Leitsatz (amtlich)

Bei der Prüfung der Leistungsfähigkeit im Rahmen des Kindesunterhalts sind Verluste aus einer selbständigen Nebentätigkeit nicht zu berücksichtigen, wenn deren Fortführung unvernünftig ist. Dies gilt auch dann, wenn der Mindestunterhalt gesichert ist und deshalb keine gesteigerte Erwerbsobliegenheit mehr besteht.

 

Normenkette

BGB § 1603 Abs. 1-2, § 1610; FamGKG § 51; ZPO § 308

 

Verfahrensgang

AG Wiesbaden (Aktenzeichen 530 F 12/19)

 

Tenor

Die Beschwerde des Antragsgegners vom 29.06.2020 gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Wiesbaden vom 28.05.2020 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Antragsgegner zu tragen.

Der Beschwerdewert wird auf 1.334,- Euro festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Beteiligten streiten um den Kindesunterhalt für die Antragstellerinnen zu 1) und 2), die seit der Trennung der Eltern 2016 bei der Mutter leben. Die Kindeseltern sind seit März 2018 rechtskräftig geschieden.

Der Antragsgegner hat für die beiden Kinder in der Vergangenheit durchgehend den Mindestunterhalt bezahlt. Die Antragstellerinnen haben den Antragsgegner zunächst mit Schreiben vom 18.04.2018 zur Auskunft aufgefordert. Sie haben ihn sodann im vorliegenden Verfahren mit am 17.01.2019 eingegangenem Antrag zunächst im Wege des Stufenantrags auf Auskunft sowie auf Zahlung des sich hieraus ergebenden Betrages ab 01.04.2018 in Anspruch genommen.

Mit nach Rechtshängigkeit des vorliegenden Verfahrens erstellten Jugendamtsurkunden vom 24.04.2019 (Bl. 131 f. d.A.) hat sich der Antragsgegner hinsichtlich beider Kinder zunächst ab dem 01.05.2019 auch förmlich zur Zahlung jeweils von 100% des Mindestunterhalts abzüglich des hälftigen Kindergeldes verpflichtet. Mit Jugendamtsurkunden vom 13.03.2020 (Bl. 262 f. d.A.) hat er sich sodann ab dem 01.01.2020 zu einem Kindesunterhalt von jeweils 105% des Mindestunterhalts abzüglich des hälftigen Kindergeldes verpflichtet. Er hat jeweils auch Zahlungen in der entsprechenden Höhe geleistet.

Die Antragstellerinnen hatten zunächst mit Schriftsatz vom 11.06.2019 in der Zahlungsstufe beantragt, den Antragsgegner unter Abänderung der Jugendamtsurkunden vom 24.04.2019 zur Zahlung von Kindesunterhalt an beide Antragstellerinnen in Höhe von 110% des Mindestunterhalts der jeweiligen Altersstufe zu verpflichten.

Letztlich haben die Beteiligten übereinstimmend die Hauptsache in Höhe der sich aus den Jugendamtsurkunden vom 24.04.2019 und 13.03.2020 ergebenden Zahlungsverpflichtungen des Antragsgegners für erledigt erklärt.

Der Antragsgegner ist zum einen beim X angestellt beschäftigt. Diese Tätigkeit hat er während der Ehe von 50% aus aufgestockt und nach der Trennung schließlich ab April 2017 auf 80% ausgeweitet. Aus der Verdienstabrechnung für Dezember 2018 (Bl. 58 d.A.) ergibt sich ein Jahresbruttoeinkommen von 61.734,05 EUR und abzüglich der aufgeführten Abzüge ein Jahresnettoeinkommen von 40.197,99 EUR. Für das Jahr 2019 hat der Antragsgegner selbst in einer von seinem Verfahrensbevollmächtigten vorgelegten Anlage (Bl. 251) sein Jahresbruttoeinkommen mit 71.344 EUR und das Jahresnettoeinkommen mit 43.254 EUR angegeben.

Ihm entstehen berufsbedingte Aufwendungen und er zahlt auf einen Kredit monatlich 199 EUR. Bis Ende Dezember 2019 hat er zudem an seinen Bruder einen Kredit mit monatlichen Raten von 318,75 EUR zurückgezahlt. Weiter zahlt er auf eine kapitalbildende Lebensversicherung als Altersvorsorge monatlich 623,39 EUR und für seine 2-Zimmer-Wohnung eine Warmmiete von 507 EUR.

Neben seiner angestellten Tätigkeit ist der Antragsgegner selbständig und betreibt seit mittlerweile rund 25 Jahren ein Tonstudio und einen Vertrieb von Tontechnik. Mit dieser selbständigen Tätigkeit hat er bereits während der Ehezeit seit 2011 und auch nach der Trennung bis einschließlich 2019 mit Ausnahme der Jahre 2014 und 2016 stets Verluste erzielt. Auf die vom Antragsgegner gefertigte Aufstellung (Bl. 150 d.A.) sowie die Steuerbescheide der Beteiligten von 2011 bis 2014 (Bl. 104 ff. d.A.) wird verwiesen. In diesen findet sich jeweils ein Vorbehalt des Finanzamts, dass die Festsetzung vorläufig sei, da die Gewinnerzielungsabsicht des Antragsgegners nicht abschließend beUrteilt werden könne.

Die Antragstellerinnen haben zunächst die Auffassung vertreten, der Antragsgegner sei verpflichtet, seine selbständige Tätigkeit aufzugeben und eine Vollzeittätigkeit in angestellter Beschäftigung einzugehen. Der Antragsgegner habe durchgehend Verluste erlitten und das Finanzamt habe den Betrieb des Tonstudios als "Liebhaberei" eingestuft. Im weiteren Verlauf legen die Antragstellerinnen die Einkünfte des Antragsgegners aus seiner angestellten Tätigkeit nur im Umfang der 80%-Stelle zugrunde, sehen aber die Verluste aus der selbständigen Tätigkeit nicht als abzugsfähig an. Hinsichtlich der Berechnung wird auf die Schriftsätze vom 11.06.2019 und 26.08.2019 nebst Anlagen Bezug genommen. Die Antragstellerinnen gehen im Ergebnis durchgängig von einem Anspruch auf Kindesunterhalt in Höhe von 110% des...

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