Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundbuchrecht
Leitsatz (redaktionell)
In Grundbuchsachen kann zum Nachweis der Erbfolge anstelle des Erbscheis die Vorlage der in einer öffentlichen Urkunde enthaltenen Verfügung von Todes wegen mitsamt Niederschrift über ihrer Eröffnung ausreichen.
Normenkette
GBO § 35
Verfahrensgang
LG Gießen (Beschluss vom 07.08.1985; Aktenzeichen 7 T 153/85) |
Tenor
Der angefochtene Beschluß und die Zwischenverfügung des Rechtspflegers vom 25.2.1985 werden aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Prüfung und Entscheidung nach Maßgabe der Gründe dieses Beschlusses an den Rechtspfleger zurückverwiesen.
Gründe
Die an keine Frist gebundene weitere Beschwerde ist statthaft sowie formgerecht angebracht worden (§§ 78, 80 Abs. 1 und 3, 73 Abs. 3 GBO) und damit zulässig. Sie hat auch Erfolg, weil das Grundbuchamt zu Unrecht die Löschung des Nacherbenvermerks von der Vorlage eines Erbscheins über das Recht der Vorerbin oder der Zustimmung eines zu bestellenden Pflegers abhängig gemacht hat.
Nach § 35 Abs. 1 Satz 2 GBO genügt, wenn die Erbfolge wie hier auf einer in einer öffentlichen Urkunde enthaltenen Verfügung von Todes wegen beruht, anstelle des Erbscheins die Vorlegung der letztwilligen Verfügung mit Niederschrift über ihre Eröffnung. Es ist dann Aufgabe des Grundbuchamtes, das gesamte ihm vorgelegte Urkundenmaterial und die aus den beizuziehenden Nachlaßakten ersichtlichen Urkunden als Nachweis zu verwerten und hierbei auftretende Rechtsfragen selbständig zu beantworten. Die Vorlage eines Erbscheins darf nur verlangt werden, wenn das Grundbuchamt die Erbfolge durch diese Urkunden nicht für nachgewiesen erachtet.
Hinsichtlich der beantragten Löschung des Nacherbenvermerks besteht eine urkundliche Lücke im Nachweis der Erbfolge nur insoweit, als nicht urkundlich nachgewiesen ist, daß aus der Ehe der Beteiligten zu 1) keine weiteren Kinder als die Beteiligten zu 2), 3) und 4) hervorgegangen sind. Wie der Senat bereits in seiner im Rechtspfleger 1980, Seite 434 = OLGZ 1981. 30 abgedruckten Entscheidung ausgeführt hat, kann eine solche Lücke im urkundlichen Nachweis nach dem Sinn der zwecks Ersparnis von Kosten getroffenen Bestimmung des § 35 Abs. 1 Satz 2 GBO durch die Vorlage einer in der Form des § 29 Abs. 1 GBO abgegebenen eidesstattlichen Versicherung der Beteiligten zu 1), daß sie keine Kinder geboren hat, geschlossen werden. Es muß zwar verhindert werden, daß Auslegungszweifel rechtlicher Art vom Nachlaßgericht und Grundbuchamt unterschiedlich beantwortet werden. Das aber ist nicht zu befürchten, wenn auf der Hand liegt, daß tatsächliche Ermittlungen zu keinen unterschiedlichen Ergebnissen führen können, wie dies bei der Ermittlung von Zahl und Namen der aus einer Ehe hervorgegangenen Kinder regelmäßig der Fall ist. Insoweit ist ein Nachweis nur in Form einer eidesstattlichen Versicherung der Witwe möglich. Solche liegt hier vor. Sie nur deshalb nicht zu berücksichtigen, weil sie nicht gegenüber dem Nachlaßgericht abgegeben worden ist, würde dem Sinn des § 35 Abs. 1 Satz 2 GBO widersprechen. Davon abgesehen könnte zur Zeit ein Erbschein nur für die Vorerbin erteilt werden. Ein einem Vorerben ausgestellter Erbschein weist aber nur diesen als Erben auf, die in ihm enthaltenen Angaben, daß Nacherbfolge angeordnet und wer Nacherbe ist, sind nur hinsichtlich der Verfügungsbefugnis des Vorerben von Bedeutung. Vor Eintritt des Nacherbfalles ist eine angeordnete Nacherbschaft der Bezeugung in einem Erbschein nicht fähig; eine positive Vermutung dafür, wer Nacherbe ist, sieht das Gesetz dagegen nicht vor (BGH in BGHZ 84. 196, 199 mit weiteren Nachweisen). Andere Erkenntnismöglichkeiten hätte auch ein zu bestellender Pfleger nicht, so daß zweifelhaft ist, ob überhaupt ein Forsorgebedürfnis für eine Pflegschaft nach § 1913 BGB zu bejahen wäre. Dann aber muß das Grundbuchamt als befugt und verpflichtet betrachtet werden, eine solche eidesstattliche Versicherung entgegenzunehmen und zu bewerten. Die gegenteilige Auffassung von Meyer-Stolte (Rechtspfleger 1980.434), der auch in einem solchen Ausnahmefall eine eidesstattliche Versicherung nicht als Beweismittel im Grundbuchverfahren zulassen möchte, vermag den Senat nicht überzeugen. Auch Kuntze/Ertl/Hartmann/Eickmann (Grundbuchrecht 3. Aufl., § 35, Randn. 74) haben sich der Ansicht von Meyer/Stolte nicht angeschlossen, wenngleich sie die Ansicht des Senate für nicht unbedenklich halten.
Dementsprechend war die Zwischenverfügung aufzuheben und die Sache zur neuen Prüfung und Entscheidung nach Maßgabe der Gründe dieses Beschlusses an den Rechtspfleger zurückzuverweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 940097 |
OLGZ 1985, 411 |