Leitsatz (amtlich)
Zu wesentlichen Formmängeln eines Urteils, die ein Ruhen der Verfolgungsverjährung ausschließen können.
Verfahrensgang
AG Hanau (Entscheidung vom 30.06.2006; Aktenzeichen 55 OWi 2945 Js 12788/05) |
Gründe
Das Regierungspräsidium X hat gegen den Betroffenen mit Bußgeldbescheid vom 27. Mai 2005 wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung um 28 km/h, begangen am 19. Februar 2005 um ... Uhr in O1, Einmündung ..., Richtung O2, als Fahrer des Pkw, amtliches Kennzeichen ..., eine Geldbuße von 50,- EUR festgesetzt und ein Fahrverbot von 1 Monat angeordnet. Den hiergegen gerichteten Einspruch des Betroffenen hat das Amtsgericht Hanau mit Urteil vom 01. Februar 2006 verworfen, nachdem der Betroffene nicht zum Hauptverhandlungstermin erschienen war. Den Wiedereinsetzungsantrag des Betroffenen vom 09. März 2006 verwarf das Amtsgericht Hanau durch Beschluss vom 03. Mai 2006. Hiergegen legte der Betroffene sofortige Beschwerde ein, die mit Beschluss des Landgerichts Hanau vom 30. Juni 2006 verworfen wurde. Der Betroffene verfolgt nunmehr die gleichzeitig mit dem Wiedereinsetzungsantrag eingelegte und begründete Rechtsbeschwerde.
Die Rechtsbeschwerde ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und ebenso begründet worden. Sie hat auch in der Sache Erfolg.
Auf die von dem Betroffenen erhobene Verfahrensrüge ist das angefochtene Urteil aufzuheben und das Verfahren nach § 206 a StPO, § 46 Abs. 1 OWiG wegen des Vorliegens des Verfahrenshindernisses der Verfolgungsverjährung einzustellen.
Das angefochtene Urteil vermochte nach § 32 Abs. 2 OWiG nicht zu einem Ruhen der Verfolgungsverjährung zu führen, da es an einem wesentlichen Formmangel leidet.
Gemäß § 275 Abs. 3 StPO, der (mit Ausnahme von Abs. 2 Satz 3) nach § 71 Abs. 1 OWiG auch im gerichtlichen Bußgeldverfahren gilt (vgl. Göhler, OWiG, 14. Aufl., Rdnr. 40 zu § 71), ist, obwohl dies dort nicht ausdrücklich erwähnt ist, im Urteilskopf der Angeklagte zu bezeichnen (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 48. Aufl., Rdnr. 24 zu § 275), da die Entscheidung gegen ihn wirkt und dies für die Vollstreckung aus dem Titel erkennbar sein muss.
Wird das Urteil mit den Gründen bereits vollständig in das Sitzungsprotokoll aufgenommen (§ 275 Abs. 1 Satz 1 StPO), ist ein besonderer Urteilskopf mit den erforderlichen Angaben entbehrlich, wenn sie sich bereits aus dem Protokoll ergeben (Meyer-Goßner, StPO, 49. Auflage, § 275 Rz. 1).
Im vorliegenden Fall enthält das in das Hauptverhandlungsprotokoll vom 01. Februar 2006 aufgenommene Verwerfungsurteil überhaupt kein Rubrum. In dem Sitzungsprotokoll selbst ist der Betroffene nur mit Vor- und Familienname bezeichnet. Allein die Nennung des Namens vermag den Anforderungen des § 275 Abs. 3 StPO jedoch nicht zu genügen. Vielmehr wäre auch die Angabe des Wohn- oder ständigen Aufenthaltsortes sowie insbesondere des Tages und Ortes der Geburt erforderlich gewesen (vgl. Karlsruher Kommentar, StPO, 5. Aufl., Rdnr. 15 zu § 275). Diese sind erst in der Urteilsausfertigung, die von dem Richter nicht unterzeichnet worden ist, sondern nur dessen maschinenschriftlich gefertigte Unterschrift enthält, von der Schreibkanzlei eingefügt worden.
Die Verfolgungsverjährung, die nach dem Erlass des Bußgeldbescheides sechs Monate betrug (§ 31 Abs. 2 Nr. 4 OWiG), ist am 16. August 2005 durch den Eingang der Akten bei Gericht und am 15. und 22. November 2005 durch die Anberaumung einer Hauptverhandlung (§ 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 OWiG) unterbrochen worden. Somit trat Verjährung mit Ablauf des 21. Mai 2006 ein.
Die Voraussetzungen für eine Sachentscheidung liegen vor.
Zwar ist dem Betroffenen eine Urteilsausfertigung übersandt worden, die in wesentlichen Teilen mit dem Original nicht übereinstimmt. Während die Ausfertigung, von der sich eine Abschrift bei den Akten befindet (Bl. 42, 43 d.A.), ein ordnungsgemäßes Rubrum enthält, ist dies bei der Urschrift des Urteils, die von dem Richter unterschrieben worden ist (Bl. 40 d.A.), sowie bei dem Hauptverhandlungsprotokoll, in das das Urteil aufgenommen worden ist (Bl. 40 d.A.) nicht der Fall. Auch der Wortlaut der Urteilsgründe unterscheidet sich in der Urschrift von der Urteilsausfertigung, die zudem Lücken aufweist.
Danach fehlt es an einer ordnungsgemäßen Zustellung des angefochtenen Urteils mit der Folge, dass die von einer wirksamen Urteilszustellung abhängigen Rechtsmittelfristen noch nicht in Lauf gesetzt worden sind (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 48. Aufl., Rdnr. 5 zu § 345; BGH StV 1981, 170; OLG Frankfurt am Main - 2 Ws (B) 329/91 OWiG - ; - 2 Ws (B) 3/93 OWiG - ; 2 Ws (B) 352/00 OWiG -).
Dies ist im vorliegenden Fall jedoch unschädlich, weil der Rechtsbeschwerde in der vorliegenden Form der Erfolg wegen der eingetretenen Verjährung nicht zu versagen sein wird.
Der angefochtene Beschluss ist daher aufzuheben und das Verfahren wegen Eintritts der Verfolgungsverjährung einzustellen.
Die Kosten- und Auslagenentscheidung beruht auf § 467 Abs. 1 StPO i.V.m. § 46 OWiG.
Fundstellen
Haufe-Index 2573795 |
DAR 2007, 38 |
ZfS 2007, 54 |