Leitsatz (amtlich)
Eine Auflösung der gemeinsamen elterlichen Sorge nach § 1671 Abs. 1 BGB ist unverhältnismäßig und hat daher zu unterbleiben, wenn die Eltern keine unterschiedlichen Entscheidungen in kindbezogenen Belangen treffen bzw. wechselseitig verlangen sowie der eine Elternteil den anderen (betreuenden) Elternteil hinreichend in die Lage versetzt, eigenständig solche Entscheidungen mit Wirkung für und gegen das Kind zu treffen. Dabei kann letztlich dahinstehen, ob letzteres durch eine (Unter-)Vollmacht oder - wohl zutreffender - Ermächtigung an den betreuenden Elternteil erfolgt; entscheidend ist, dass sich der andere Elternteil hiervon nicht (kurzfristig) lösen will.
Normenkette
AktG § 78 Abs. 4, § 269 Abs. 4; BGB §§ 164, 1626-1627, 1671; GenG § 22 Abs. 3; HGB § 125 Abs. 2, § 150
Verfahrensgang
AG Bad Homburg (Aktenzeichen 91 F 892/17) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Beschwerde des Antragsgegners vom 26.01.2018 wird der auf den 07.12.2017 datierte Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Bad Homburg vor der Höhe, Az. 91 F 892/17 SO, abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Von den Gerichtskosten des Verfahrens beider Instanzen haben die Eltern je 50% zu tragen; im Übrigen findet keine Kostenerstattung statt.
Beschwerdewert: EUR 3.000,00
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
1. Die Beteiligten zu 1 und 2 sind die Eltern des am 02.11.2012 von der Antragstellerin geborenen Kindes N. ; mit Urkunde vom 04.12.2012 haben die Eltern die gemeinsame Sorge eingerichtet (UR.-Nr. 478/2012 des Kreises Offenbach, Fachbereich Jugend und Soziales).
Die Eltern lebten nie (Vortrag der Antragstellerin) bzw. nur bis 2014 (Vortrag des Antragsgegners) zusammen; das Kind lebt bei der mittlerweile anderweitig verheirateten Mutter, hat keinen Kontakt zum Antragsgegner, weiß nicht (mehr) um dessen Existenz und betrachtet den Ehemann der Antragstellerin als seinen Vater.
Mit Beschluss vom 21.05.2013 übertrug das Amtsgericht - Familiengericht - Bad Homburg v.d.H. der Antragstellerin - mit Zustimmung des Antragsgegners - das Aufenthaltsbestimmungsrecht zur alleinigen Ausübung, Az. 94 F 380/13 SO.
In einem weiteren Verfahren vor dem Amtsgerichts - Familiengericht - Bad Homburg v.d.H., Az. 91 F 1341/16 SO, erteilte der Antragsgegner der Antragstellerin - im Rahmen einer Vereinbarung der Beteiligten - im Anhörungstermin vom 16.02.2017 eine vom Gericht protokollierte, Vollmacht. Wegen des Wortlauts der "unwiderruflichen" Vollmacht wird Bezug genommen auf S. 36f. von 91 F 1341/16 SO.
Am 17.08.2017 beantragte die Antragstellerin erneut, ihr die alleinige Sorge für N. auch im Übrigen zu übertragen. Sie führte dabei aus, die erteilte Vollmacht habe sich als unzureichend erwiesen, da die Vertragspartner und Behörden diese nicht vorbehaltlos akzeptierten.
Das Familiengericht ermittelte im Folgenden einen tiefgreifenden Kommunikationskonflikt der Eltern; eine aktive Einmischung des Antragsgegners in die Belange der Kindererziehung durch die Antragstellerin findet aber nicht statt. Der Antragsgegner erstellte am 22.11.2017 eine neuerliche, öffentlich-beglaubigte Vollmacht zu Gunsten der Antragstellerin, Bl. 116f. der Akte.
Nach Anhörung der Eltern vom 11.10.2017 - auch in einem parallel vom Familiengericht geführten Umgangsverfahren 91 F 604/17 UG - übertrug das Familiengericht mit dem angefochtenen Beschluss, der auf den 07.12.2017 datiert, die elterliche Sorge auf die Antragstellerin zur alleinigen Ausübung.
Hiergegen richtet sich - nach Zustellung des Beschlusses an ihn am 27.12.2017 - die am 26.01.2018 beim Familiengericht eingegangene Beschwerde des Antragsgegners, mit der er eine Antragszurückweisung erstrebt.
Die Antragstellerin hat ihren Vortrag zur vermeintlichen Ungenügendheit der erteilten Vollmachten in der Beschwerde vertieft; hierauf wird Bezug genommen.
2. Auf die zulässige, §§ 58 ff. FamFG, Beschwerde des Antragsgegners war unter Abänderung des angefochtenen Beschlusses der Antrag der Antragstellerin vom 17.08.2017 zurückzuweisen. Dies beruht auf Nachstehendem:
Der Antrag der Kindesmutter, ihr die alleinige elterliche Sorge - jenseits des Aufenthaltsbestimmungsrechts - zu übertragen, § 1671 Abs. 1 BGB, ist unbegründet. Es ist ausreichend, dass ihr vom Kindesvater eine Vollmacht/Ermächtigung zur Ausübung des Sorgerechts erteilt wurde und keine Anhaltpunkte dafür ersichtlich sind, dass der Kindesvater diese (zeitnah) widerrufen möchte.
Zwar haben/hatten die Beteiligten bis zur Entscheidung des Familiengerichts, die auf den 07.12.2017 datiert, aber erst durch Übergabe an die dortige Geschäftsstelle erlassen war, § 38 III 3 FamFG, was indes entgegen der dortigen Verpflichtung nicht auf der Beschlussurschrift vermerkt wurde, so dass der Senat hinsichtlich des Übergabe- und Erlasszeitpunktes auf das Datum des Erledigungsvermerks der Geschäftsstelle über die Beschlussversendung an die Beteiligten zurückgreifen muss, die gemeinsame Sorge für N. (mit Ausna...