Entscheidungsstichwort (Thema)

Zu den Voraussetzungen der Einstellung der Zwangsvollstreckung in Unterhaltssachen nach § 120 Abs. 2 FamFG; Für Unterhaltsrückstände soll die sofortige Wirksamkeit nicht angeordnet werden

 

Leitsatz (amtlich)

Der laufende Unterhaltsanspruch besteht gerade wegen der Bedürftigkeit des Gläubigers, der außerstande ist, sich selbst zu unterhalten (§ 1602 Abs. 1 BGB). Der Gesetzgeber hat durch § 116 Abs. 3 S. 3 FamFG die sofortige Wirksamkeit von Unterhaltstiteln wegen deren besonderer Bedeutung zur Sicherung des Lebensbedarfs zum Regelfall erklärt und die Einstellung der Vollstreckung ausdrücklich an das enge Kriterium des nicht zu ersetzenden Nachteils geknüpft.

 

Normenkette

FamFG § 120 Abs. 2, § 116 Abs. 3 S. 3

 

Verfahrensgang

AG Gera (Beschluss vom 05.05.2015; Aktenzeichen 6 F 545/13)

 

Tenor

Die Vollstreckung aus dem Beschluss des AG - Familiengericht - Gera vom 5.5.2015, Az. 6 F 545/13, wird bis zur Entscheidung über die Beschwerde der Antragsgegnerin vom 5.6.2015 gegen Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages eingestellt, soweit die Antragsgegnerin verpflichtet worden ist, an die Antragstellerin einen höheren Rückstand als 2.379,00 EUR für den Zeitraum 1.1.2013 bis 31.12.2014 und einen höheren Unterhalt als monatlich 179,00 EUR ab 1.1.2015 zu zahlen und sich ein Vollstreckungsantrag auf Forderungen bezieht, die früher als am letzten Fälligkeitstermin vor der Antragstellung fällig geworden sind.

Im Übrigen wird der Antrag der Antragsgegnerin, die Vollstreckung aus dem Beschluss des AG - Familiengericht - Gera vom 5.5.2014 einzustellen, abgelehnt.

 

Gründe

I. Die Antragsstellerin hat die Antragsgegnerin auf rückständigen und laufenden Ausbildungsunterhalt in Anspruch genommen. Das AG hat die Antragsgegnerin verpflichtet, Unterhaltsrückstand von 2.628,00 EUR für den Zeitraum Januar 2013 bis September 2013 sowie ab Oktober 2013 bis Juni 2014 in Höhe von 311,00 EUR und ab Juli 2014 in Höhe von 290,00 EUR abzüglich seit Oktober 2013 monatlich gezahlter je 150,00 EUR bis spätestens zum dritten eines jeden Monats zu zahlen und ohne besondere Begründung die sofortige Vollziehbarkeit angeordnet.

Die Antragsgegnerin hat Beschwerde erhoben und beantragt, in Abänderung des Beschlusses des AG Gera vom 5.5.2015, Az. 6 F 545/13, die Antragsgegnerin zu verpflichten, an die Antragstellerin und Beschwerdegegnerin ab Januar 2015 einen monatlichen Kindesunterhalt in Höhe von 179,00 EUR abzüglich monatlich gezahlter 150,00 EUR sowie für den Zeitraum Januar 2013 bis Dezember 2014 einen Unterhaltsrückstand in Höhe von 2.379,00 EUR zu zahlen.

Sie beantragt weiter, die Zwangsvollstreckung bis zur Entscheidung über die Beschwerde einstweilen einzustellen, hilfweise gemäß § 120 Abs. 1 Satz 2 FamFG anzuordnen, dass die Vollstreckung vor Eintritt der Rechtskraft gegen Sicherheitsleistung eingestellt oder eingeschränkt wird.

Die Antragstellerin beantragt, den Antrag auf Einstellung der Zwangsvollstreckung zurückzuweisen.

II. Der nach §§ 120 Abs. 2 S. 3 und 2 FamFG, 719 Abs. 1, 707 Abs. 1 ZPO zulässige Antrag auf Einstellung der Vollstreckung ist nur teilweise begründet. Die Zwangsvollstreckung ist gegen Sicherheitsleistung gemäß §§ 120 Abs. 2 S. 3 FamFG, 719 Abs. 1 S. 1, 707 Abs. 1 S. 2 ZPO einzustellen, soweit sie sich auf Unterhaltsbeträge bezieht, die vor dem letzten Fälligkeitstermin vor Stellung des Vollstreckungsantrages angefallen sind und von der Antragsgegnerin angegriffen werden. Hinsichtlich des laufenden Unterhalts ist die beantragte Einstellung nicht gerechtfertigt.

Die Zwangsvollstreckung aus dem wirksamen (§ 116 Abs. 3 S. 2-3 FamFG) und damit vollstreckbaren (§ 120 Abs. 2 S. 1 FamFG) Beschluss des Familiengerichts kann auf Antrag einstweilen bis zur Entscheidung über das Rechtsmittel eingestellt oder beschränkt werden (§§ 707 Abs. 1 S. 1, 719 Abs. 1 S. 1 ZPO, 120 Abs. 1, Abs. 2 S. 3 FamFG), wenn das Rechtsmittel zulässig und in der Sache nicht ohne Aussicht auf Erfolg ist (OLG Hamm Beschluss vom 07.09.2010 - 11 UF 155/10; Bork/Jacoby/Schwab/Löhnig, FamFG, § 120 RdNr. 13; Musielak/Borth, Familiengerichtliches Verfahren, § 120 RdNr. 4) und der Schuldner glaubhaft macht, dass die Vollstreckung ihm einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde (§ 120 Abs. 2 S. 3 FamFG).

Dabei steht die Entscheidung - anders als die des erstinstanzlichen Gerichts nach § 120 Abs. 2 S. 2 FamFG - im Ermessen des Beschwerdegerichts (Bork/Jacoby/Schwab/Löhnig a.a.O. § 120 RdNr. 13). Im Rahmen von Entscheidungen nach § 120 Abs. 2 S. 3 FamFG kommt auch die vorläufige Einstellung der Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Betracht, da die Norm uneingeschränkt auf § 707 Abs. 1 ZPO verweist (OLG Rostock FamRZ 2011, 1679; Keidel/Weber § 120 FamFG Rn. 18).

Das gemäß §§ 58, 63, 117 FamFG zulässige Rechtsmittel der Antragsgegnerin ist jedenfalls nicht offenkundig unbegründet. Gründe, die es gerechtfertigt hätten, die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung nach § 116 Abs. 3 S. 2 FamFG anzuordnen, sind vom AG nicht genannt...

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