser zog 1987 aus beruflichen Gründen nach Deutschland, wo er die Beteiligte zu 1) kennenlernte und mit dieser zusammenzog. Er war Eigentümer einer Immobilie in Provinz1/Schweden, von der er zum Zeitpunkt des Todes nur noch einen 1/100 und die Beteiligte zu 2) nach schenkweisen Eigentumsübertragungen im Jahr 2007 und 2015 99/100 Miteigentumsanteile hielt. Dort war er seit 2011 auch behördlich gemeldet.
Während einer Reise nach Schweden im Sommer 2017 musste der Erblasser, der an Krebs erkrankt war, operiert werden und blieb bis November 2018 in Schweden. Nach seiner Rückkehr nach Deutschland lebte er bis zu seinem Todeszeitpunkt in einem Seniorenheim in Stadt2.
Der Erblasser und die Beteiligte zu 1) errichteten am 26.08.2014 in Stadt3 bei einer Rechtsanwaltskanzlei ein "Inbördes Testamente". Darin heißt es - nach der beglaubigten Übersetzung: "Derjenige von uns, der den anderen überlebt, erbt mit vollem Besitzrecht den Nachlass des Verstorbenen/der Verstorbenen, mit Ausnahme von dem Pflichtteil der Leibeserben. Dass was meine Leibeserben (die Leibeserben des ≪Erblassers ≫) als Pflichtteil erben, soll ihr privates Eigentum und kein eheliches Vermögen sein. ... Für die Anwendung des Testaments und des Erbes der ≪Beteiligten zu 1)≫ in Deutschland ist in Deutschland auf Deutsch ein Testament mit demselben Wortlaut erstellt worden. Schwedisches Recht ist bei der Interpretation und Nutzung dieses Testaments anzuwenden." Wegen der Einzelheiten wird auf das Testament sowie die beglaubigte Übersetzung (Bl. 45 der Testamentsakte) Bezug genommen.
Die Beteiligte zu 1) beantragte am 12.08.2019 die Erteilung eines Europäischen Nachlasszeugnisses ausgehend von einer Alleinerbenstellung aufgrund des Testaments vom 26.08.2014 (Bl. 1 ff d.A.).
Die Beteiligten zu 2) und 3) sind dem Antrag entgegengetreten und haben geltend gemacht, zuständig seien die schwedischen Gerichte, da der Erblasser seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt in Schweden gehabt hätte. Hierzu hatten sie die Auffassung vertreten, die Rückkehr des schwer erkrankten Erblassers nach Deutschland in ein Pflegeheim habe hieran nichts geändert. Vor den schwedischen Gerichten sei bereits ein Verfahren zur Einsetzung eines Nachlassverwalters anhängig.
Das Nachlassgericht hatte mit Verfügung vom 04.02.2020 Bedenken an der internationalen Zuständigkeit geäußert und auf die Rechtswahl des Erblassers hinsichtlich der Anwendung schwedischen Rechts hingewiesen (Bl. 42 d.A.).
In dem schwedischen Nachlassverfahren hatte das erstinstanzliche Gericht dem Antrag der Beteiligten zu 2) und 3) auf Einsetzung eines Nachlassverwalters mit Beschluss vom 24.03.2020 stattgegeben (Bl. 103 ff, 245 ff d.A.). Auf das Rechtsmittel der Beteiligten zu 1) hin hatte das "Hovrätten över Skane och Blekinge" als Rechtsmittelgericht mit Beschluss vom 19.02.2021 den Beschluss des erstinstanzlichen Gerichts nach Beweisaufnahme wegen fehlender internationaler Zuständigkeit im Hinblick auf den letzten gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers in Deutschland aufgehoben. Wegen der Begründung im Einzelnen wird auf den Beschluss vom 19.02.2021 (Bl. 220 ff d.A.) Bezug genommen.
Der Beteiligte zu 3) beantragte mit am 20.10.2020 bei dem Nachlassgericht eingegangenen Schreiben (Bl. 165 d.A.) eine Entscheidung nach Artikel 6 lit. a EuErbVO, da die schwedischen Gerichte besser für eine Entscheidung ...