Entscheidungsstichwort (Thema)
Zu den Voraussetzungen des Nachweises von Form und Inhalt eines nicht mehr vorhandenen Testaments im Erbscheinsverfahren
Leitsatz (amtlich)
1. Grundsätzlich ist der Nachweis von Form und Inhalt eines nicht mehr vorhandenen Testaments mit allen zulässigen Beweismitteln möglich, wobei ein strenger Maßstab gilt.
2. Hat derjenige, welcher sein Erbrecht aus dem nicht mehr vorhandenen Testament herleitet, dieses selbst vernichtet, sind an den Nachweis nochmals erhöhte Anforderungen zu stellen.
Normenkette
BGB §§ 2231, 2247, 2267; FamFG § 352; ZPO § 444
Verfahrensgang
AG Idstein (Entscheidung vom 03.07.2017; Aktenzeichen 22 VI 385/16) |
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird im Ausspruch zur Hauptsache abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Der Antrag der Beteiligten zu 1 vom 09.12.2016 auf Erteilung eines unbeschränkten Alleinerbscheins nach dem Erblasser wird zurückgewiesen.
Die Beteiligte zu 1 hat den übrigen Beteiligten zur Durchführung des erstinstanzlichen Verfahrens etwa entstandene notwendige Aufwendungen zu erstatten und die Gerichtskosten des erstinstanzlichen Verfahrens zu tragen.
Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren sind nicht angefallen.
Eine Erstattung der den Beteiligten für die Durchführung des Beschwerdeverfahrens etwa entstandenen notwendigen Aufwendungen findet nicht statt.
Gründe
I. Der Erblasser war bis zu seinem Tode in einziger Ehe verheiratet mit der Beteiligten zu 1. Aus der Ehe ist der am XX.XX.2001 seinerseits kinderlos vorverstorbene C als einziges Kind hervorgegangen. Der Erblasser hatte keine weiteren Kinder. Die Eltern des Erblassers sind beide vorverstorben. Der Erblasser hatte einen Bruder, den ebenfalls vorverstorbenen D. Dieser hinterließ wiederum einen Sohn, den Beteiligten zu 2. Die Beteiligte zu 3 ist die Tochter einer Cousine des Erblassers, der Beteiligte zu 4 deren Sohn.
Die Beteiligte zu 1 hat am 09.12.2016 zur Niederschrift der Rechtspflegerin des Nachlassgerichts die Erteilung eines Alleinerbscheins nach dem Erblasser beantragt. Sie hat ihr Erbrecht gestützt auf ein eigenhändiges gemeinschaftliches Testament vom Oktober 2001. Sie hat ausgeführt, dass sie jenes Testament nicht vorlegen könne, weil sie dieses selbst vernichtet habe. Sie habe unter Vorlage jenes Testamentes bereits die Bankkonten umschreiben lassen und das Auto umgemeldet. Es sei davon aber keine Kopie angefertigt worden. Sie habe angenommen, es sei alles erledigt, und das Testament in ihrem Schredder vernichtet.
Sie habe nach dem Tod des Erblassers das Testament in Anwesenheit ihrer besten Freundin, der Zeugin E, und ihrer Reinigungshilfe, der Zeugin F, aus dem Umschlag genommen. Beide hätten das Testament gesehen.
Das von der Beteiligten zu 1 niedergeschriebene und von beiden Eheleuten eigenhändig unterschriebene Testament habe folgenden Wortlaut gehabt: "Hiermit setzen wir (A und B) uns gegenseitig als Erben ein. Nach unser beider Tod vermachen wir unser gesamtes Vermögen zu gleichen Teilen G1 und G2 [...]". Bei den als Schlusserben bezeichneten Personen handelt es sich um die Beteiligten zu 3 und 4, welche das Nachlassgericht an dem Verfahren beteiligt hat.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Erbscheinsantrages wird auf die Niederschrift vom 09.12.2016 (Bl. 1 m. Rs. d. A.) Bezug genommen.
Der Beteiligte zu 2 ist mit am 14.02.2016 bei dem Nachlassgericht eingegangenem undatierten Anwaltsschriftsatz (Bl. 13 d. A.) dem Erbscheinantrag entgegengetreten. Er hat im Wesentlichen eingewandt, von dem Testament wäre mit Sicherheit eine Kopie angefertigt worden, wenn die Beteiligte zu 1 dies tatsächlich bei einer Bank oder der Zulassungsstelle vorgelegt hätte. Zudem könne der Beteiligten zu 1 - zumal in den Nachlass Grundbesitz falle - nicht darin gefolgt werden, dass sie davon ausgegangen sei, das Testament werde nicht mehr benötigt.
Da also kein wirksames Testament vorliege, sei gesetzliche Erbfolge eingetreten.
Die Beteiligte zu 1 hat mit Anwaltsschriftsatz vom 06.03.2017 (Bl. 19 f. d. A.) ihre Ausführungen ergänzt. Sie hat u. a. vorgetragen, dass sie das Testament einige Tage nach der Beerdigung des Erblassers im Beisein der Zeugin E geöffnet habe. Dabei sei auch die Zeugin F zugegen gewesen. Beide Zeuginnen hätten das Testament gesehen und dessen Inhalt zur Kenntnis genommen.
Ein Sachbearbeiter einer Bank1, der Zeuge H, könne bestätigen, dass die Beteiligte zu 1 das Testament dort im Zusammenhang mit der Umschreibung des gemeinsamen Kontos vorgelegt habe.
Eine Kopie sei nicht angefertigt worden, weil diese nicht benötigt worden sei.
Das Nachlassgericht hat aufgrund eines Beweisbeschlusses vom 10.03.2017 (Bl. 24 d. A.) zur Frage des Vorhandenseins eines Testaments Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen E, F und H. Es hat die Beteiligte zu 1 zudem persönlich angehört.
Wegen des Ergebnisses der erstinstanzlichen Beweisaufnahme und wegen des Inhaltes der persönlichen Anhörung der Beteiligten zu 1 im Einzelnen wird Bezug genommen auf die Niederschrift der nichtöffentlichen Sitzung des N...