Verfahrensgang

LG Kassel (Beschluss vom 31.01.1997; Aktenzeichen 7 O 2583/95)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Beschluß der 7. Zivilkammer des Landgerichts Kassel vom 31. Januar 1997 ersatzlos aufgehoben.

Die Kosten des Rechtsmittels hat der Beklagte nach einem Beschwerdewert von 15.000 DM zu tragen.

 

Gründe

Die sofortige Beschwerde ist gemäß § 17 a Abs. 4 Satz 2 GVG in Verbindung mit den §§ 567 ff, 577 ZPO zulässig und auch sachlich gerechtfertigt.

Entgegen der im angefochtenen Beschluß vertretenen Auffassung ist für den Rechtsstreit sachlich nicht das Arbeitsgericht, sondern das angerufene Landgericht zuständig. Für bürgerlich-rechtliche Streitigkeiten aus Handelsvertreterverhältnissen sind bei Streitwerten über 10.000 DM grundsätzlich die Landgerichte zuständig. Eine Ausnahme gilt lediglich für sogenannte Ein-Firmen-Vertreter, sofern sie in den letzten sechs Monaten des Vertragsverhältnisses Provisionen von durchschnittlich nur unter 2.000 DM monatlich bezogen haben. Denn dann gelten diese Handelsvertreter gemäß den §§ 5 Abs. 3 Arbeitsgerichtsgesetz, 92 a Abs. 1 HGB als Arbeitnehmer mit der Folge, daß die Arbeitsgerichte ausschließlich zuständig sind, § 2 Abs. 1 Nr. 3 Arbeitsgerichtsgesetz. Ein derartiger Ausnahmefall ist hier aber nicht gegeben. Einzuräumen ist dem Landgericht zwar, daß der Beklagte in den letzten sechs Monaten des durch Kündigung des Beklagten zum 31.12.1994 beendeten Vertragsverhältnisses gar keine Provisionen bezögen hat und nach dem Wortlaut des § 5 Abs. 3 Arbeitsgerichtsgesetz damit als Arbeitnehmer im Sinne dieses Gesetzes gilt, denn wer keine Provisionen erhält, ist jedenfalls Handelsvertreter mit Einnahmen unter 2.000 DM monatlich. Bei einer am Gesetzeszweck orientierten Auslegung der Vorschrift sind für die Einordnung des Beklagten aber nicht die Einkünfte des zweiten Halbjahres 1994 maßgeblich, sondern vielmehr die Provisionen von März bis August 1993. Das ergibt sich eindeutig aus den Besonderheiten des Falles, denn ab September 1993 hat der Beklagte bereits für ein Konkurrenzunternehmen der Klägerin gearbeitet und zugleich die Tätigkeit für die Klägerin praktisch eingestellt, wenn auch das Handelsvertreterverhältnis nach übereinstimmender Auffassung der Parteien mangels entsprechender wirksamer Kündigung damals noch nicht endete.

Formell war der Beklagte damit ab 1. September 1993 für zwei verschiedene Unternehmen als Handelsvertreter tätig, so daß schon deshalb die Ausnahmevorschrift für geringverdienende Ein-Firmen-Vertreter nicht zur Einwendung kommen kann. Aber auch hiervon abgesehen, müßte bei alleiniger Berücksichtigung des Handelsvertreterverhältnisses zwischen den Parteien nicht auf die letzten sechs Monate des Vertragsverhältnisses, sondern auf die letzten sechs Monate seiner Tätigkeit für die Klägerin abgestellt werden. Besonders geschützt werden soll der gering verdienende Ein-Firmen-Vertreter doch nur, weil er vergleichbar unselbständig wie ein Arbeitnehmer ist. Stellt ein bisheriger Ein-Firmen-Vertreter aber seine Tätigkeit für das Unternehmen endgültig ein, um anderweit seinen Lebensunterhalt zu verdienen, entfallen für ihn die für den Schutz maßgeblichen Gründe. Regelmäßig fallen Ende der Tätigkeit und Ende des Vertragsverhältnisses zusammen. Beendet der Handelsvertreter aber die Tätigkeit von sich aus vor Vertragsende, begibt er sich freiwillig der gesetzlichen Sonderregelung, sofern er bis dahin höhere Provisionen verdient hat. Das ist aber hier eindeutig der Fall, da der Beklagte in den letzten sechs Monaten seiner Tätigkeit für die Klägerin, d.h. von März bis August 1993 gemäß der bei den Akten befindlichen Kontenübersicht durchschnittlich mehr als 2.000 DM Provisionen bezogen hat, wie er selbst auch nicht in Frage stellt.

Danach ist das Landgericht für den Rechtsstreit sachlich zuständig mit der Folge, daß der angefochtene Beschluß, durch den der Rechtsweg vor der ordentlichen Gerichtsbarkeit für unzulässig erklärt worden ist unter gleichzeitiger Verweisung des Rechtsstreits an das Arbeitsgericht Kassel, ersatzlos aufzuheben ist. Ein ausdrücklicher Ausspruch der Zuständigkeit des Landgerichts bedarf es mangels entsprechenden Antrags der Klägerin nicht.

Die Kosten des Rechtsmittels hat der Beklagte als die unterlegene Partei zu tragen, § 91 ZPO.

Der Beschwerdewert ist gemäß § 3 ZPO festgesetzt worden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1236718

MDR 1997, 885

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