Entscheidungsstichwort (Thema)
Beiordnung eines Anwalts in Kindschaftssachen
Leitsatz (amtlich)
Bei Kindschaftssachen ist grundsätzlich wegen ihrer existentiellen Bedeutung die Beiordnung eines Anwalts erforderlich. Ausnahmen gelten nur für besonders einfach gelagerte Fälle. Der verfassungsrechtlich gewährte Anspruch auf Rechtsschutzgleichheit gebietet zudem in der Regel die Beiordnung.
Normenkette
BGB § 1600; ZPO § 121 Abs. 2, § 640
Verfahrensgang
AG Wiesbaden (Beschluss vom 01.02.2006; Aktenzeichen 534 F 689/05) |
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird abgeändert. Dem Kläger wird im Rahmen der Gewährung von Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Verfahren Rechtsanwalt A, O1, beigeordnet. Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei. Aussergerichtliche Kosten werden nicht erstattet (§§ 1 GKG, 127 Abs. 4 ZPO).
Gründe
Der Kläger hat vor dem AG beantragt, ihm Prozesskostenhilfe für seine Vaterschaftsanfechtungsklage zu bewilligen.
Mit dem angefochtenen Beschluss hat das AG Prozesskostenhilfe gewährt aber die Beiordnung eines Rechtsanwaltes abgelehnt. Hiergegen hat der Kläger sofortige Beschwerde eingelegt, der das AG mit Beschl. v. 22.2.2006 nicht abgeholfen hat.
Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist statthaft (§ 127 Abs. 2 S. 2 ZPO) und form- und fristgerecht eingelegt (§§ 127 Abs. 3 S. 2, 569 ZPO). Sie hat auch in der Sache Erfolg.
Zwar geht das AG zutreffend davon aus, dass für das vorliegende Verfahren eine Vertretung durch Anwälte nicht vorgeschrieben ist (§ 121 Abs. 2 1. HS. ZPO). Jedoch erscheint sie i.S.d. § 121 Abs. 2 2. HS, 1 Alt. ZPO als erforderlich. Dies ist grundsätzlich bei Kindschaftssachen wegen ihrer existentiellen Bedeutung anzunehmen (Zöller, ZPO, 25. Aufl, § 121 Rz. 6). Es kann dahingestellt bleiben, ob eine Ausnahme von dieser Regel in besonders einfach gelagerten Fällen angezeigt ist (OLG Frankfurt, Beschl. v. 8.6.2000 - 4 WF 44/00). Ein solch geringer Schwierigkeitsgrad ist hier nicht anzunehmen. Einem Laien ist in der Regel nicht bekannt, welche Voraussetzungen vorliegen und eingehalten werden müssen, damit eine Vaterschaftsanfechtungsklage Aussicht auf Erfolg hat. Zudem gebietet der verfassungsrechtlich gewährte Anspruch auf Rechtsschutzgleichheit die beantragte Beiordnung. Danach darf - auch in Amtsermittlungsverfahren - eine arme Partei nicht schlechter gestellt werden als eine, die in der Lage ist, die Kosten des Rechtsstreits aufzubringen (BVerfG FamRZ 2001, 531). Es ist davon auszugehen, dass bei einem Verfahren mit so weit reichender Bedeutung auch eine bemittelte Person, die selbst Klage erheben will, einen Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung ihrer Interessen beauftragen würde. Dieser ggü. darf der Kläger nicht benachteiligt werden.
Fundstellen
NJW-RR 2006, 1376 |
FPR 2006, 10 |
OLGR-West 2006, 827 |