Entscheidungsstichwort (Thema)
Nicht begründete Nichtabhilfeentscheidung
Leitsatz (amtlich)
1. Stützt sich die Beschwerdebegründung (hier: gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe) auf neues Vorbringen mit umfangreichen Beweisanträgen und Urkunden, will das Erstgericht der Beschwerde gleichwohl nicht abhelfen, so ist die Nichtabhilfe zu begründen.
2. Legt das Erstgericht die Beschwerde dem Beschwerdegericht vor, ohne auch nur mit einem Wort auf eine solche Beschwerdebegründung einzugehen, dann handelt es sich um einen wesentlichen Verfahrensmangel, der zur Aufhebung des Vorlagebeschlusses und zur Zurückverweisung führt.
Normenkette
ZPO § 572 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Beschluss vom 01.09.2003; Aktenzeichen 2-27 O 13/01) |
Tenor
Der Nichtabhilfebeschluss des LG vom 13.10.2003 wird aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung über die Abhilfe an das LG zurückverwiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger verlangt von der Beklagten Restwerklohn i.H.v. 4.348.287,82 Euro.
Mit Beschluss vom 29.8.2001 hat das LG dem Kläger die beantragte Prozesskostenhilfe versagt, weil der Anspruch mangels einer prüffähigen Schlussrechnung nicht fällig sei.
Auf Beschwerde des Klägers hin hat der Senat diese Entscheidung durch Beschluss vom 6.2.2002 (Az.: 16 W 49/01) aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung mit der Maßgabe an das LG zurückverwiesen, dass die beantragte Prozesskostenhilfe nicht wegen mangelnder Prüfbarkeit der Schlussrechnung versagt werden dürfe.
Mit Beschluss vom 1.9.2003 hat das LG dem Kläger nunmehr Prozesskostenhilfe nur i.H.v. 1.223.641,53 Euro bewilligt und seinen Antrag im Übrigen zurückgewiesen, weil seine Rechtsverfolgung insoweit keine Aussicht auf Erfolg habe, was näher ausgeführt wird.
Gegen Letzteres richtet sich die sofortige Beschwerde des Klägers, die er in einem 14-seitigen Schriftsatz nebst mehreren Urkundenkopien als Anlagen begründet hat und in der er weitere Beweisanträge stellt.
Mit Beschluss vom 1.9.2003 hat das LG der sofortigen Beschwerde mit einem Satz „nicht abgeholfen und diese dem OLG Frankfurt zur Entscheidung vorgelegt”.
II. Die sofortige Beschwerde ist aus formellen Gründen im tenorierten Umfange begründet.
1. Gemäß § 572 Abs. 1 ZPO hat das Erstgericht einer Beschwerde, die es für begründet erachtet, abzuhelfen, andernfalls sie dem Beschwerdegericht vorzulegen ist. Daraus folgt, dass das Erstgericht vor Weiterleitung einer Beschwerde verpflichtet ist, die mit der Beschwerde vorgebrachten Tatsachen zu beachten und zu überprüfen, ob angesichts des Beschwerdevortrags an der angefochtenen Entscheidung festgehalten werden kann. Daraus folgt zugleich weiter, dass das Erstgericht, wenn die Beschwerde neues Vorbringen enthält, den Nichtabhilfebeschluss zumindest kurz begründen muss, da die Parteien bei jeder einem Rechtsmittel unterliegenden Entscheidung einen Anspruch darauf haben, jedenfalls die Grundzüge der Erwägungen zu erfahren, die zu dieser Beurteilung geführt haben (OLG Hamm v. 23.6.1988 – 1 WF 292/88, MDR 1988, 871; OLG Celle v. 18.8.1983, NdsRpfl. 1988, 9). Es ist der Zweck des Abhilfeverfahrens, die kostenverursachende Befassung des Beschwerdegerichts mit der Sache zu vermeiden, wenn gebotene Korrekturen der Erstentscheidung unschwer durch das Erstgericht selbst vorgenommen werden können. Der Amtspflicht, den Inhalt der Beschwerdeschrift daraufhin zu überprüfen, ob die angefochtene Entscheidung ohne Vorlage an das Beschwerdegericht zu ändern ist, darf nicht unter Berufung auf die Zuständigkeit des Beschwerdegerichts ausgewichen werden (OLG Hamm v. 18.8.1986 – 4 WF 228/86, Rpfleger 1986, 483 [484]; Zöller/Gummer, ZPO, § 572 Rz. 7). Wird die Beschwerde also insb. auf neue Tatsachen gestützt und will das Erstgericht aber gleichwohl an seiner bisherigen Ansicht festhalten, so muss der Nichtabhilfebeschluss begründet werden.
Einer Begründung bedarf der Nichtabhilfebeschluss deshalb nur dann nicht, wenn die Beschwerdebegründung keine neuen Gesichtspunkte enthält, die nicht bereits in dem angefochtenen Beschluss enthalten sind (OLG Celle v. 18.8.1983, NdsRpfl. 1988, 9; vgl. Baumbach/Albers, ZPO, § 572 Rz. 8).
Grobe Verstöße gegen die Überprüfungspflicht können als wesentlicher Verfahrensmangel angesehen werden, der zur Aufhebung des Vorlagebeschlusses und zur Zurückverweisung führen kann (OLG Hamm v. 18.8.1986 – 4 WF 228/86, Rpfleger 1986, 483 [484]; Zöller/Gummer, ZPO, § 572 Rz. 7; a.A. wohl Baumbach/Albers, ZPO, § 572 Rz. 10). An dieser Rechtslage hat sich durch die Änderung des Rechtsmittelrechts der ZPO grundsätzlich nichts geändert (vgl. Zöller/Gummer, ZPO, § 572 Rz. 7).
2. In der vorliegenden Beschwerdesache hat der Kläger eine 14-seitige Beschwerdeschrift eingereicht, die umfangreiche Beweisanträge in Bezug auf Sachverständigen- und Zeugenbeweis enthält und der zahlreiche Urkundskopien als Anlagen beigefügt waren. Gleichwohl hat sich das LG in seinem Nichtabhilfebeschluss mit nicht einmal auch nur einem einzigen Wort dazu geäußert. Dies...