Leitsatz (amtlich)
Der Antrag an das Beschwerdegericht, die Vollstreckung des angefochtenen und für sofort wirksam erklärten Beschlusses einstweilen einzustellen, § 120 Abs. 2 S. 3 FamFG, setzt nicht voraus, dass zuvor ein Antrag nach § 120 Abs. 2 S. 2 FamFG an das Ausgangsgericht gerichtet wurde (Anschluss an OLG Frankfurt NZFam 2015, 426; MDR 2015, 1078; entgegen OLG Frankfurt FamRZ 2016, 76; FamRZ 2012, 576).
Der Grundsatz, dass die Vollstreckung zu einem nicht zu ersetzenden Nachteil führt, wenn im Falle der Abänderung des Vollstreckungstitels der Gläubiger voraussichtlich wegen Mittellosigkeit nicht in der Lage sein wird, den zu Unrecht gezahlten Geldbetrag zurückzuzahlen, kann unter Berücksichtigung von § 116 Abs. 3 S. 3 FamFG nicht allgemein auf Unterhaltsforderungen übertragen werden.
Für die Einstellung der Vollstreckung von bis zu der Verkündung der erstinstanzlichen Entscheidung aufgelaufenen Unterhaltsrückständen reicht die - unwidersprochene - Darlegung des endgültigen Verlustes an den zur Rückerstattung unfähigen Gläubiger grundsätzlich aus, um einen nicht zu ersetzenden Nachteil geltend zu machen.
Normenkette
FamFG § 116 Abs. 3, § 120 Abs. 2
Verfahrensgang
AG Frankfurt am Main (Aktenzeichen 464 F 10306/16) |
Tenor
Die Zwangsvollstreckung aus dem Beschluss des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 30. Oktober 2017 wird einstweilen gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 26.162,00 EUR eingestellt, soweit der Antragsgegner verpflichtet worden ist, an die Antragstellerin 10.099,00 EUR sowie laufenden Unterhalt für den Zeitraum vom 01.04.2017 bis 31.10.2017 in Höhe von 1.955,00 EUR mtl. zu zahlen.
Im Übrigen wird der Antrag des Beschwerdeführers, die Zwangsvollstreckung aus dem Beschluss des Amtsgerichts Frankfurt vom 30.10.2017 einstweilen einzustellen, zurückgewiesen.
Gründe
I. Das Amtsgericht - Familiengericht - Frankfurt am Main hat den Antragsgegner durch Beschluss vom 30.10.2017 verpflichtet, an die Antragstellerin rückständigen Betreuungsunterhalt in Höhe von 10.099,00 EUR und ab 01.04.2017 laufenden Betreuungsunterhalt in Höhe von 1.955,00 EUR mtl. zu zahlen.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Antragsgegners; gleichzeitig beantragt er, die Vollstreckung aus dem angefochtenen Beschluss vor Eintritt der Rechtskraft der Endentscheidung ohne Sicherheitsleistung einzustellen, hilfsweise zu beschränken. Er verweist darauf, dass er zu Unrecht zur Leistung von Betreuungsunterhalt in dem aus dem Beschluss ersichtlichen Umfang verpflichtet wurde. Ihm drohe ein nicht zu ersetzender Nachteil, weil die Gefahr bestehe, dass die Antragstellerin im Hinblick auf ihr geringes Einkommen die überbezahlten Unterhaltsforderungen verbrauche und nicht mehr zurückzahlen könne.
Die Beschwerdegegnerin verfolgt die Abweisung des Antrags und bestreitet, zur Rückzahlung etwaig überbezahlter Beträge nicht fähig zu sein. Sie habe keinen Antrag auf Gewährung von Verfahrenskostenhilfe gestellt und sei aufgrund der Betreuung des gemeinsamen Sohnes auf Unterhalt angewiesen.
II. Der Antrag auf einstweilige Einstellung, hilfsweise der Beschränkung der Vollstreckung nach § 120 Abs. 2 Satz 3, 2 FamFG hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.
1. Die Zulässigkeit des Antrags nach § 120 Abs. 2 S. 3 FamFG setzt nicht voraus, dass bereits in der ersten Instanz Vollstreckungsschutz erstrebt wurde (OLG Frankfurt, NZFam 2015, 426; OLG Frankfurt MDR 2015, 1078; OLG Bremen, Beschluss FamRZ 2011, 322; OLG Hamm FamRZ 2011, 1678; OLG Hamburg, Beschluss FamRB 2012, 279; OLG Düsseldorf FamRZ 2014, 870; OLG Brandenburg FamRZ 2014, 866; OLG Karlsruhe NJW 2018, 1409; Keidel/Weber, FamFG, 19. Aufl., § 120 Rn. 14; Bahrenfuss/Blank, FamFG, 3. Aufl., § 120 Rn. 7; MüKo/Fischer, FamFG, 2. Aufl., § 120 Rn. 15; Musielak/Borth/Grandel, 6. Aufl., FamFG, § 120 Rn. 3; a.A. Bumiller/Harders/Schwamb, FamFG, 11. Aufl.; § 120 Rn. 6). Ein dahingehendes Erfordernis lässt sich nicht aus dem Wortlaut des Gesetzes ableiten. Dieser gibt keinen Hinweis darauf, dass die Zulässigkeit des in II. Instanz zu stellenden Antrags nach § 120 Abs. 2 Satz 3 FamFG voraussetzt, dass in I. Instanz ein Antrag nach § 120 Abs. 2 Satz 2 FamFG gestellt worden sei; die Regelungen stehen unabhängig nebeneinander (OLG Hamburg FamRB 2012, 279, zitiert nach Juris Rn. 8; Keidel/Weber, FamFG, 18.Aufl., § 120 Rn. 14; MüKo/Fischer, FamFG, 2.Aufl., § 120 Rn. 13ff.; OLG Bremen FamRZ 2011, 322, zitiert nach Juris Rn. 4). Auch den Gesetzesmaterialien ist nicht zu entnehmen, dass der Antrag nach § 120 Abs. 2 S.3 FamFG einen vorherigen Antrag nach § 120 Abs. 2 S.2 FamFG erfordere. Vielmehr verweist die Gesetzesbegründung darauf, dass § 120 Abs. 2 S.2 FamFG § 62 Abs. 1 S.2 ArbGG und § 120 Abs. 2 S.3 FamFG § 62 Abs. 1 S.3 ArbGG nachgebildet sei (BT-Drs. 16/6308, S.226). Hinsichtlich dieser Vorschrift wird angenommen, dass ein in der Berufungsinstanz gestellter Antrag nach § 62 Abs. 1 S.3 ArbGG keinen vorherigen Antrag nach § 63 Abs. 1 S.2 ArbGG voraussetze (Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht/Koch, 15.Aufl...