Entscheidungsstichwort (Thema)
Arzthaftung: Durchführung einer Kataraktoperation ohne wirksame Einwilligung
Leitsatz (amtlich)
1. Nach § 630d II BGB setzt die Wirksamkeit der Einwilligung in eine Operation (hier: Kataraktoperation) voraus, dass der Patient vor der Einwilligung nach Maßgabe des § 630e I bis IV BGB über alle für die Einwilligung maßgeblichen Umstände aufgeklärt worden ist. Aufklärungspflichtig sind danach u.a. zu erwartende Folgen und Risiken der Maßnahme sowie ihre Erfolgsaussichten im Hinblick auf die Diagnose oder Therapie. Aufzuklären ist somit insbesondere auch über die Diagnose.
2. Eine Aufklärung "im Großen und Ganzen" erfordert des Weiteren, dass dem Patienten das Gewicht des Austauschrisikos, auf das er sich mit der Therapie ein-lässt, zutreffend dargestellt wird. So sind dem Patienten vor allem in Fällen nicht dringlicher Indikation nicht nur die eingriffsspezifischen Risiken, sondern auch die Heilungschancen darzustellen, damit er in die Lage versetzt ist, sich für oder gegen die geplante Operation zu entscheiden.
Normenkette
BGB §§ 253, 280, 630d, 630e, 823
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Urteil vom 29.01.2014; Aktenzeichen 2-4 O 470/11) |
Tenor
Der Senat weist die Beklagte darauf hin, dass er beabsichtigt, die Berufung gem. § 522 Abs. 2 ZPO durch Beschluss zurückzuweisen.
A. Die Berufung bietet offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg.
Gründe
I. Der Kläger fordert von der Beklagten mit der Behauptung ärztlicher Behandlungs- und Aufklärungsfehler ein Schmerzensgeld, des Weiteren nimmt er die Beklagte auf Feststellung ihrer Ersatzpflicht für materielle Schäden und für nicht vorhersehbare künftige immaterielle Schäden in Anspruch.
Der Kläger stellte sich aufgrund einer Überweisung des niedergelassenen Augenarztes Dr. A am ... 9.2010 in der Klinik der Beklagten vor, um an seinem linken Auge eine Kataraktoperation durchführen und eine Hornhautverkrümmung behandeln zu lassen. Er wies beidseits Cataracta corticonuclearis mit Speichentrübungen - links mehr als rechts - auf. Die Sehschärfe betrug mit eigener Brille rechts 0,5, links 0,4. Die von dem Kläger mitgebrachte OCT (Optische Cohärenztomographie) zeigte im Netzhautbereich des linken Auges eine beginnende Gliose. Der Wert des Astigmatismus wurde präoperativ mit - 0,75 bestimmt.
Der Kläger unterzeichnete am ... 9.2010 einen Aufklärungsbogen über eine Katarakt-Operation.
Die Operation erfolgte am ... 10.2010. Es wurde keine torische, sondern eine sphärische monofocale Blaulichtfilterlinse eingesetzt. Am Operationstag hatte der Kläger starke Schmerzen an dem operierten Auge. Er begab sich deshalb am Abend erneut in die Klinik der Beklagten. Der behandelnde Arzt diagnostizierte eine starke Schwellung der Hornhaut sowie einen erhöhten Augendruck und ließ bis zur Normalisierung des inneren Augendruckes Kammerwasser aus der vorderen Augenkammer ab. Infolge täglicher augenärztlicher Behandlung wurden die Schmerzen gelindert. Der Kläger sah weiterhin nur verschwommen und verzerrt. Anlässlich einer zwei Wochen später durchgeführten Untersuchung stellten die Ärzte der Beklagten eine Ödembildung im Maculabereich fest. Der Wert des Astigmatismus wurde mit - 2,25 gemessen; bei diesem Wert wäre der Einsatz einer torischen Linse veranlasst gewesen. Der Kläger nahm weitere Kontrolltermine am 15.11.2010 und am 8.12.2010 wahr. Die Abweichung zwischen dem prä- und dem postoperativen Wert des Astigmatismus konnte man sich in der Klinik der Beklagten nicht erklären. Das Ödem bildete sich in der Folgezeit zurück; es verblieb ein Maculaforamen.
Am ... 1.2011 ließ der Kläger in der B-Klinik Stadt1 eine Pars-plana-Vitrektomie durchführen. Es bildete sich ein Makulaödem.
Der Kläger hat den ihn in der Klinik der Beklagten behandelnden Ärzten grobe Behandlungsfehler vorgeworfen.
Bei der Kataraktoperation sei die Horn- oder die Netzhaut verletzt worden, was Ursache der Schmerzen und der Sehschwäche sei. Des Weiteren seien präoperativ fehlerhafte Messungen zu verzeichnen; eine zum Ausgleich der Hornhautverkrümmung vereinbarte torische Linse sei deshalb nicht eingesetzt worden.
Seine Sehschärfe sei deutlich schlechter als vor der Operation; er könne mit dem linken Auge nur noch Umrisse erkennen, weshalb er nicht mehr selbst ein Kraftfahrzeug führen könne. Infolge einer massiven Beeinträchtigung des räumlichen Sehens habe er im Alltag vielerlei Probleme.
Des Weiteren hat der Kläger Aufklärungsmängel geltend gemacht. Jedenfalls über eine mögliche Verschlechterung seines Sehvermögens infolge der Kataraktoperation nach vorbestehender Gliose sei aufzuklären gewesen. In Kenntnis dieses Risikos, das sich auch verwirklicht habe, hätte er seine Einwilligung nicht erteilt.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, ein ihm zustehendes Schmerzensgeld sei mit 25.000,- EUR zu bemessen. Dem geltend gemachten Anspruch auf Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten hinsichtlich materieller Schäden hat er einen Haushaltsführungsschaden, Fahrkosten und Medikamentenzuzahlungen unterlegt.
Die Pa...