Entscheidungsstichwort (Thema)
Beweisverwertungsverbot. Blutentnahme. Richtervorbehalt. Rügevoraussetzungen. Verfahrensrüge
Leitsatz (amtlich)
1. Für die Geltendmachung eines Beweisverwertungsverbotes wegen Verstoßes gegen § 81 a StPO ist beim verteidigten Angeklagten erforderlich, dass rechtzeitig, das heißt bis spätestens zu dem in § 257 StPO bestimmten Zeitpunkt in der ersten Tatsacheninstanz, gegen die Verwertung Widerspruch erhoben und auch die Angriffsrichtung des Widerspruchs mitgeteilt wird.
2. Der Vortrag, es sei in der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht widersprochen worden, ist nicht ausreichend.
Normenkette
StPO § 81a Abs. 2, § 344 Abs. 2 S. 2
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 16.02.2010; Aktenzeichen 5/10 Ns 3990 AR 262121/09 (172/09)) |
Tenor
Die Revision wird auf Kosten des Angeklagten als unbegründet verworfen, weil die Überprüfung des angefochtenen Urteils auf das Revisionsvorbringen hin keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat.
Gründe
Zur erhobenen Verfahrenrüge führt der Senat ergänzend aus:
Die Rüge entspricht bereits nicht den Anforderungen des § 344 II 2 StPO.
Die Merkmale des revisiblen Verfahrensverstoßes bestimmen zugleich den Umfang der Darlegungslast. Der Revisionsführer hat daher den verfahrensrechtlichen Sachverhalt so umfassend in der Revisionsbegründung zu schildern, dass das Revisionsgericht i.S. einer Schlüssigkeitsprüfung ohne Rückgriff auf die Sitzungsniederschrift (und sonstige Aktenbestandteile) die Beurteilung, ein rügbarer Verfahrensverstoß liege vor, ermöglicht wird. Bezugnahmen auf die Sitzungsniederschrift (und sonstige Aktenbestandteile) können diesen Vortrag nicht ersetzen.
Im Falle eines aus der Verletzung des Richtervorbehalt in § 81a StPO abgeleiteten Verwertungsverbots einer dem Angeklagten entnommenen Blutprobe und dem darauf basierenden Sachverständigengutachtens gehört bei einem verteidigten Angeklagten die Darlegung, dass der davon betroffenen Revisionsführer i.S. des § 257 StPO widersprochen hat. Denn die vom BGH entwickelte sog. Widerspruchslösung gilt auch für das hier in Rede stehende Beweisverwertungsverbot wegen Verletzung des Richtervorbehalts in § 81a II StPO (Senat, Beschl. v. 09.03.2010 - 3 Ws 162/10; vgl. OLG Hamburg, NJW 2008,2597 Abs.-Nrn 35 ff.; OLG Hamm, NStZ-RR 2010, 148 = BeckRS 2010, 02551; OLG Hamm, NZV 2009, 90).
Das Vorliegen eines Verwertungsverbotes von einen Widerspruch des Verteidigers in der Hauptverhandlung abhängig zu machen, entspricht herrschender Tendenz in der Rechtsprechung des BGH (vgl. etwa BGH, NJW 2005, 3295, NJW 2007,3587; 2269, 2273; Gössel, in: Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl., Einl. Absch. L Rn 29 mwN). Es ist kein Grund ersichtlich, bei Verstößen im Rahmen der Beweismittelverschaffung unterschiedlich zu verfahren, zumal die ursprünglich zum Beweisverwertungsverbot wegen Verletzung des § 136 I 2 StPO entwickelten Grundsätze inzwischen selbst vom BGH auf weitere Fallgestaltungen, wie etwa einen Verfahrensverstoß bei Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen angewendet werden (BGHSt 51, 1 = NJW 2006, 1361). Es steht dem Beschuldigten frei, sich freiwillig einer Blutentnahme (unabhängig vom Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen für ihre Anordnung) zu unterziehen, was von vornherein eine Anordnung nach § 81a StPO (vgl. Abs. 1 S. 3) erübrigt. Derartige Eingriffe in die körperliche Unversehrtheit sind also umfassend disponible, so dass es erst Recht im Ermessen des Beschuldigten stehen muss, ob er sich gegen die Verwertung von Erkenntnissen, die ursprünglich durch (etwaige formell rechtswidrig angeordnete Zwangsmaßnahmen) erlangt wurden, mit einem Widerspruch wenden will oder nicht.
Ein solcher Widerspruch des verteidigten Angeklagten ist dabei bereits in der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht und dabei (spätestens) in dem in § 257 III StPO genannten Zeitpunkt zu erheben und kann nicht etwa im Berufungsverfahren nachgeholt werden (OLG Stuttgart, NStZ 1997, 405; OLG Hamburg und OLG Hamm -jew. aaO.; vgl. auch BGHSt 50, 272 = NStZ 2006, 348 = StV 2006, 396).
Der Vortrag, dass der Widerspruch in der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht rechtzeitig erhoben wurde, fehlt in der Revisionsbegründung.
Dort heißt es:
"Die Verteidigung hat stets jeglicher Verwertung der Blutprobe vom 17.06.2009 sowie des Ergebnisses der Blutuntersuchung, insbesondere der Verlesung und Verwertung des Blutalkoholgutachtens vom 22.06.2009 (Bl. 14 d.A.) widersprochen. Dies geschah ... im Hauptverhandlungstermin vor dem Amtsgericht Königstein im Taunus vom 29.09.2009 ausweislich des Sitzungsprotokolls Bl. 79 d.A. und Anlage II zum Protokoll vom 29.09.2009, Blatt 83 der Akten: ‚Der Verteidiger stellt mündlich den Widerspruch gegen jegliche Verwertung der Blutprobe sowie deren Ergebnisses (Anlage II zum Protokoll).‚"
Die darin enthaltene alleinige Mitteilung, dass die Verteidigung der Verwertung in der Hauptverhandlung ausdrücklich widersprochen hat, reicht als zu ungenau nicht aus, weil sie die Möglichkeit verspäteten Widersp...