Entscheidungsstichwort (Thema)
Therapieunterbringungsgesetz: Dringendes Bedürfnis für sofortiges Tätigwerden
Leitsatz (amtlich)
Zur Voraussetzung des dringenden Bedürfnisses für ein sofortiges Tätigwerden bei Erlass einer einstweiligen Anordnung zur vorläufigen Unterbringung nach dem ThUG
Normenkette
ThUG § 14 Abs. 1 Nr. 1
Verfahrensgang
LG Marburg (Beschluss vom 15.03.2012; Aktenzeichen 6 O 1/12) |
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.
Der Antrag des Beteiligten zu 3), auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Therapieunterbringung wird zurückgewiesen.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.
Gründe
I. Der Leiter der Justizvollzugsanstalt O1 (im Folgenden: Antragsteller) beantragte mit Schreiben vom 29.2.2012 die Anordnung der Therapieunterbringung des Betroffenen nach § 1 ThUG in der Einrichtung zur Sicherung und Resozialisierung Hessen gGmbH in O2 sowie die Anordnung der vorläufigen Unterbringung des Betroffenen im Wege der einstweiligen Anordnung nach §§ 14, 15 ThUG.
Der ...-jährige Betroffene ist bereits als Jugendlicher strafrechtlich mehrfach in Erscheinung getreten.
So wurde er am 23.6.1976 durch Urteil des AG Wiesbaden (20 Ls .../76) - rechtskräftig seit 10.2.1977 - wegen Hehlerei und Diebstahl unter Einbeziehung einer vorausgegangenen Verurteilung wegen Diebstahls zu einer Jugendstrafe von 1 Jahr und 3 Monaten verurteilt, welche er nach Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung bis zum ... Dezember 19 ... verbüsste.
Durch rechtskräftiges Urteil des AG Idstein vom 10.5.1978 (17 Js .../77) wurde der Betroffene wegen Diebstahls und Trunkenheit im Straßenverkehr in Tateinheit mit Fahren ohne Fahrerlaubnis zu einer Geldstrafe von 100 Tagessätzen unter Einbeziehung einer vorausgegangenen Verurteilung wegen fahrlässiger Straßenverkehrsgefährdung verurteilt.
Das AG Wiesbaden verhängte durch Urt. v. 29.1.1979 - rechtskräftig seit 23.3.1979 - (21 Js .../73) wegen Diebstahls eine Freiheitsstrafe von 8 Monaten, die am ... Mai 19 ... verbüßt war.
Durch weiteres rechtskräftiges Urteil des AG Wiesbaden vom 11.1.1980 wurde gegen den Betroffenen (7 Js .../79) wegen Diebstahls eine Freiheitsstrafe von 1 Jahr verhängt, deren Verbüßung am ... September 19 ... beendet war.
Durch das LG Darmstadt wurde der Betroffene mit Urt. v. 22.1.1982 - rechtskräftig seit 7.8.1982 - (1 KLs 3 Js .../81) wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit sexueller Nötigung in zwei Fällen sowie versuchter Vergewaltigung in einem weiteren Fall zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 7 Jahren und 6 Monaten verurteilt.
Während der Verbüßung dieser Freiheitsstrafe kehrte er im Juni 1986 aus einem gewährten Hafturlaub nicht zurück und beging weitere Straftaten, wegen derer er durch Urteil des LG Landshut vom 6.10.1987 (KLs 2 Js .../86) wegen schweren Raubes in Tatmehrheit mit gemeinschaftlichem Raub und versuchtem schwerem Raub in Tatmehrheit mit zwei sachlich zusammentreffenden Verbrechen der Vergewaltigung, in einem Fall in Tateinheit mit einem Verbrechen der sexuellen Nötigung in Tatmehrheit mit einem Verbrechen der versuchten Vergewaltigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 13 Jahren verurteilt wurde; außerdem wurde die Sicherungsverwahrung des Betroffenen angeordnet, die zunächst auf die Revision durch Urteil des BGH vom 15.3.1988 aufgehoben, durch Urteil des LG Landshut vom 25.7.1988 jedoch erneut angeordnet wurde, wobei der BGH mit Beschluss vom 29.12.1988 die hiergegen gerichtete erneute Revision des Betroffenen als unbegründet verwarf.
Nach vollständiger Verbüßung der beiden Gesamtfreiheitsstrafen aus den Urteilen des LG Darmstadt und des LG Landshut wird gegen den Betroffenen seit dem 10.4.2002 die durch Urteil des LG Landshut angeordnete Unterbringung in der Sicherungsverwahrung in der JVA O1 vollzogen.
Nachdem das BVerfG im Anschluss an die Entscheidung des EGMR vom 17.12.2009 (NJW 2010, 2495) mit Urteil vom 4.5.2011 (NJW 2011, 1931) sämtliche Regelungen der Sicherungsverwahrung, insbesondere auch die im Jahr 2004 eingeführte Möglichkeit der nachträglichen Anordnung der Sicherungsverwahrung ohne vorherigen Vorbehalt im Urteil, für verfassungswidrig erklärt und zugleich bis zu einer Neuregelung die Fortgeltung der bisherigen Vorschriften zur Sicherungsverwahrung bis zu einer gesetzlichen Neuregelung längstens bis zum 31.5.2013 in eingeschränkter Form angeordnet hatte, beauftragte die Strafvollstreckungskammer des LG Marburg den Facharzt für Psychiatrie Dr. A im Juni 2012 mit der Erstattung eines Gutachtens zur Vorbereitung der hiernach gebotenen Entscheidung über die weitere Vollstreckung der Sicherungsverwahrung.
Der Sachverständige Dr. A erstellte dieses Gutachten wegen verweigerter Mitwirkung des Betroffenen nach Aktenlage. In seinem Gutachten geht der Sachverständige davon aus, dass bereits die Biographie des Betroffenen für eine denkbar schlechte Sozial- und Legalprognose spreche. Die Delinquenz des Betroffenen beruhe maßgeblich auf einer psychischen Störung im Sinne einer Persönlichkeitsstörung, die sowohl die Kriterien der dissoziale...