Entscheidungsstichwort (Thema)
Auslegung eines gemeinschaftlichen Testaments
Verfahrensgang
AG Wiesbaden (Beschluss vom 20.11.2019) |
Tenor
Ein Rechtsmittel ist nicht bekannt geworden.
Der angefochtene Beschluss des Nachlassgerichts, mit dem dieses den Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 1 vom 07.09.2017 (Urkunde des Notars A, Stadt1, Nr. .../2017) zurückgewiesen hat, wird unter Aufrechterhaltung im Übrigen wie folgt abgeändert:
Die erforderlichen Tatsachen zur Erteilung des in vorgenannter Urkunde vom 07.09.2017 beantragten Erbscheins, wonach der Erblasser von der Beteiligten zu 1 alleine beerbt worden ist, werden für festgestellt erachtet.
Die Erteilung des entsprechenden Erbscheins bleibt dem Nachlassgericht vorbehalten.
Eine Erstattung der den Beteiligten im Verfahren der Beschwerde etwa entstandenen notwendigen Aufwendungen erfolgt nicht.
Gründe
I. Der kinderlose Erblasser war zweimal verheiratet.
Mit seiner am XX.XX.2002 vorverstorbenen ersten Ehefrau, Vorname1 Nachname1, geborene Nachname2, ebenfalls kinderlos, hat er am 19.07.2002 vor dem Rechtsanwalt Vorname3 Nachname3 als amtlich bestellter Vertreter des Notars Vorname4 Nachname4, Stadt2, zu dessen Urkunde Nr. .../2002 ein vom Nachlassgericht eröffnetes gemeinschaftliches Testament errichtet, auf dessen Inhalt im Einzelnen Bezug genommen wird (Originalurkunde nach Bl. 41 d. A.; nachfolgend nur: Testament von 2002).
Dieses Testament hat auszugsweise folgenden Inhalt:
"Die Erschienenen bitten um Beurkundung des nachfolgenden
gegenseitigen wechselbezüglichen Testaments
(...)
§ 3
Der Notar erläuterte zunächst das Wesen gemeinschaftlicher wechselbezüglichen Testamente, insbesondere eines Berliner Testaments.
§ 4
Die Erschienenen erklären nunmehr ihren letzten Willen wie folgt:
(...)
2. Wir setzen uns gegenseitig zu Alleinerben ein. Auf § 2270 BGB, den der Notar erläutert hat, nehmen wir Bezug.
3. Erben des Letztversterbenden sollen
a) Herr Nachname6, geb. XX.XX.1934 (...),
b) Frau Nachname10, geb. am XX.XX.1941 (...)
zu je 1/2 sein.
4. Sollte eine der beiden vorgenannten Erben durch Vorversterben nicht zur Erbfolge kommen, so bestimmen wir als Ersatzerben die ehelichen Abkömmlinge nach den Regeln der gesetzlichen Erbfolge. Kommt auch danach niemand zur Erbfolge, so wächst der Anteil der weggefallenen Erben den übrigen Erben im Verhältnis zu ihren oben bestimmten Erbanteilen zu.
§ 5
Sämtliche in diesem Testament niedergelegten Verfügungen sind wechselbezüglich und können daher nur gemeinschaftlich geändert oder durch Widerruf beseitigt werden.
Der Längstlebende von uns wird in keiner Weise in seinem Verfügungsrecht über den Nachlass beschränkt oder beschwert. Er kann über das Nachlassvermögen und sein eigenes Vermögen in jeder Weise frei verfügen (...)".
Die in diesem Testament genannten Vorname6 Nachname6, Bruder des Erblassers, und Vorname10 Nachname10, Nichte der ersten Ehefrau des Erblassers, sind am XX.XX.2013 bzw. XX.XX.2009 verstorben. Bei den hiesigen Beteiligten zu 2 bis 4 handelt es sich um die Kinder der Vorname10 Nachname10, bei den hiesigen Beteiligten zu 5 und 6 um die Kinder des Vorname6 Nachname6.
Mit seiner zweiten Ehefrau, der hiesigen Beteiligten zu 1, hat der Erblasser am 04.11.2004, vor dem Notar Vorname4 Nachname4, Stadt2, zu dessen Urkunde Nr. .../2004 ein ebenfalls vom Nachlassgericht eröffnetes gemeinschaftliches Testament errichtet, auf dessen Inhalt im Einzelnen Bezug genommen wird (beglaubigte Abschrift vor Bl. 55 d. A.; nachfolgend nur: Testament von 2004).
Dieses Testament hat auszugsweise folgenden Inhalt:
"(...) Die Erschienenen bitten um Beurkundung des nachfolgenden
gemeinschaftlichen Testaments nebst Pflichtteilsverzicht.
(...)
§ 1
Der Notar erläuterte zunächst das Wesen gemeinschaftlicher wechselbezügliche Testamente, insbesondere eines Berliner Testaments.
§ 2
(...)
Wir sind durch frühere Verfügungen von Todes wegen an der Errichtung dieses gemeinschaftlichen Testaments nicht gehindert. Dies gilt insbesondere für das Testament vom 19.07.2002 - UR.Nr. .../2002 - des amtierenden Notars, weil dort in § 5 Abs. 2 festgelegt ist, dass der Erschienene zu 1. in seinem Verfügungsrecht über den Nachlass nicht beschränkt oder beschwert ist und dass er über sein Vermögen in jeder Weise frei verfügen kann.
§ 3
Die Erschienenen erklären nunmehr ihren letzten Willen wie folgt:
1. Alle etwa früher errichteten letztwilligen Verfügungen (...) sollen keine Geltung mehr haben. Dies gilt insbesondere auch für das oben bereits erwähnte Testament vom 19.07.2002 - UR. Nr. .../2002 - des amtierenden Notars. Der Erschienene zu 1. widerruft also ausdrücklich die Erbeinsetzung von Herrn Vorname6 Nachname6 und Frau Vorname10 Nachname10 in § IV Nr. 3 dieses Testaments.
2. Wir setzen uns gegenseitig zu Alleinerben ein. Auf § 2270 BGB, den der Notar erläutert hat, nehmen wir Bezug."
Nach Vermächtnisanordnungen heißt es dann weiter:
"§ 5
Jeder Erschienene soll, wenn er den anderen überlebt, berechtigt sein, völlig frei von Todes wegen über seinen Nachlass zu verfügen, insbesondere also auch d...