Verfahrensgang

LG Kassel (Beschluss vom 16.11.1999; Aktenzeichen 6 OH 75/99)

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluß der 6. Zivilkammer des Landgerichts Kassel vom 16.11.1999 aufgehoben und die im Beschluß des Landgerichts vom 3.11.1999 angeordnete Beweiserhebung durch Einholung eines schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen … auch auf die Frage erstreckt, ob die etwa festzustellenden Baumängel aus mangelhafter Planung oder/und Überwachung des Bauwerkes folgen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens fallen den Beschwerdegegnern nach einem Gegenstandswert von 5.000 DM zur Last.

 

Gründe

Der Antragsteller ist Miteigentümer des Zweifamilienhauses …. Die Antragsgegner waren von den Miteigentümern mit allen Architektenleistungen (Phasen 1–15 nach § 15 HOAI) beim Bau des Hauses beauftragt. Der Antragsteller behauptet 15 Baumängel, die nach seiner Ansicht von den Antragsgegnern zu verantworten sind. Er hat Antrag auf sachverständige Feststellung der Baumängel und sachverständige Schätzung der Kosten der Nachbesserung und der möglichen Minderungsbeträge im Rahmen eines selbständigen Beweisverfahrens gestellt. Die Antragsschrift enthält auch den Satz: „Der Sachverständige mag schließlich auch dazu Stellung nehmen, inwieweit es sich bei den einzelnen Mängeln um Planungsfehler oder Bauüberwachungsfehler handelt”.

Das Landgericht hat dem Antrag durch Beschluß vom 3.11.1999 insoweit stattgegeben, als es um die Feststellung der behaupteten Baumängel und die Schätzung der Nachbesserungskosten durch den Sachverständigen geht. Auf Hinweis des Antragstellers, der Beschluß sei eine unvollständige Bescheidung seines Antrages, hat das Landgericht durch Beschluß vom 16.11.1999 entschieden, der Antrag werde im übrigen zurückgewiesen. Soweit der Antragsteller geklärt wissen wolle, ob Mängel einem Planungs- oder Überwachungsfehler zuzuordnen seien, sei dies eine Rechtsfrage und nicht durch Beweisaufnahme zu klären.

Gegen diesen Beschluß hat der Antragsteller Beschwerde eingelegt. Er verfolgt den abgewiesenen Teil seines Beweisantrages weiter. Nach seiner Auffassung ist mit dem Beweisantrag, inwieweit es sich bei den einzelnen Mängeln um Planungsfehler oder Bauüberwachungsfehler handele, keine rechtliche Wertung, sondern eine technische Wertung gemeint; hier handele es sich um die Feststellung der Ursache eines Sachmangels im Sinne von § 485 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Nach der Rechtsprechung hafteten ausführende Handwerker und Architekten gesamtschuldnerisch, soweit es sich um einen Bauüberwachungsfehler handele; soweit dem Architekten ein Planungsfehler zur Last zu legen sei, hafte er neben dem Handwerker quotenmäßig. Die Beantwortung der Frage aus technischer Sicht sei deshalb Voraussetzung für die Klärung der rechtlichen Frage, wie die Beteiligten haften.

Die Beschwerde ist statthaft (§ 567 ZPO; vgl. Zöller-Herget, ZPO, 21.Aufl., Rdn. 4 zu § 485 ZPO) und auch im übrigen zulässig.

Sie hat auch in der Sache Erfolg. Der vom Landgericht abgewiesene Teil des Antrages des Beschwerdeführers ist nach § 485 Abs. 2 Nr. 2 ZPO begründet. Danach kann die Partei unter der Voraussetzung ihres –hier unproblematisch gegebenen– rechtlichen Interesses an der schriftlichen Begutachtung durch einen Sachverständigen auch die sachverständige Feststellung der Ursache eines Sachmangels beantragen. In der Rechtsprechung ist anerkannt, daß der Gutachter im Rahmen der Ursachenerforschung befugt ist, auch die tatsächlichen Voraussetzungen aufzuklären, die für die Entscheidung der Rechtsfrage der Abgrenzung der Verantwortlichkeit der verschiedenen an einem Bauwerk Beteiligten von Bedeutung sind. So kann der Bauherr z. B. ein Beweisverfahren gegen den bauausführenden Bauunternehmer und gegen den Statiker einleiten, um die Ursache eine Risses im Mauerwerk zu klären (OLG Düsseldorf NJW-RR 1997, 1312). So kann ein Beweisverfahren wegen Baumängeln zugleich gegen den mit der Planung beauftragten wie gegen die mit der Bauaufsicht beauftragten Architekten gerichtet werden (vgl. BayObLG NJW-RR 1998, 814). So kann im selbständigen Beweisverfahren des Bauherrn gegen den ausführenden Bauunternehmer zum Zweck der Feststellung von Baumängeln der Bauunternehmer einen Gegenantrag stellen, mit dem zusätzlich in diesem Verfahren geklärt werden soll, ob die etwa vorhandenen Mängel auf Planungsfehler zurückzuführen sind (OLG Düsseldorf BauR 1996, 896); das Oberlandesgericht Düsseldorf hat hierzu ausgeführt, daß es zwar nicht Aufgabe des Sachverständigen sei, die mit der Verantwortlichkeit (für Planungs- oder Ausführungsfehler) zusammenhängenden Rechtsfragen zu klären; der Gutachter könne aber im Rahmen der Ursachenforschung die tatsächlichen Voraussetzungen aufklären, die für die Beurteilung dieser Rechtsfragen von Bedeutung sein könnten.

Der Senat hält diese Auffassung für zutreffend. Der Hauptzweck des durch das Rechtspflegevereinfachungsgesetz seit dem 1.4.1991 neu geschaffenen Selbständigen Beweisverfahrens nach § 495 ff ZPO n.F. –die Vermeidung von Rechtsstreitigkeite...

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