Entscheidungsstichwort (Thema)
Maßstab für Kindeswohlgefährdung. Maßstab für Kindeswohlgefährdung im Rahmen des § 1632 Abs. 4 BGB
Leitsatz (redaktionell)
Der bei § 1632 Abs. 4 BGB an die Gefährdung des Kindeswohls anzulegende Maßstab entspricht dem des § 1666 BGB. Im Vordergrund hierbei steht nicht der einmalige Vorgang des Umzugs mit Wechsel der Betreuungsperson, der naturgemäß mit Belastungen für ein Kind verbunden ist, sondern inwieweit eine langfristige Verlagerung der Beziehung des Kindes mit seinem Wohl vereinbar ist.
Normenkette
BGB § 1632 Abs. 4, §§ 1666, 1688
Verfahrensgang
AG Marburg (Aktenzeichen 74 F 306/07) |
Gründe
I. A ist das Kind der Antragsgegnerin aus einer nur kurze Zeit andauernden Verbindung mit B (geboren am ... 1979), mit dem die Antragsgegnerin zu keinem Zeitpunkt verheiratet war.
Die Antragsgegnerin hat sich bereits während ihrer Schwangerschaft an das Jugendamt gewandt, das sie schon während ihrer eigenen Minderjährigkeit betreut hatte. Sie bat um Hilfe, da sie das Kind zur Welt bringen wollte. Für die ersten Monate nach der Geburt des Kindes wurde sie von einer Familienhelferin unterstützt. Am 1.8.2002 sah sich das Jugendamt veranlasst, im Hinblick auf eine Kindeswohlgefährdung durch das Verhalten der Antragsgegnerin das Kind aus dem mütterlichen Haushalt herauszunehmen. Auf seinen Antrag hin erließ das AG Marburg am 1.8.2002 eine einstweilige Anordnung, mit der das Aufenthaltsbestimmungsrecht, die Gesundheitsfürsorge und das Antragsrecht im Rahmen der Jugendhilfe auf das Jugendamt übertragen wurde, zugleich wurde unter Androhung von Gewalt die Herausgabe an das Jugendamt angeordnet. Dies geschah alsbald danach. Die einstweilige Anordnung wurde später nach Einholung eines psychiatrischen Gutachtens durch den jetzt aufgehobenen das ursprüngliche Verfahren abschließenden Beschluss inhaltlich bestätigt. A kam zunächst für etwa zwei Monate in eine Bereitschaftspflegestelle, danach wurde sie in die Obhut der Antragsteller gegeben, wo sie sich seitdem ohne Unterbrechung aufhält. Es fanden regelmäßige Umgangskontakte zwischen Mutter und Kind statt.
Am 15.6.2005 beantragte die Antragsgegnerin eine Überprüfung der Sorgerechtsentscheidung aus dem Jahr 2002 und beantragte, ihr die entzogenen Rechte wieder zurückzuübertragen. Dieses Verfahren, das bis zur Entscheidung des Senats formal noch kein Ende gefunden hat, weist als letzten Vorgang eine mündliche Verhandlung vom 26.10.2005 auf, in der ein "Zwischenvergleich" geschlossen wurde, der die Einigkeit der Parteien dokumentierte, dass A zur Antragsgegnerin zurückkehren solle, sobald die verlässlichen Grundlagen für eine entsprechende Rückkehr vorlägen. Hierbei waren sich die Beteiligten darüber einig, dass zunächst die Umgangskontakte ausgeweitet werden sollten, insbesondere sollte es zu Besuchen mit Übernachtung noch im Jahr 2005 kommen. Auch verpflichtete sich die Antragsgegnerin, fachkundige Beratung einer Erziehungsberatungsstelle oder ähnlicher Einrichtungen in Anspruch zu nehmen.
An diesem Abänderungsverfahren, das im Rahmen des ursprünglichen Verfahrens nach § 1666 BGB ablief, waren die Pflegeeltern nicht beteiligt.
Die Antragsgegnerin, die 2004 geheiratet hat (aus dieser Ehe ist ein im Mai 2008 geborenes Kind hervorgegangen) hielt sich in der Folgezeit an diese Vereinbarung; die Besuchskontakte verliefen im Wesentlichen reibungslos. Die Antragsgegnerin nahm die vorgeschlagenen und vereinbarten Unterstützungsmaßnahmen in vollem Umfang in Anspruch. Im Hilfeplangespräch vom 29.1.2007 deutete das Jugendamt an, dass noch im Laufe des Jahres 2007 eine Rückführung des Kindes trotz der damit verbundenen Risiken in den Haushalt der Mutter erfolgen solle. Dies wird im Bericht vom 10.7.2007 an das AG Marburg bekräftigt. Danach sollte die Rückführung im Sommer 2007 stattfinden.
Die Antragsteller streben mit ihrem am 16.5.2007 eingegangenen Antrag den Erlass einer Verbleibensanordnung bezüglich As an. Diese begründen sie damit, dass trotz der Positiventwicklung bei der Antragsgegnerin der Wechsel As in den Haushalt der Mutter zu einer erheblichen Gefährdung des Kindeswohls führen würde, da A sehr enge Bindungen an sie geknüpft habe und sie praktisch als ihre Eltern betrachte. Hierbei sei zu beachten, dass A fast ihr ganzes Leben in ihrem Haushalt verbracht habe.
Die Antragsgegnerin ist dem mit der Begründung entgegengetreten, ihre persönlichen Verhältnisse hätten sich seit ihrer Eheschließung erheblich stabilisiert. Ihr früheres unzuverlässige Verhalten sei darauf zurückzuführen, dass sie A in sehr jungem Alter zur Welt gebracht habe und als alleinstehende Mutter mit der ganzen Situation vor allem wegen ihrer Unerfahrenheit überfordert gewesen sei. Sie sei jetzt durchaus in der Lage, A angemessen zu erziehen.
Das AG hat nach Einholung eines psychologischen Gutachtens der Sachverständigen SV1 dem Antrag auf Erlass einer Verbleibensanordnung mit der Begründung stattgegeben, zwar ergäben sich keine Anhaltspunkte mehr dafür, dass die Erziehungsfähigkeit der Antr...