Normenkette

BGB § 177 Abs. 1, § 180 S. 2, § 184 Abs. 1; GmbHG §§ 47, 53

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Aktenzeichen 3/7 T 35/02)

AG Bad Homburg (Aktenzeichen 10 HRB 5742)

 

Tenor

Der angefochtene Beschluss und der Beschluss des AG Bad Homburg v.d. Höhe vom 24.7.2002 werden aufgehoben.

Das AG Bad Homburg v.d. Höhe wird angewiesen, die Eintragung der Satzungsänderung nicht aus den bisherigen Gründen abzulehnen.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.

Beschwerdewert: 3.000 Euro.

 

Gründe

I. Die zur Eintragung im Handelsregister angemeldete Satzungsänderung (Änderung der Firma) wurde am 10.12.2001 durch notariell beurkundeten Beschluss in der Gesellschafterversammlung von Frau Sch. als Unterbevollmächtigte der Alleingesellschafterin beschlossen. Der Anmeldung beigefügt war neben der Untervollmacht eine schriftliche Vollmacht der Alleingesellschafterin vom 21.8.2001, die durch deren als alleinvertretungsberechtigt bezeichnetes Vorstandsmitglied M. unterzeichnet wurde. Nachdem das Registergericht um Nachweis der Alleinvertretungsberechtigung des M. gebeten hatte, wurde eine notariell beglaubigte „Vollmacht bzw. Genehmigungserklärung” vom 25.6.2002 mit Nachweis der Vertretungsbefugnis eingereicht, die von den Vorstandsmitgliedern M. und J. unterzeichnet wurde.

Das AG wies den Eintragungsantrag mit Beschluss vom 2.9.2002 zurück und führte zur Begründung aus, bei der Änderung des Gesellschaftsvertrages einer sog. Ein-Mann-GmbH handele es sich um ein einseitiges Rechtsgeschäft, bei dem eine Vertretung ohne Vertretungsmacht nach § 180 S. 1 BGB unzulässig sei.

Die Beschwerde der Betroffenen wies das LG mit Beschluss vom 2.9.2002 zurück.

Hiergegen wendet sich die Betroffene mit der weiteren Beschwerde.

II. Die weitere Beschwerde ist zulässig und führt auch in der Sache zum Erfolg, da die Entscheidung des LG auf einer Rechtsverletzung beruht (§§ 27 Abs. 1 FGG, 550 Abs. 1 ZPO). Die angemeldete Satzungsänderung ist nach Vorlage der Genehmigungserklärung der beiden vertretungsberechtigten Vorstandsmitglieder der Alleingesellschafterin eintragungsfähig.

Nach § 53 Abs. 1 und 2 GmbHG erfolgt die Abänderung des Gesellschaftsvertrages durch Beschluss der Gesellschafter, der notariell beurkundet werden muss. Eine Vertretung bei der Beschlussfassung in der Gesellschafterversammlung ist zulässig, wobei die Vollmacht zu ihrer Gültigkeit der Schriftform bedarf (§§ 47 Abs. 1 und 3 GmbHG). Die Beschlussfassung erfolgt durch Stimmabgabe. Die Stimmabgabe des einzelnen Gesellschafters ist eine einseitige Willenserklärung, mit der eine Willensbildung durch Beschluss in den Angelegenheiten der Gesellschaft herbeigeführt werden soll. Bei der Stimmabgabe handelt es sich um eine empfangsbedürftige Willenserklärung. Erklärungsempfänger ist die Gesellschaft, deren Angelegenheiten durch den im Wege der Stimmabgabe herbeigeführten Gesellschafterbeschluss geregelt werden (vgl. BGHZ 52, 316 = MDR 1970, 122; BayObLG v. 8.12.1988 – BReg. 3Z 138/88, MDR 1989, 457 = GmbHR 1989, 252 = DB 1989, 374; Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 15. Aufl., § 47 Rz. 1; Michalowski/Römermann, GmbHG, § 47 Rz. 439; Münch.Handb. GesR/Wolff, GmbH, 2. Aufl., § 39 Rz. 5; Baumbach/Hueck, GmbHG, 17. Aufl., § 47 Rz. 4; Bartl/Fichtelmann/Schlarb/Schulze, GmbH-Recht, 5. Aufl., § 47 Rz. 4).

An der Empfangsbedürftigkeit der Stimmabgabe als Willenserklärung ändert sich auch dann nichts, wenn es nur einen Gesellschafter gibt oder in der Gesellschafterversammlung nur ein Gesellschafter erschienen ist. Auch in diesem Falle stellt die Stimmabgabe keine nicht empfangsbedürftige Willenserklärung i.S.d. § 130 und § 180 S. 2 BGB dar. Sie ist vielmehr gleichfalls ggü. der Gesellschaft, deren Rechtsangelegenheiten hierdurch geregelt werden sollen, abzugeben und kann von dem anwesenden (Allein-)Gesellschafter zugleich für die Gesellschaft entgegengenommen werden, ohne dass § 181 BGB dem entgegensteht (vgl. Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 15. Aufl., § 47 Rz. 1; Baumbach/Hueck, GmbHG, 17. Aufl., § 47 Rz. 4; Wolff, GmbHG, 2. Aufl., § 39 Rz. 5; BayObLG v. 8.12.1988 – BReg. 3Z 138/88, MDR 1989, 457 = GmbHR 1989, 252 = DB 1989, 374; a.A.: Rowedder/Schmidt-Leithoff/Koppensteiner, GmbHG, 4. Aufl., § 47 Rz. 23).

Damit handelt es sich bei der Stimmabgabe zwar um ein einseitiges Rechtsgeschäft i.S.d. § 180 S. 1 BGB. Gleichwohl ist jedoch eine Vertretung ohne Vertretungsmacht zulässig, da die Stimmabgabe als empfangsbedürftige Willenserklärung ggü. der Gesellschaft vorzunehmen ist und deshalb gem. § 180 S. 2 BGB die Vorschriften über Verträge entsprechende Anwendung finden. Damit ist die Möglichkeit eröffnet, die Stimmabgabe eines vollmachtlosen Vertreters in der Gesellschafterversammlung nachträglich gem. § 177 Abs. 1 BGB zu genehmigen und ihr so nach § 184 Abs. 1 BGB mit Rückwirkung Wirksamkeit zu verschaffen. Dies gilt nicht nur für die Stimmabgabe bei Anwesenheit mehrerer Gesellschafter, sondern auch im Falle der Vertretung eines Gesellschafters durch den anderen in einer Zwei-Personen-Gesellschaft (so BayObLG v. 8.12.19...

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