Leitsatz (amtlich)
1. Deutsche Nachlassgerichte sind für ein Erbscheinsverfahren international gemäß Art. 10 Abs. 1 lit. a) EuErbVO zuständig, wenn der Erblasser, der die deutsche Staatsangehörigkeit besaß, seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt in Kolumbien hatte und sich Nachlassvermögen in Deutschland befindet.
2. Örtlich zuständig ist gemäß § 47 Nr. 2 IntErbRVG in Verbindung mit § 343 Abs. 2 FamFG dasjenige Nachlassgericht, in dessen Bezirk der Erblasser seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hatte.
3. Auf den Erbfall eines Erblassers mit deutscher Staatsangehörigkeit und letztem gewöhnlichen Aufenthalt in Kolumbien ist gemäß der Rechtswahlfiktion in Art. 83 Abs. 4 EuErbVO deutsches Erbrecht anzuwenden, wenn der Erblasser vor dem 17.08.2015 ein Testament errichtet hatte und deutsches Recht nach Art. 22 EuErbVO hätte wählen können.
Normenkette
EuErbVO Art. 10 Abs. 1 lit. a), Art. 22, 83 Abs. 4; IntErbRVG § 47 Nr. 2
Verfahrensgang
AG Konstanz (Aktenzeichen 2 VI 53/20) |
Tenor
1. Die Beschwerde der Beteiligten Ziffer 4 gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Nachlassgericht - Konstanz vom 01.05.2023, Az.: 2 VI 53/20, wird mit folgender Maßgabe zurückgewiesen:
Die zur Erteilung eines Erbscheins erforderlichen Tatsachen werden für festgestellt erachtet, wonach der am 18.06.1961 in Konstanz geborene und am 08.06.2019 in Copacabana Antioquia verstorbene A, zuletzt wohnhaft Kolumbien, Copacabana Antioquia, (Finca) wie folgt beerbt wurde:
1. B, geboren am ..., wohnhaft ...
- zu 7/16 Erbteil -
2. C, geborene ..., geboren am ..., wohnhaft ...
- zu 7/16 Erbteil -
3. D (ehemals ...), geborene ..., geboren am ..., wohnhaft ...
- zu 2/16 Erbteil -
2. Der Erbscheinsantrag der Beteiligten Ziffer 1 bis Ziffer 3 vom 06.12.2022 (Fremdrechtserbschein nach kolumbianischen Recht) wird zurückgewiesen.
3. Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben; außergerichtliche Kosten der Beteiligten werden nicht erstattet.
Gründe
I. Die Beteiligte Ziffer 4 wendet sich mit ihrer Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Nachlassgericht - Konstanz vom 01.05.2023, mit dem das Amtsgericht die Tatsachen zur Erteilung eines Erbscheins in Anwendung kolumbianischen Recht als festgestellt erachtet hat, der die Beteiligten Ziffer 2 und Ziffer 3 als Miterben zu je 7/16 und die Beteiligte Ziffer 1 zu 2/16 nach A ausweist.
Am 08.06.2019 verstarb der am 18.06.1961 in Konstanz geborene A (im Folgenden: Erblasser) in Kolumbien. Er war deutscher Staatsangehöriger. Zum Nachlass gehören unter anderem Immobilien in Schweden und Kolumbien, GmbH-Geschäftsanteile einer Firma in Orsingen-Nenzingen, deren Geschäftsführer und alleiniger Gesellschafter der Erblasser war, sowie Guthaben auf Bankkonten in Deutschland und der Schweiz.
Der Erblasser und die Beteiligte Ziffer 1 haben am 29.08.1987 geheiratet. Die Ehe wurde im Jahr 1995 geschieden. Aus der Ehe sind die Beteiligten Ziffer 2 und Ziffer 3 hervorgegangen. Andere Abkömmlinge hatte der Erblasser nicht. Die Beteiligte Ziffer 1 betreute und versorgte die gemeinsamen Kinder und war nach der Scheidung vom Erblasser bis zu dessen Tod für die Firma des Erblassers tätig.
Seit dem 03.11.1995 war der Erblasser in zweiter Ehe mit E verheiratet. Die Eheleute ließen sich am 19.07.2009 scheiden.
Am 14.04.2011 ging der Erblasser die Ehe mit F ein und wurde am 20.12.2012 geschieden.
Am 20.12.2013 ehelichte der Erblasser die Beteiligte Ziffer 4 in Orsingen-Nenzingen. Er war seit dem Jahr 2011 als Bürger in Schweden registriert. Spätestens seit dem Jahr 2016 hielt sich der Erblasser in Kolumbien auf. Er arbeitete von dort aus per Internet und Telefon als Geschäftsführer für seine Firma.
Im Jahr 2017 reichte der Erblasser einen Antrag auf Scheidung der Ehe mit der Beteiligten Ziffer 4 bei einem kolumbianischen Familiengericht ein. Mit Beschluss des obersten Gerichts von Medellîn vom 16.10.2018 (Nummer 050013110012-2017-00066-01 (2018-332)) wurden alle vom erstinstanzlichen Familiengericht ab dem 23.03.2018 getroffenen Handlungen im mündlichen Verfahren über die zivilrechtliche Scheidung einschließlich des ergangenen Urteils für nichtig erklärt.
Am 10.10.2019 wurde vom Nachlassgericht ein offen abgeliefertes eigenhändiges Testament folgenden Inhalts eröffnet:
"Testament
Ich, A, erkläre das Folgende:
Für den Fall meines Todes setze ich zu Erben meine beiden erstehelichen Kinder B und C beide zusammen zu 7/8, jedes Kind also 3,5/8 und meine geschiedene Ehefrau C zu 1/8 Anteil ein.
Meine Ehefrau D setze ich auf den Pflichtteil. Sollten aus meiner zweiten Ehe mit meiner Frau D (geborene ...) Kinder hervorgehen, so sollen diese nur den Pflichtteil erhalten.
Bis zur Volljährigkeit meiner erstehelichen Kinder ordne ich Testamentsvollstreckung an. Zu Testamentsvollstreckern bestimme ich:
1. meine geschiedene Ehefrau C
2. meine Eltern ...
Es sollen alle Entscheidungen gemeinschaftlich erfolgen. Ein Testamentsvollstrecker soll insbesondere über Grundstücke allein nicht verfügen dürfen, sondern nur zusammen mit allen Testamentsvoll...