Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfahrenswert für Zustimmung des Ehegatten zur Veräußerung gemeinsamer Immobilie
Leitsatz (amtlich)
1. Verlangt ein Ehegatte aufgrund einer vertraglichen Vereinbarung von dem anderen Ehegatten die Zustimmung zu einer Veräußerung der im gemeinsamen Miteigentum stehenden Immobilie, so bemisst sich der Verfahrenswert gemäß § 42 Abs. 1 FamGKG nach dem Wert des Miteigentumsanteils des anderen Ehegatten. Existiert bereits ein Kaufangebot eines Dritten, ist in diesem Fall die Hälfte des angebotenen Kaufpreises wertbestimmend.
2. Auf der Immobilie lastende Schulden sind dabei nicht in Abzug zu bringen.
Normenkette
FamGKG §§ 36, 42 Abs. 1
Verfahrensgang
AG Gießen (Aktenzeichen 244 F 63/17) |
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird abgeändert.
Der Verfahrenswert für das erstinstanzliche Verfahren wird auf 197.217,45 EUR festgesetzt.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet (§ 57 Abs. 8 FamGKG).
Gründe
Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Amtsgericht den Verfahrenswert für einen Antrag auf Verpflichtung zur Annahme eines Kaufangebots für ein im gemeinsamen Eigentum der Beteiligten stehendes Grundstück sowie einen Feststellungsantrag der Antragstellerin und einen Widerantrag des Antragsgegners auf Schadensersatz auf insgesamt 100.602,45 EUR festgesetzt.
Die geschiedenen Beteiligten hatten in einem notariellen Ehevertrag vereinbart, das gemeinsame Hausgrundstück zu einem Betrag bis zu 350.000 EUR zu veräußern. Die Antragstellerin hatte dem Antragsgegner im Anschluss daran ein notariell beurkundetes Kaufangebot Dritter für das im gemeinsamen Eigentum stehendes Haus über 380.000,00 EUR zur Unterzeichnung vorgelegt. Der Antragsgegner weigerte sich, das Kaufangebot anzunehmen, und berief sich auf eine zwischen den Beteiligten am 17.12.2014 getroffene notarielle Vereinbarung, nach der das Haus erst nach Ablauf der Zinsfestschreibung für das große Hypothekendarlehn im Jahr 2022 verkauft werden sollte.
Das Amtsgericht errechnete den Wert für die Annahme des Kaufangebots, indem es von dem angebotenen Kaufpreis in Höhe von 380.000,00 EUR die noch auf dem Grundstück lastenden Verbindlichkeiten in Höhe von 157.600,00 EUR und die Vorfälligkeitsentschädigung in Höhe von 35.000,00 EUR in Abzug brachte und den so ermittelten Wert dann durch zwei teilte. Den Feststellungsantrag errechnete es mit 5 % aus dem ermittelten Grundstücksanteil. Sodann addierte es den bezifferten Widerantrag mit 2.217,45 EUR hinzu.
Mit seiner gegen die Wertfestsetzung gerichteten Beschwerde macht Rechtsanwalt X, der die Antragstellerin im erst- und zweitinstanzlichen Verfahren vertreten hat, geltend, dass der Wert für die Annahme des Kaufangebots zu niedrig bemessen sei. Es sei von dem vollen Grundstückswert auszugehen, da zwei Anteile verkauft werden sollten, und es seien keine Verbindlichkeiten in Abzug zu bringen, da durch die Darlehnsablösung auch eine Schuldbefreiung erlangt würde. Ob für den Feststellungsantrag eine Pauschale von 5 % angemessen sei, sei ebenfalls zweifelhaft.
Die Antragstellerin tritt der Beschwerde entgegen. Die Wertfestsetzung richte sich nicht nach § 36 FamGKG i.V. m § 38 GNotKG, sondern nach § 42 Abs. 1 FamGKG und stehe damit im billigen Ermessen des Gerichts. Das Amtsgericht habe zutreffend die auf dem Grundstück lastenden Verbindlichkeiten berücksichtigt, da diese zwischen den Beteiligten außer Streit standen. Im Streit war lediglich die Frage der Wirksamkeit der notariellen Vereinbarung, d.h. die Frage, ob das Grundstück tatsächlich schon vor 2022 verkauft werden durfte.
Der Senat ist in der gem. § 122 GVG vorgesehenen Besetzung nach Vorlage der Beschwerde durch die Einzelrichterin (§ 57 Abs. 5 FamGKG) zur Entscheidung berufen.
Die Beschwerde ist gem. § 57 Abs. 2 FamGKG zulässig und teilweise begründet.
Der frühere Bevollmächtigte der Antragsgegnerin kann gem. § 32 Abs. 2 RVG aus eigenem Recht Rechtsmittel gegen die Gebührenverfahrenswertfestsetzung des Gerichts einlegen, da die Festsetzung auch für die Höhe seiner Gebühren maßgebend ist. Ob sich dies im Innenverhältnis zu seiner Mandantin, der er noch zur fristwahrenden Einlegung der später zurückgenommenen Beschwerde geraten haben soll, als illoyal darstellt, ist für die Wertfestsetzung ohne Belang.
Nach zutreffender Ansicht ist für die Wertfestsetzung des Antrages auf Zustimmung zur Veräußerung der Immobilie § 42 Abs. 1 FamGKG maßgeblich, da § 36 FamGKG mangels der Notwendigkeit einer familiengerichtlichen Genehmigung nicht einschlägig ist (BeckOK-Streitwert/Dürbeck, 22. Ed., 1.1.2018, "Willenserklärung", Rn. 1). Der Senat hält an seiner hiervon abweichenden früheren Ansicht (vgl. Senatsbeschluss vom 9.9.2016 -5 WF 168/16 - NZF am 2017, 182; ebenso OLG Karlsruhe FamRZ 2014, 1225) nicht mehr fest.
Zutreffend hat das Amtsgericht lediglich den hälftigen Wert der Immobilie der Wertfestsetzung zugrunde gelegt. Maßgeblich ist das Interesse der Antragstellerin. Dieses war darauf gerichtet, dass der Antragsgegner eine...