Entscheidungsstichwort (Thema)
Einwendungsfrist auf ein Sachverständigengutachten im selbstständigen Beweisverfahren
Leitsatz (amtlich)
Der Antrag, einen Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, kann im selbstständigen Beweisverfahren innerhalb der Frist zur Stellungnahme gemäß § 411 Abs. 4 ZPO gestellt werden. Die angemessene Frist zur Geltendmachung weiterer Einwendungen berechnet sich grundsätzlich nach der Entscheidung über das Ablehnungsgesuch.
Normenkette
ZPO §§ 411, 485
Verfahrensgang
LG Hanau (Beschluss vom 02.12.2020; Aktenzeichen 4 OH 40/19) |
Tenor
Die Entscheidung ist nicht anfechtbar
Der Beschluss des Landgerichts Hanau - 4. Zivilkammer - vom 2. Dezember 2020 in Verbindung mit dem Beschluss über die Nichtabhilfe vom 22. Januar 2021 (4 OH 40/19) wird aufgehoben.
Das Verfahren wird zur erneuten Entscheidung über die Anträge der Antragstellerin gemäß Schriftsätzen vom 18. November und 21. Dezember 2020 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats an das Landgericht Hanau zurückverwiesen.
Der Gebührenstreitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 100.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Antragstellerin wendet sich mit der Beschwerde gegen den Beschluss der Zivilkammer des Landgerichts in dem selbständigen Beweisverfahren, mit dem ihr Antrag auf Ladung der Sachverständigen zur mündlichen Erläuterung des Gutachtens zurückgewiesen worden ist.
Die Antragstellerin will über das vorliegende selbständige Beweisverfahren die Klärung eines von ihr behaupteten Behandlungsfehlers im Zusammenhang mit der Durchführung einer zunächst konservativen Arthrosetherapie und der weiteren Knieendoprothesenimplantation (Knie-TEP) im Verlauf des Jahres 2014 durch die bei der Antragsgegnerin angestellten Ärzte und mit Blick auf den Knie-TEP- Wechsel in der B Klinik in Stadt1 im September 2016 erreichen.
Auf die Anträge der Antragstellerin und nach antragsgemäßen Beschlüssen der Zivilkammer vom 23. September und 21. November 2019 sowie 23. April 2020 hat die berufene Sachverständige das Gutachten am 10. Dezember 2019 erstattet und am 20. Mai 2020 ergänzt.
Mit Verfügung der Vorsitzenden der Zivilkammer vom 24. Juni 2020 ist den Parteien auf das (Ergänzungs-)Gutachten gemäß "§ 411 IV ZPO (entspr.)" wegen Anträgen und Ergänzungsfragen eine Frist von 1 Monat gesetzt worden mit dem Hinweis, dass nach Ablauf der gesetzten Frist das selbständige Beweisverfahren beendet sei.
Diese Verfügung ist dem Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin am 2. Juli 2020 zugestellt worden.
Mit dem am 10. Juli 2020 bei dem Landgericht eingegangenen Schriftsatz hat die Antragstellerin die Sachverständige wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt und angetragen, einen weiteren Sachverständigen zu bestellen. Sie hat dies auf eine einseitige, die Behauptungen der Antragstellerin ausblendende Betrachtung der Sachverständigen gestützt und im Einzelnen begründet und in einem weiteren Schriftsatz vom 6. August 2020 darauf hingewiesen, dass das selbständige Beweisverfahren nach Ablehnung der Sachverständigen nicht beendet, sondern sodann durch einen weiteren Sachverständigen fortzusetzen sei.
Die Zivilkammer hat mit Beschluss vom 10. November 2020 das Ablehnungsgesuch für unbegründet erklärt, woraufhin die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 18. November 2020 beantragt hat, die Sachverständige zur mündlichen Erläuterung des Gutachtens zu laden. Die Kammer hat diesen Antrag mit dem angefochtenen Beschluss vom 2. Dezember 2020 zurückgewiesen. Das selbständige Beweisverfahren sei beendet, weil der Antrag auf mündliche Erläuterung des Gutachtens außerhalb der gemäß § 411 Abs. 4 ZPO gewährten Frist zur Stellungnahme gestellt worden sei.
Hiergegen wendet sich die Beschwerde der Antragstellerin. Sie macht geltend, der Antrag auf Ladung der Sachverständigen zur mündlichen Erläuterung des Gutachtens habe erst nach der Entscheidung über das Ablehnungsgesuch gestellt werden können, so dass das Landgericht diesen nicht hätte zurückweisen dürfen. Die Ladung der Sachverständigen habe zu erfolgen. Zudem beantragt sie, einen anderen Sachverständigen durch das Gericht zu bestellen.
Die Antragstellerin hat zwischenzeitlich Klage zur Hauptsache erhoben.
Die Antragsgegnerin verteidigt die angefochtene Entscheidung.
II. Das Rechtsmittel ist als sofortige Beschwerde zulässig.
Dass das Landgericht in dem Tenor des angefochtenen Beschlusses (nur) den Antrag auf Ladung der Sachverständigen zur mündlichen Erläuterung des Gutachtens zurückgewiesen hat und diese Zurückweisung für sich genommen grundsätzlich nicht anfechtbar ist, bleibt vorliegend unbeachtlich, weil damit die in der Beschlussbegründung mitgeteilte Feststellung der Beendigung des selbständigen Beweisverfahrens verbunden war. Die Feststellung der Beendigung des Verfahrens kann mit der sofortigen Beschwerde angegriffen werden, weil die Anhörung der Sachverständigen nicht (zwingend) in einen möglicherweise folgenden Rechtsstreit zur Hauptsache verlagert werden kann und damit die Ablehnung der mündlichen An...