Entscheidungsstichwort (Thema)
Prognosebericht bei Rechnungslegung auch unter Hinweis auf die Finanz- und Wirtschaftskrise nicht verzichtbar
Leitsatz (amtlich)
1. Die Rechnungslegung eines kapitalmarktorientierten Unternehmens, die im Konzernlagebericht und im Lagebericht vollständig auf einen Prognosebericht verzichtet, weist einen wesentlichen und somit im Enforcementverfahren zu beanstandenden Fehler auf.
2. Auch die sich aus der derzeitigen Finanz- und Wirtschaftkrise ergebenden Unsicherheiten für die Einschätzung der voraussichtlichen Geschäftsentwicklung können es nicht rechtfertigen, vollständig auf die Prognoseberichterstattung zu verzichten, die nach §§ 289 Abs. 1 Satz 4 und 315 Abs. 1 Satz 5 HGB zu den zwingenden vorgeschriebenen Mindestbestandteilen des (Konzern-)Lageberichtes gehört.
3. Der Veröffentlichung eines solchen Fehlers kommt für das Enforcementverfahren eine besondere generalpräventive Bedeutung zu, der gegenüber das Interesse des Unternehmens an der Vermeidung von wirtschaftlichen Nachteilen durch eine Schädigung seiner Reputation und die Ausnutzung durch Minderheitsaktionäre zurückzutreten hat.
Normenkette
WpHG § 37n; HGB § 289 Abs. 1 S. 4, § 315 Abs. 1 S. 5; WpHG §§ 37p, 37t Abs. 2, § 37u Abs. 2; WpÜG § 50 Abs. 3 Nrn. 2-3
Tenor
Die Verfahren WpÜG 11 und 12/09 werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.
Die Anträge auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Widersprüche der Antragstellerin gegen die Bescheide der Antragsgegnerin über die Fehlerfeststellung vom 1.9.2009 und die Fehlerveröffent-lichungsanordnung vom 14.10.2009 werden zurückgewiesen.
Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Gegenstandswert: je 100.000 EUR; ab Verbindung 200.000 EUR
Gründe
I. Die Antragstellerin ist ein Unternehmen, dessen Aktien an der E zum Handel zugelassen und im DAX 30 notiert sind.
Die Antragstellerin legte im Februar 2009 den Konzernabschluss und den Konzernlagebericht ihrer Unternehmensgruppe für das Geschäftsjahr 2008 vor.
Im Konzernlagebericht wird unter der Rubrik "Prognosebericht" ausgeführt:
"Das gesamte wirtschaftliche Umfeld ist derzeit nicht einschätzbar. Innerhalb kürzester Zeit entwickelte sich die US-Immobilien- und Bankenkrise zu einer globalen Finanz- und Wirtschaftskrise. Die Dynamik dieser Entwicklung, verbunden mit der Komplexität und Vernetzung weltweiter Finanz- und Realmärkte, ist beispiellos. Die damit einhergehenden Unsicherheiten spiegeln sich in der Kurzlebigkeit aller während des abgelaufenen Jahres gegebenen wirtschaftlichen Voraussagen und in grotesken Fehleinschätzungen wider.
Diese besonderen Umstände erlauben uns derzeit keine quantitativen Prognosen. Auch qualitative Trendaussagen sind - angesichts der hohen Dynamik und geringen Beständigkeit solcher Einschätzungen - zum jetzigen Zeitpunkt nicht mit dem durch die Lageberichterstattung vorgesehenen Planungshorizont vereinbar."
Im Rahmen einer im April/Mai 2009 durchgeführten Anlassprüfung beanstandete die Deutsche Prüfstelle für Rechnungslegung (im Folgenden: DPR), dass der Prognosebericht nicht den gesetzlichen Anforderungen des § 315 Abs. 1 Satz 5 HGB, konkretisiert durch C, entspreche.
Nachdem die Antragstellerin sich mit diesem Prüfungsergebnis nicht einverstanden erklärt hatte, ordnete die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 2.7.2009 die Prüfung des Konzernabschlusses zum 31.12.2008 sowie des Konzernlageberichts für das Geschäftsjahr 2008 an und erweiterte die Prüfung mit Bescheid vom 6.8.2009 auf den Jahresabschluss der Antragstellerin zum 31.12.2008 und den Lagebericht für das Geschäftsjahr 2008, der bezüglich der Prognose eine wortgleiche Passage enthält.
Mit Bescheid vom 1.9.2009 stellte die Antragsgegnerin fest, dass der Lagebericht und der Konzernlagebericht für das Geschäftsjahr 2008 fehlerhaft sind, weil in beiden die voraussichtliche Entwicklung der Gesellschaft und des Konzerns nicht beurteilt und erläutert werde, was gegen § 289 Abs. 1 Satz 4 HGB bzw. § 315 Abs. 1 Satz 5 HGB verstoße. Gegen diese Fehlerfeststellung hat die Antragstellerin unter dem 28.9.2009 Widerspruch erhoben, über den bisher noch nicht entschieden ist.
Nach Anhörung der Antragstellerin ordnete die Antragsgegnerin mit weiterem
Bescheid vom 14.10.2009 die Bekanntmachung dieser mit Bescheid vom 1.9.2009 festgestellten Fehler im Lagebericht und im Konzernlagebericht für das Geschäftsjahr 2008 an und lehnte den Antrag der Antragstellerin auf Absehen von der Bekanntmachung der festgestellten Fehler ab.
Gegen die Fehlerveröffentlichungsanordnung legte die Antragstellerin unter dem 22.10.2009 Widerspruch ein, über den ebenfalls noch nicht entschieden wurde.
Mit am 05. und 22.10.2009 bei Gericht eingegangenen Schriftsätzen beantragt die Antragstellerin, die aufschiebende Wirkung ihrer Widersprüche gegen den Bescheid vom 1.9.2009 über die Fehlerfeststellung und den Bescheid vom 14.10.2009 über die Anordnung der Fehlerbekanntmachung anzuordnen.
Die Antragstellerin macht geltend, es bestünden ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Fehler...