Entscheidungsstichwort (Thema)
Einheitlicher Verfahrensgegenstand bei Verfahren nach § 1666 und § 1671 BGB
Leitsatz (amtlich)
Verfahren nach § 1666 BGB und § 1671 BGB betreffen einen einheitlichen Verfahrensgegenstand der elterlichen Sorge. Bei Verbindung zunächst gesondert geführter Verfahren entstehen keine doppelten Gebühren für die anwaltliche Vertretung.
Normenkette
BGB §§ 1666, 1671
Verfahrensgang
AG Wetzlar (Beschluss vom 27.10.2023; Aktenzeichen 614 F 761/23) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Wetzlar vom 27.10.2023 wird zurückgewiesen.
Gründe
I. Mit der am 01.11.2023 beim Amtsgericht eingegangenen sofortigen Beschwerde wendet sich die Beschwerdeführerin gegen die Versagung von Verfahrenskostenhilfe für die Tätigkeit in einem Sorgerechtsverfahren.
Für das auf Antrag der Beschwerdeführerin vom 10.8.2023 unter dem AZ 614 F 761/23 SO eingeleiteten Verfahren auf Übertragung der elterlichen Sorge wurde der Beschwerdeführerin mit Beschluss vom 05.09.2023 ratenfreie Verfahrenskostenhilfe für die 1. Instanz unter Beiordnung ihres Bevollmächtigten bewilligt.
Auf Mitteilung der Polizei Stadt1 über eine Strafanzeige wegen häuslicher Gewalt vom 12.10.2023 wurde erstinstanzlich unter dem AZ ... zunächst eine weitere Verfahrensakte angelegt; mit Beschluss vom 17.10.2023 wurden die Verfahren zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.
Mit Beschluss vom 27.10.2023, auf dessen Inhalt verwiesen wird, wies das Amtsgericht den Antrag der Beschwerdeführerin auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für die Prüfung von Maßnahmen wegen Kindeswohlgefährdung zurück.
Hiergegen richtet sich die am 31.10.2023 eingegangene sofortige Beschwerde, mit welcher der Verfahrensbevollmächtigte der Beschwerdeführerin unter Hinweis auf die zwei verschiedenen Lebenssachverhalten zugrundeliegenden verschiedenen Verfahrensgegenstände, in denen er tätig war, die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für das § 1666 BGB-Verfahren begehrt.
Das Amtsgericht half nach Abschluss des Hauptsacheverfahrens der sofortigen Beschwerde mit Beschluss vom 19.03.2024 nicht ab und legte die Akten dem Senat vor.
II. Die Beschwerde ist unbegründet, weshalb dahinstehen kann, inwieweit die Beschwerdeführerin als Beteiligte selbst durch die Versagung der gesondert begehrten Verfahrenskostenhilfe beschwert ist.
Mit zutreffender Begründung wies das Amtsgericht den Antrag auf gesonderte Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für die Prüfung von Kinderschutzmaßnahmen in einem auf Antrag eines Elternteils eingeleiteten Sorgerechtsverfahren zurück.
Die Prüfung kinderschutzrechtlicher Maßnahmen nach § 1666 BGB und die Entscheidung über die elterliche Sorge nach § 1671 BGB bilden einen einheitlichen Verfahrensgegenstand, der nicht auf zwei getrennte Verfahren - Sorgerechtsregelung bei Getrenntleben der Eltern und bei Kindeswohlgefährdung - aufgeteilt werden kann (KG FamRZ 2023, 602; OLG Frankfurt FamRZ 2022, 267).
Die abweichende Auffassung (hierzu Obermann, NZFam 2021, 1030) überzeugt nicht. Es erschließt sich ohne weiteres, dass familiengerichtliche Sorgerechtseingriffe in Kinderschutzverfahren auch Konsequenzen für Antragsbefugnis und Rechtsschutzbedürfnis in Antragsverfahren haben können, deren Gegenstand die Übertragung von Teilbereichen des Sorgerechts oder sogar nur der Entscheidungsbefugnis in Einzelfragen ist. Daher sind versehentlich getrennt geführte Verfahren nach §§ 1666 und nach 1671 Abs. 1 BGB schon im Hinblick auf die Regelung des § 1671 Abs. 4 BGB zu verbinden (Kischkel NZFam 2022, 107 (111)). Dabei handelt es sich letztlich nicht um eine Verbindung verschiedener Verfahrensgegenstände, sondern um die Korrektur der - trotz einheitlichen Verfahrensgegenstands - zunächst fälschlicherweise gesondert angelegten Akten.
Ein sich aus der Verbindung ergebender Verlust von Gebühren ist von den Bevollmächtigten der Beteiligten hinzunehmen (Kischkel NZFam 2022, 107 (111), beck-online; OLG Schleswig NZFam 2014, 470). Zwar fällt in der Regel bei der Verbindung von Verfahren in jedem der beiden eine Verfahrensgebühr an, dies gilt aber nicht, wenn die Eröffnung von zwei Verfahren - wie vorliegend - nur auf dem Umstand beruht, dass das Gericht zunächst nicht erkennt, dass dieselbe Angelegenheit bei ihm bereits anhängig ist (vgl. Stein NZFam 2014, 470).
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Die Beschwerdeführerin trägt die durch ihre Beschwerde verursachten Gerichtskosten kraft gesetzlicher Anordnung (§§ 1, 3 Abs. 2 FamGKG iVm. Nr. 1912 des Kostenverzeichnisses Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 FamGKG), außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten (§§ 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG, 127 Abs. 4 ZPO).
Fundstellen
Dokument-Index HI16668408 |