Entscheidungsstichwort (Thema)

Unternehmensbewertung: Nichtberücksichtigung eines Ereignisses bei Ertragsplanung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Beschwerde des gemeinsamen Vertreters ist nicht nur nach alter Rechtslage, sondern auch im Fall der Anwendung des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) unzulässig.

2. Es kann mit der Wurzeltheorie vereinbar sein, ein am Bewertungsstichtag bereits angelegtes Ereignis, dessen Eintrittswahrscheinlichkeit zwar sehr gering, aber nicht gleich Null ist, vollständig bei der Ertragsplanung und damit der Unternehmensbewertung unberücksichtigt zu lassen.

 

Normenkette

AktG §§ 304-305; SpruchG § 1

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Beschluss vom 24.02.2015; Aktenzeichen 3-5 O 64/11)

 

Tenor

Die Beschwerde des gemeinsamen Vertreters gegen den Beschluss des LG Frankfurt am Main vom 24.2.2015 wird verworfen. Die Beschwerden der Antragsteller zu 1), 13), 26), 54) bis 56), 68) bis 78), 80), 81), 88) und 89) werden zurückgewiesen.

Die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der Vergütung des gemeinsamen Vertreters der außenstehenden Aktionäre trägt die Antragsgegnerin. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 200.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Antragsteller waren Aktionäre der A. AG (im Folgenden A), einer im Prime Standard der Börse Frankfurt am Main zugelassenen Gesellschaft, deren Grundkapital in Höhe von 7,7 Mio. EUR im Jahr 2011 in 7,7 Mio. auf den Inhaber lautende Stückaktien eingeteilt war. Aufgrund eines vorherigen Aktienrückkaufprogramms hielt die Gesellschaft davon 177.248 Aktien selbst.

Der Unternehmensgegenstand der Gesellschaft war die Wartung von Software und die hiermit verbundene Beratung und Schulung des Bedienungspersonals sowie der Handel mit EDV - Geräten und Software. Dabei lag der inhaltliche Schwerpunkt auf dem Bereich des Personalwesens und der in diesem Segment anfallenden Informationstätigkeiten wie Programmierung, Personaldatenbanken oder Personaldatengrafik. Das Geschäftsjahr der A begann am 1.4. und endete am 31.3. des folgenden Kalenderjahres.

Am 7.12.2010 kündigten die Antragsgegnerin und die A an, einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag schließen zu wollen. Zum Zweck der Durchführung der beabsichtigten unternehmerischen Maßnahme beauftragten die Antragsgegnerin und die A die B. GmbH mit der Ermittlung des Unternehmenswertes der A und damit verbunden der Höhe der jährlichen Ausgleichszahlungen nach § 304 AktG sowie der angemessenen Abfindung nach § 305 AktG. Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft ermittelte einen anteiligen Wert von 25,01 EUR. Da dieser Wert nicht durch den gewichteten durchschnittlichen Börsenkurs bezogen auf einen Zeitraum drei Monate vor der erstmaligen Bekanntgabe der Maßnahme in einer Höhe von 24,76 EUR überschritten wurde, einigte man sich darauf, diesen Wert dem beabsichtigen Unternehmensvertrag zugrunde zu legen. Aus der Kapitalisierung des nach dem Ertragswertverfahren ermittelten Unternehmenswertes in Höhe von 188.139 TEUR (Prüfbericht S. 48) ergab sich eine Ausgleichszahlung von 1,78 EUR brutto bzw. 1,55 EUR netto je Stückaktie. Die zum Ausgleich für die außenstehenden Aktionäre angesetzten Werte wurden von der gerichtlich bestellten Vertragsprüferin, der C. GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, als angemessen bestätigt.

Daraufhin schlossen die A als abhängige Gesellschaft und die Antragsgegnerin als herrschendes Unternehmen am 7.2.2011 einen Unternehmensvertrag, dem die ermittelten Werte als Abfindung bzw. Ausgleichszahlung zugrunde lagen und bezüglich dessen Inhalts auf Anlage 2 des Prüfberichts Bezug genommen wird. Dem Vertrag stimmte die Hauptversammlung der A am 24.3.2011 zu. Die Eintragung des Unternehmensvertrages im Handelsregister erfolgte am 9.9.2011, die Bekanntmachung im elektronischen Bundesanzeiger zehn Tage später.

Gegen die im Vertrag festgesetzte Höhe der Ausgleichszahlung über 1,55 EUR netto sowie die entsprechende Abfindung nach § 305 AktG in Höhe von 25,01 EUR pro Stückaktie richtet sich das von den Antragstellern eingeleitete Spruchverfahren, in dessen Verlauf es am 2.9.2014 zu einer weiteren Hauptversammlung der A gekommen ist. Die Hauptversammlung hat einen Ausschluss der verbliebenen Minderheitsaktionäre gemäß §§ 327 ff. AktG gegen Gewährung einer Abfindung in Höhe von 70,66 EUR je Stückaktie beschlossen. Die Eintragung des Beschlusses in das Handelsregister ist am 27.10.2014 erfolgt.

Das LG hat die Sachverständige D mit der Erstellung eines Gutachtens zum Unternehmenswert der A beauftragt. Wegen des Inhalts der Beweisaufnahme wird auf das von der Sachverständigen erstellte schriftliche Gutachten (Bl. 1206 ff. d.A.) sowie die im weiteren Verlauf zusätzlich eingeholte ergänzende Stellungnahme vom 25.9.2014 (Bl. 1534 ff. d.A.) verwiesen.

Sodann hat das LG mit dem angefochtenen Beschluss die Anträge der Antragsteller gerichtet auf die Zuerkennung einer höheren Barab...

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