Entscheidungsstichwort (Thema)
Wechselbezügliche Verfügung in einem Ehegattentestament. gemeinschaftliches Testament. Testierunfähigkeit. Anfechtung des Testaments. Pflichtteilsentzug. Enterbung
Leitsatz (amtlich)
Gemäß § 2270 BGB ist von einer wechselbezüglichen Verfügung in einem gemeinschaftlichen Testament dann auszugehen, wenn die Verfügung des einen nicht ohne die Verfügung des anderen getroffen worden wäre. Dies bedeutet, das zwischen den einzelnen Verfügungen ein Zusammenhang des Motivs in der Form bestehen muss, dass die eine Verfügung des Ehegatten nur deshalb getroffen wurde, weil der andere eine bestimmte Verfügung getroffen hat.
Normenkette
BGB §§ 2070, 2270, 2078, 2080 Abs. 1, § 2270 Abs. 1-2
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Aktenzeichen 2-9 T 163/04) |
Gründe
Die Beteiligten A und C sind die Töchter der Erblasserin, der Beteiligte E ist ihr Enkelsohn.
Gemeinsam mit ihrem vorverstorbenen Ehemann Y errichtete die Erblasserin im Jahre 1984 ein gemeinschaftliches notarielles Testament (Bl. 61 ff. d. Testamentsakte), in dem sie unter Aufhebung früherer letztwilliger Verfügungen auszugsweise wie folgt testierten: ...
2. Für den Fall unseres Todes ordnen wir an:
2.1. Für den Fall, dass die Ehefrau X zuerst versterben sollte, sind deren Erben
- unsere Tochter A, geborene B zu ½,
- und unsere Tochter C, geborene B zu ½.
Der überlebende Ehemann Y erhält als Vermächtnis den lebenslänglichen Nießbrauch am gesamten Nachlass der Ehefrau X.
2.2. Für den Fall, dass der Ehemann Y zuerst versterben sollte, sollen dessen Erben sein
- die überlebende Ehefrau X zu ½,
- unsere Tochter A, geborene B zu ¼,
- unsere Tochter C, geborene B zu ¼.
Nach dem Tod der überlebenden Ehefrau X sollen unsere Töchter deren Erben zu gleichen Teilen sein. ...
2.7. Für den Fall, dass einer unserer gesetzlichen Erben, insbesondere eines unserer Kinder oder deren Abkömmlinge das vorliegende Testament nicht anerkennen oder zu umgehen suchen oder Pflichtteilsansprüche geltend machen sollten, soll er überhaupt nichts erhalten.
Zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung war der Ehemann Y weitgehend vermögenslos, da er bereits im Jahr 1975 seine wesentlichen Vermögenswerte auf die Erblasserin übertragen hatte.
Nachdem es nach dem Tode des Ehemannes Y der Erblasserin zu erheblichen Auseinandersetzungen zwischen der Erblasserin und der Beteiligten A sowie zwischen der Beteiligten A und deren Sohn, dem Beteiligten E, gekommen war, wandte die Erblasserin sich an den Notar D, bei dem sie am 21.2.1997 ein Testament errichtete (Bl. 43 ff. der Nachlassakte). Hierin erklärte sie ihren letzten Willen wie folgt:
1. In dem von meinem vorverstorbenen Ehemann Y und mir am 7.5.1984 errichteten gemeinschaftlichen Testament wurden für den Fall meines Todes als überlebende Ehefrau X unsere Töchter A, geborene B sowie C, geborene B, als meine Erben zu gleichen Teilen eingesetzt.
Es handelt sich bei den in diesem Testament vom 7.5.1984 getroffenen Verfügungen nicht um wechselbezügliche Verfügungen i.S.v. § 2270 BGB. Ich widerrufe hiermit die von mir in dem erwähnten Testament vom 7.5.1984 getroffene Verfügung über das Erbrecht der beiden Töchter und vorsorglich daneben auch alle etwa sonstigen bisher von mir einseitig getroffenen Verfügungen von Todes wegen.
2. Für den Fall meines Ablebens sollen meine Erben sein:
a) C,... zu ½
b) Herr E,... zu ¼
c) Herr F,... zu ¼.
Als Ersatzerben für C setze ich zu gleichen Teilen deren Kinder ... ein.
3. Meiner Tochter A, geboren ..., entziehe ich den Pflichtteil. Die Gründe für den Pflichtteilsentzug ergeben sich im Einzelnen aus meinen schriftlichen Darlegungen vom heutigen Tage, die dieser Niederschrift als Anlage I beigefügt werden sollen. Auf diese Anlage I wird verwiesen.
In der Anlage I zum Testament führte die Erblasserin zur Begründung aus:
Ich,... (Ehefrau Y; die Red.),..., erkläre, dass ich meiner Tochter A, geboren am ..., neben dem Erbteil auch den Pflichtteil entziehen will. Die Gründe hierfür sind vielfältig und beruhen auf dem Verhalten meiner Tochter A mir und anderen Personen gegenüber und ihrem im höchsten Maße von Verschwendungs- und Trunksucht, Lügen und Betrügen etc. geprägten Lebenswandel.
Im Einzelnen legte sie das Verhalten der Beteiligten A ihrem Ehemann gegenüber dar, bezog sich auf den Prozess, den die Beteiligte A gegen den Beteiligten E geführt hatte und beklagte sich über den Ton, der in Briefen ihr gegenüber angeschlagen worden war. Darüber hinaus verwies sie in der Anlage I darauf, dass ihre Tochter nicht nur versucht habe, ihren Ehemann in die Psychiatrie einweisen zu lassen, sondern auch ggü. dem Vormundschaftsgericht angegeben habe, dass sie selbst, die Erblasserin, der Betreuung bedürfe und ein Betreuungsverfahren eingeleitet habe, das letztlich nicht dazu führte, dass die Erblasserin unter Betreuung gestellt wurde.
Nach dem Tod der Erblasserin am 5.6.2003 beantragte der Beteiligte E mit notariell beurkundetem Antrag (Bl. 64-70 d.A.) die Erteilung eines Teilerbscheins, der die Beteiligte C als Erbin zu ½ und ihn selbst...