Entscheidungsstichwort (Thema)
Annahmeberufung. konkludente Annahme. Terminsbestimmung. Rechtsmittel gegen die nach Bestimmung eines Hauptverhandlungstermins beschlossene Nichtannahme der Berufung
Leitsatz (amtlich)
1. Hat das Gericht auf die Berufung des Angeklagten Termin zur Hauptverhandlung bestimmt, so ist hierin jedenfalls dann eine konkludente Annahme der Berufung zu sehen, die eine nachfolgende Nichtannahmeentscheidung ausschließt, wenn die Ladung dem Angeklagten innerhalb der Revisionsbegründungsfrist, die Nichtannahmeentscheidung indes erst nach deren Ablauf zuging.
2. In diesem Falle ist die Nichtannahmeentscheidung entgegen §322 a S. 2 StPO gemäߧ322 II StPO analog anfechtbar.
Normenkette
StPO § 322 Abs. 2, §§ 322a, 313 Abs. 2
Verfahrensgang
LG Hanau (Entscheidung vom 25.03.2011; Aktenzeichen 6 Ns - 2945 Js 11947/10) |
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die insoweit entstandenen notwendigen Auslagen des Angeklagten fallen der Staatskasse zur Last.
Gründe
Das Amtsgericht Gelnhausen verurteilte den Angeklagten am 8.2. 2011 wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer Geldstrafe von 15 Tagessätzen a 10 €. Hiergegen legte der Angeklagte über seinen Verteidiger mit am 08.02.2011 beim Amtsgericht eingegangenen Schriftsatz "Berufung/Rechtsmittel" ein. Das schriftliche Urteil wurde dem Verteidiger am 24.2. 2011 zugestellt.
Mit Verfügung vom 14.3.2011 bestimmte die Vorsitzender der Berufungskammer Termin zur Hauptverhandlung auf den 7.9. 2011, ordnete das persönliche Erscheinen des Angeklagten an und verfügte, dass dieser und sein Verteidiger zum Hauptverhandlungstermin geladen werden sollten. Die Terminsladung wurde dem Angeklagten am 17.3. 2011 und seinem Verteidiger am 18.3. 2011 zugestellt.
Mit Beschluss vom 25.3. 2011 wurde sodann die Berufung nicht angenommen und als unzulässig verworfen. Die förmliche Zustellung dieses Beschlusses wurde von der Vorsitzenden nicht angeordnet, die verfügte formlose Zustellung wurde ausweislich des Vermerks der Geschäftsstelle am 28.03.2011 ausgeführt.
Mit am 4.4. 2011 vorab per Fax eingegangenen Schriftsatz hat der Verteidiger sofortige Beschwerde gegen den Beschluss vom 25.3. 2011 eingelegt. Mit Vermerk vom 4.4. 2010 hat die Vorsitzende niedergelegt, die Terminsbestimmung sei nur erfolgt, weil übersehen worden sei, dass das Amtsgericht lediglich 15 Tagessätze Geldstrafe verhängt habe.
Das Rechtsmittel ist unbeschadet der fehlenden förmlichen Zustellung innerhalb der einwöchigen Frist (§ 311 II StPO) eingelegt, auch im Übrigen zulässig und hat schließlich in der Sache Erfolg.
Zwar ist gem. § 322a S.2 StPO ist die Entscheidung über die Annahme der Berufung unanfechtbar. Gleiches gilt, wie sich bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift, vor allem aber auch aus deren Sinn und Zweck ergibt, für den hier gegebenen Fall, dass die Berufung gem. § 313 II 2 StPO als unzulässig verworfen wird (st. Rspr. vgl. z.B. Senatsbeschl. v. 16.11.1995 -3 Ws 753/95; v. 6.10.1997 -3 Ws 773/97 und v. 2.10.2003 - 3 Ws 115/03 - jew. mwN und ganz hM vgl. nur Meyer-Goßner, StPO, 53. Aufl., § 322a Rn 7 mwN).
Eine Anfechtung gem. § 322 II StPO analog wird aber zugelassen, wenn vom Berufungsgericht zu Unrecht die förmlichen Voraussetzungen des § 313 I StPO angenommen bzw. die Nichtannahmeentscheidung nicht begründet wurde (Senat aaO. mwN; ; OLG Düsseldorf, StV 1994, 122; OLG Koblenz, NStZ 1994, 601; BayObLG, StV 1994, 238; Meyer-Goßner, § 411 Rn 5 mwN). Gleiches gilt in dem Fall, in dem die Berufung bereits angenommen wurde und das Berufungsgericht diese Entscheidung später wieder rückgängig gemacht hat, da die erste Entscheidung mit Blick auf ihre Unanfechtbarkeit (§ 323a S. 2 StPO) zu Gunsten des Angeklagten Bestandsschutz entfaltet (OLG Zweibrücken, NStZ-RR 2002, 245; Meyer-Goßner, § 323a Rn 8; vgl. auch Paul, in: KK-StPO, 6. Aufl., § 322a Rn 1). Letztgenannter Fall liegt hier vor.
Zwar hat die Kammer keine ausdrückliche Annahmeentscheidung getroffen. Hat das Landgericht auf die Berufung des Angeklagten Termin zur Hauptverhandlung bestimmt und den Angeklagten sowie seinen Verteidiger geladen, so liegt darin regelmäßig die stillschweigende Annahme der Berufung (OLG Zweibrücken aaO.; Meyer-Goßner, § 322a Rn 3, Frisch, in: SK-StPO § 322a Rn 3; Brunner, in: KMR-StPO, § 322a Rn 2 -jew. mwN). Dies gilt jedenfalls dann, wenn - wie hier - die Terminsverfügung und Ladung innerhalb der Revisionsbegründungsfrist erfolgte, die Nichtannahmeentscheidung aber erst nach deren Ablauf zuging. Denn in diesem Falle ist die erwirkte Position des Angeklagten im besonderen Maße schützenswert.
Auch in Fällen der Annahmeberufung ist die Sprungrevision nämlich uneingeschränkt zulässig (BGHSt 40, 395, 397; Senat, Beschl. v. 13.7.1998 - 3 Ss 165/98). Der Rechtsmittelführer kann selbst dann, wenn er sein Rechtsmittel bei Einlegung als Berufung bezeichnet, noch innerhalb der Revisionsbegründungsfrist zur Revision übergehen (BGH aaO.). Diese Möglichkeit verbleibt ihm auch und gerade dann, ...