Entscheidungsstichwort (Thema)

Schutz der Gesetzlichkeitsfiktion für Widerrufsbelehrung zum Darlehensvertrag bei unwesentlichen Abweichungen von Musterwiderrufsbelehrung

 

Normenkette

EGBGB Art. 247 § 6 Abs. 2, § 12 Abs. 1

 

Verfahrensgang

OLG Frankfurt am Main (Beschluss vom 01.09.2020; Aktenzeichen 24 U 128/20)

LG Darmstadt (Urteil vom 13.03.2020; Aktenzeichen 2 O 239/19)

 

Tenor

Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.

Die Berufung der Klägerin gegen das am 13. März 2020 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Darmstadt wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Der Berufungsstreitwert wird auf 17.448,91 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Klägerin erhebt Ansprüche aus dem Widerruf eines Verbraucherdarlehensvertrages zur Finanzierung eines Fahrzeugkaufs. Die Parteien schlossen am 11.05.2015 den als Anlage K 1 zum Klageschriftsatz vom 21.08.2019 vorgelegten Darlehensvertrag. Mit Schreiben vom 04.04.2019 erklärte die Klägerin den Widerruf des Darlehensvertrages. Sie meint, die Widerrufsfrist sei nicht abgelaufen, da dem Verbraucherdarlehensvertrag gesetzliche Pflichtangaben fehlten.

Das Landgericht hat im angegriffenen Urteil vom 13.03.2020 (Bl. 157 - 160 d. A.) die Klage abgewiesen. Auf das angegriffene Urteil wird Bezug genommen.

Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin ihr erstinstanzliches Klageziel weiter (Berufungsbegründungsschriftsatz vom 08.06.2020, Bl. 200 - 229 d. A.).

Die Beklagte verteidigt das angegriffene Urteil (Berufungserwiderungsschriftsatz vom 24.08.2020 (Bl. 305 - 345 d. A.).

Der Senat hat am 01.09.2020 einen Hinweisbeschluss gemäß § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO (Bl. 360 - 363 d. A.). erlassen, auf den verwiesen wird, und der Klägerin Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.

Die Klägerin hat sich hierzu mit Schriftsatz vom 06.10.2020 (Bl. 367 - 387 d. A.) auf den Bezug genommen wird, geäußert.

Von der weiteren Darstellung eines Tatbestandes wird gemäß §§ 313a, 540 Abs. 2 ZPO abgesehen.

II. Die zulässige Berufung der Klägerin hat in der Sache aus den im Hinweisbeschluss vom 01.09.2020 ausgeführten Gründen, auf die gemäß § 522 Abs. 2 S. 3 ZPO verwiesen wird, offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg.

Der Klägerin stehen die begehrten Ansprüche nicht zu. Der Senat teilt die Auffassung des Landgerichts, dass die Klage unbegründet ist. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Rückzahlung der Darlehensraten. Die Widerrufsfrist war vor der Widerrufserklärung abgelaufen. Auf den Hinweisbeschluss des Senats vom 01.09.2020 wird verwiesen.

Abweichendes ergibt sich auch nicht aus dem Klägerschriftsatz vom 06.10.2020:

Der Musterschutz entfällt nicht dadurch, dass in der Widerrufsinformation des streitgegenständlichen Darlehensvertrages unter anderem belehrt wird, dass für den Zeitraum zwischen Auszahlung und Rückzahlung des Darlehens kein Sollzins zu zahlen ist. Die Gestaltung der Widerrufsinformation ermöglichte es einem normal Informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Verbraucher, auf den abzustellen ist (Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 05.11.2019, Az. XI ZR 11/19, BeckRS 2019, 33010, beck-online), abzusehen, wann die Widerrufsfrist zu laufen beginnt. Die vorzitierte Formulierung, dass zwischen Auszahlung und Rückzahlung kein Sollzins zu zahlen ist, macht die Widerrufsinformation nicht undeutlich und stellt auch keine Abweichung vom Mustertext dar. Die Beklagte hat durch diese Regelung auf den ihr eigentlich für den Fall eines Darlehenswiderrufs zustehenden Zinsbetrag für den Zeitraum zwischen Aus- und Rückzahlung des Darlehens verzichtet.

Es entspricht gefestigter Rechtsprechung des BGH, der sich der Senat in ständiger Rechtsprechung angeschlossen hat, dass eine inhaltlich den gesetzlichen Anforderungen entsprechende Widerrufsinformation nicht dadurch undeutlich wird, dass die Vertragsunterlagen an anderer Stelle einen inhaltlich nicht ordnungsgemäßen Zusatz enthalten (vgl. BGH, Urteil vom 05.11.2019, Az. XI ZR 650/18, NJW 2020, Seiten 461 f., Rn. 53, m. w. N.; Senatsurteil vom 26.07.2019, Az. 24 U 230/18, BeckRS 2019, 20121, Rn. 14, beck-online). Dies muss hier erst recht gelten, da es sich bei dem Verzicht auf Sollzinsen nicht nur um einen ordnungsgemäßen, sondern auch noch um einen dem Darlehensnehmer ausschließlich günstigen Zusatz handelt.

Die von der Beklagten verwendete Belehrung über den Beginn der Widerrufsfrist in Form der sogenannten "Kaskadenverweisung" entspricht wörtlich dem Text des bundesgesetzlichen Musters. Die Beklagte hat die Klägerin hinreichend klar und verständlich über das ihr zustehende Widerrufsrecht informiert. Der Anwendung der Gesetzlichkeitsfiktion des Art. 247 § 6 Abs. 2 S. 3 EGBGB steht das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 26.03.2020 (Az. C-66/19, NJW 2020, 1423, beck-online) nicht entgegen. Eine richtlinienkonforme Auslegung der in Art. 247 § 6 Abs. 2 S. 3 EGBGB angeordneten Gesetzlichkeitsfiktion kommt grundsätzlich nicht in Betracht (BGH, Beschluss vom 31.03.2020, Az. XI ZR 198/18, BeckRS 2020, 6...

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