Entscheidungsstichwort (Thema)

Strafvollzug: Anspruch auf Ladung in den offenen Vollzug

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Nach § 10 StVollzG steht dem Verurteilten kein Rechtsanspruch auf Unterbringung in dem offenen Vollzug zu, sondern lediglich ein Recht auf fehlerfreien Ermessensgebrauch. Dementsprechend ist bereits vor Strafbeginn durch die Vollzugsbehörde die Eignung des Verurteilten für den offenen Vollzug und das Fehlen einer Flucht- und Missbrauchsgefahr zu prüfen und auf der Grundlage dieser Entscheidung die Ladung durch die Vollstreckungsbehörde in den offenen oder geschlossenen Vollzug vorzunehmen.

2. Verneint die Vollzugsbehörde die Eignung für den offenen Vollzug und lädt deshalb die Vollstreckungsbehörde in den geschlossenen Vollzug, ist in dem Verfahren nach §§ 23 EGGVG die Entscheidung der Vollzugsbehörde mit zu überprüfen, wobei zu berücksichtigen ist, dass der Vollzugsbehörde bei der Prüfung der Eignung und der Prognoseentscheidung über Flucht- und Missbrauchsgefahr ein Beurteilungsspielraum zusteht und deshalb die Entscheidung nicht uneingeschränkt der gerichtlichen Kontrolle unterliegt.

 

Verfahrensgang

GenStA Frankfurt/Main (Gerichtsbescheid vom 11.08.2003; Aktenzeichen 1 Zs 231/03)

StA Frankfurt/Main (Gerichtsbescheid vom 16.06.2003; Aktenzeichen 63/80 Js 16913/99)

 

Gründe

I.

Der Antragsteller wurde am 13. Dezember 2002 vom Ländgericht Frankfurt am Main wegen gemeinschaftlichen erpresserischen Menschenraubes zu einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren verurteilt. Er hatte sich in dieser Sache vorn 26.11.1999 bis 29.11.1999 in Auslieferungshaft in der Schweiz und in der Zeit vom 30.11.1999 bis 14.3.2000 in Untersuchungshaft befunden. Mit Verfügung vom 3. März 2003 wurde der Antragsteller von der Vollstreckungsbehörde zum Strafantritt in den geschlossenen Vollzug der Justizvollzugsanstalt _ geladen. Auf die hiergegen gerichtete Beschwerde des Verurteilten hob die Staatsanwaltschaft die angefochtene Ladung auf. Mit Verfügung vom 12.3.2003 übersandte die Staatsanwaltschaft die Vollstreckungsunterlagen an die Justizvollzugsanstalt _ zur Prüfung der Eignung des Verurteilten für den offenen Vollzug mit folgender Stellungnahme:

"Aus meiner Sicht bestehen im Hinblick darauf, daß die dem Urteil zugrundeliegende Straftat bereits im Jahre 1998 begangen wurde, aus den BZR keine späteren Straftaten ersichtlich sind und daß der Verurteilte über einen Arbeitsplatz verfügt, gegen eine Strafvollstreckung im offenen Vollzug keine Bedenken".

Mit Schreiben vom 27.5.2003 an die Staatsanwaltschaft beim Landgericht Frankfurt am Main lehnte die Leiterin der Justizvollzugsanstalt _ die Aufnahme Verurteilten in den offenen Vollzug ab. Nach Einholung einer weiteren Stellungnahme wies die Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Frankfurt am Main die Einwendung des Verurteilten gegen die Ladung in den geschlossenen Vollzug mit Bescheid von 16.06.2003 zurück. Hiergegen wandte sich der Antragsteller mit seinem als Beschwerde gemäß § 21 StrafvollstrO aufzufassenden Antrag, der von der Staatsanwaltschaft bei dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main mit Bescheid vom 11.08.2003 zurückgewiesen wurde.

Gegen den am 1.9.2003 zugestellten Beschwerdebescheid richtet sich der am 03.09.2003 eingegangene Antrag des Verurteilten auf gerichtliche Entscheidung, mit dem dieser unter Aufhebung der Beschwerdeentscheidung die Anordnung der Aufnahme des Verurteilten in den offenen Vollzug, hilfsweise, den Antragsteller unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu bescheiden, beantragt.

II.

Der gegen die Ladung zum Strafantritt in den geschlossenen Vollzug gerichtete Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist gemäß den §§ 23 ff. EGGVG zulässig (vgl. Senat, Beschluß vom 11. Juli 2001 - 3 VAs 18/01 m.w.N.).

Der Antrag hat auch (vorläufig) Erfolg.

Bei der Prüfung der Eignung für den offenen Vollzug handelt es sich zwar regelmäßig um einen Entscheidungsprozeß innerhalb und nicht außerhalb des Strafvollzugs. Der Begriff "Unterbringung" in § 10 StVollzG umfaßt aber auch die Möglichkeit, eine Freiheitsstrafe von Anfang an im offenen Vollzug zu verbüßen (vgl. Senat a. a. O. m.w.N.).

Allerdings steht dem Verurteilten nach § 10 StVollzG nach allgemeiner Meinung kein Rechtsanspruch auf Unterbringung im offenen Vollzug im Falle seiner Eignung zu, sondern lediglich ein Recht auf fehlerfreien Ermessensgebrauch (vgl. Callies-Müller/Dietz, StVollzG, 8. Auflage, § 10 Rdnr. 2).

Kommt hiernach kraft Gesetzes die Unterbringung eines Verurteilten in den offenen Vollzug bereits mit dem Beginn der Strafvollstreckung in Betracht, hat die von der Vollzugsbehörde vorzunehmende Prüfung der Eignung und des Fehlens einer Flucht- oder Mißbrauchsgefahr grundsätzlich bereits vor Strafbeginn und auf der Grundlage dieser Entscheidung die Ladung durch die Vollstreckungsbehörden in den offenen oder in den geschlossenen Vollzug zu erfolgen.

Verneint in diesen Fällen die Vollzugsbehörde die Eignung für den offenen Vollzug und lädt deshalb die Vollstreckungsbehörde in den geschlossenen Vollzug, ist ...

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