Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Beschluss vom 20.11.1989; Aktenzeichen 2/9 T 1072/89) |
AG Bad Homburg (Aktenzeichen 11 M 2773/89) |
Tenor
Die weitere Beschwerde wird auf Kosten des Gläubigers zurückgewiesen.
Beschwerdewert: 1.797,50 DM.
Gründe
Durch das mit Beschluß vom 26.01.1989 berichtigte Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 02.12.1988 ist der Schuldner u.a. dazu verurteilt worden, an den Gläubiger 3.600,00 DM brutto (als Gehalt für den Monat Oktober 1987) abzüglich 1.802,50 DM netto (von der DAK an den Gläubiger gezahltes Krankengeld für Oktober 1987) nebst 4 % Zinsen aus dem verbleibenden Nettobetrag seit dem 23.08.1988 zu zahlen. Aufgrund dieses Urteils hat der Gläubiger bei dem Amtsgericht unter dem 14.06.1989 einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluß erwirkt, durch den wegen eines Betrages von 1.797,50 DM (3.600,00 DM abzüglich 1.802,50 DM) das angebliche Guthaben des Schuldners auf einem bestimmten Konto bei der Kreissparkasse des … gepfändet und dem Gläubiger zur Einziehung überwiesen worden ist. Mit der gegen diesen Beschluß gerichteten Vollstreckungserinnerung vom 28.06.1989 hat der Schuldner behauptet, er habe für den Gläubiger von dem Bruttogehalt abgeführt
a) |
Lohnsteuer in Höhe von |
1.353,10 DM, |
b) |
Kirchensteuer in Höhe von |
121,77 DM, |
c) |
Beiträge zur Krankenversicherung in Höhe von |
232,20 DM, |
d) |
Beiträge zur Rentenversicherung in Höhe von |
336,60 DM, |
e) |
Beiträge zur Arbeitslosenversicherung in Höhe von |
77,40 DM, |
insgesamt: |
2.121,07 DM |
Nach Abzug dieser Summe von dem Bruttolohnbetrag ergebe sich, so hat der Schuldner weiter vorgetragen, ein Nettolohn von 1.478,93 DM, von dem die in dem Urteil bezifferten 1.802,50 DM netto abgezogen werden müßten, was zur Folge habe, daß aus dem Urteil vom 02.12.1988 nicht mehr vollstreckt werden dürfe.
Die Vollstreckungsrichterin hat mit Beschluß vom 13.09.1989 die Erinnerung des Schuldners mit der Begründung zurückgewiesen, der von ihm erhobene Einwand habe im materiellen Recht seinen Grund und könne deshalb im Vollstreckungsverfahren nicht berücksichtigt werden. Auf die gegen diesen Beschluß gerichtete sofortige Beschwerde des Schuldners vom 03.10.1989, zu der der Gläubiger keine Stellung genommen hat, obwohl ihm hierfür vom Landgericht wiederholt Gelegenheit gegeben worden ist, hat das Landgericht durch Beschluß vom 20.11.1989 den amtsgerichtlichen Beschluß vom 13.09.1989 sowie den Pfändungs- und Überweisungsbeschluß vom 14.06.1989 aufgehoben und den Antrag des Gläubigers auf Erlaß eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses zurückgewiesen. Gegen diesen Beschluß richtet sich die weitere Beschwerde des Gläubigers vom 11.12.1989, der er mit Schriftsatz vom 24.01.1990 eine weitere Begründung hat folgen lassen.
Die nach § 569 Abs. 2 Satz 2 ZPO dem Anwaltszwang nicht unterliegende, auch fristgerecht eingelegte sofortige weitere Beschwerde des Gläubigers ist statthaft (§ 568 Abs. 2 ZPO), da der Gläubiger erstmals durch den die Pfändung aufhebenden Beschluß des Landgerichts beschwert ist. Die streitige Vollstreckungsmaßnahme ist zwar schon durch die nicht rechtskräftig gewordene aufhebende Entscheidung des Landgerichts wirkungslos geworden und kann nicht rückwirkend wieder in Kraft gesetzt werden (vgl. BGHZ 66, 394). Die weitere Beschwerde ist jedoch mit dem Ziel zulässig, eine neue Anordnung der Vollstreckung mit neuem Rang herbeizuführen (vgl. KG, OLGZ 1982, 75; Stöber, Forderungspfändung, 8. Auflage, Randnote 743). Das somit insgesamt zulässige Rechtsmittel ist jedoch nicht begründet.
Richtig ist allerdings, daß auch ein sogenanntes Bruttolohnurteil (auch abzüglich eines näher bezeichneten bereits erhaltenen Nettobetrages) – wie es hier der Gläubiger vorgelegt hat – grundsätzlich vollstreckungsfähig ist (BGH, WM 1966, 758 = DB 1966, 1196 = BB 1966, 820; BAG NJW 1964, 1338 = Rpfleger 1964, 258 mit zust. Anm. von Berner; BAG, WM 1980, 850, 854 und NJW 1985, 646; LG Freiburg, Rpfleger 1982, 347; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 48. Aufl. Übersicht § 803 Anm. 1; Thomas/Putzo, ZPO, 15. Aufl. Vorbemerkung § 704 Anm. IV 1 cbb; Stein/Jonas/Münzberg, ZPO, 20. Aufl., vor § 704 Randnote 28; Zöller/Stöber, ZPO, 15. Aufl., § 704 Randnote 6; Rosenberg/Gaul, Zwangsvollstreckungsrecht, 10. Auflage. § 10 II 2 a; Brox/Walker, Zwangsvollstreckungsrecht, 2. Aufl. Randnote 43; Stöber a.a.O.; Randnote 3; Lepke DB 1978, 839, 840; Müller, DB 1978, 935). In Fällen dieser Art kann jedoch der Schuldner, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, mit den Rechtsbehelfen des Zwangsvollstreckungsrechts geltend machen, er habe Steuerbeträge und Sozialversicherungsbeiträge ganz oder teilweise für den Gläubiger bereits abgeführt (BGH, a.a.O.; Zöller/Stöber a.a.O.; Stöber, a.a.O.). Bleibt der entsprechende Vortrag unbestritten oder weist der Schuldner durch Vorlage von Quittungen des Finanzamts und der zuständigen Träger der Sozialversicherung nach, daß er Steuerbeträge und Sozialabgaben für den Gläubiger entrichtet hat, dann ist dies im Rechtsbehelfsverfahren zu berücksichtige...