Leitsatz (amtlich)
Bei der Entscheidung über die Hinzuziehung als Beteiligte gemäß § 161 FamFG sind auch solche Pflegepersonen zu berücksichtigen, bei denen das Kind aktuell nicht (mehr) lebt, wenn ein unmittelbarer zeitlicher Zusammenhang zwischen der Herausnahme des Kindes aus deren Haushalt und der Einleitung des Verfahrens besteht.
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Eheleute S. gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Weilburg vom 9. Juli 2021, Nichtabhilfebeschluss vom 13. August 2021, wird dieser wie folgt abgeändert:
Die Eheleute S. werden als Beteiligte hinzugezogen.
Gründe
I. Das vorliegende kinderschutzrechtliche Eilverfahren betrifft den ... Jahre alten V.
Dieser hatte von Mitte 2019 bis Ende Januar 2021 seinen tatsächlichen Lebensmittelpunkt bei den Eheleuten S. Im Anschluss an einen Termin beim Amtsgericht am 28. Januar 2021 im noch anhängigen Hauptsacheverfahren 209 F 1149/20 wechselte er in den Haushalt seiner Großmutter väterlicherseits und lebt seitdem dort.
Das hiesige Verfahren wurde auf Anregung des im genannten Hauptsacheverfahren bestellten Verfahrensbeistandes vom 24. Februar 2021 eingeleitet und mit Beschluss desselben Tages der Mutter das Aufenthaltsbestimmungsrecht sowie die Entscheidungsbefugnis bezüglich schulischer Angelegenheiten entzogen und diese Teilbereiche der elterlichen Sorge auf die Großmutter väterlicherseits als Ergänzungspflegerin übertragen. Ein abschließender Termin zur mündlichen Erörterung wurde nun auf den 14. Oktober 2021 anberaumt.
Mit Schreiben vom 29. April 2021 begehrten die Eheleute S. im hiesigen Verfahren unter anderem, den Eilbeschluss vom 24. Februar 2021 abzuändern und ihnen die genannten Teilbereiche der elterlichen Sorge zu übertragen.
Unter dem 2. Juli 2021 haben die Eheleute S. beantragt, (auch) im hiesigen Verfahren förmlich als Beteiligte hinzugezogen zu werden. Mit der angegriffenen Entscheidung hat das Amtsgericht diesen Antrag mit der Begründung zurückgewiesen, da sie keine Pflegeperson im Sinne von § 161 FamFG seien, denn bei Einleitung des einstweiligen Anordnungsverfahrens habe das Kind gerade nicht mehr bei ihnen gelebt.
Hiergegen wenden sich die Eheleute S. mit ihrer Beschwerde vom 29. Juli 2021, der das Amtsgericht nicht abgeholfen hat.
II. Die gemäß § 7 Abs. 5 Satz 2 FamFG i.V.m. §§ 567ff. ZPO zulässige, insbesondere fristgerecht eingelegte Beschwerde hat in der Sache Erfolg, denn die Eheleute S. sind als Beteiligte hinzuzuziehen.
1. Zwar sind die Beschwerdeführer nicht bereits nach § 7 Abs. 2 Nr. 1 FamFG deswegen zu beteiligen, weil sie von dem vorliegenden Eilverfahren unmittelbar betroffen wären, denn im Kinderschutzverfahren nach § 1666 BGB besteht eine solche Betroffenheit nicht, auch wenn - wie hier - die Übertragung der Ergänzungspflegschaft angestrebt wird (vgl. nur Hammer, in Prütting/Helms, 5. Auflage, § 161 Rn. 2 m.w.Nachw.), denn ein subjektives Recht auf Auswahl als Ergänzungspfleger steht den Beschwerdeführern nicht zu (vgl. allgemein BGH FamRZ 2011, 552)
2. Beteiligte des gerichtlichen Verfahrens im Sinne von § 7 FamFG sind aber auch die sogenannten Kann-Beteiligten, also diejenigen Personen, die das Gericht von Amts wegen oder auf Antrag im Rahmen einer Ermessensentscheidung hinzuzieht, soweit dies im Gesetz vorgesehen ist (vgl. § 7 Abs. 3 FamFG). Mit der Beteiligtenstellung werden Rechte und Pflichten eingeräumt, diese hat also zahlreiche rechtliche Konsequenzen (näher hierzu Heilmann/Köhler, Praxiskommentar Kindschaftsrecht, 2. Auflage, § 7 FamFG Rn. 2ff.).
a) Eine Hinzuziehung der Beschwerdeführer als Beteiligte erfolgte vor Erlass der angegriffenen Entscheidung nicht. Zwar bedarf es für die Hinzuziehung als Beteiligte keines förmlichen Beschlusses, diese kann auch konkludent erfolgen (vgl. BGH FamRZ 2018, 1607 m.w.Nachw.). Allein die - hier erfolgte - Aufführung von Personen im Rubrum einer Entscheidung zur Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe eines anderen Beteiligten vermag deren Beteiligtenstellung jedoch nicht zu begründen. Dabei kann dahinstehen, ob das Rubrum überhaupt von der Unterschrift und damit vom Willen der zuständigen Richterin getragen oder erst nachträglich eigenständig von der Geschäftsstelle des Gerichts in der übersandten Ausfertigung (fehlerhaft) ergänzt worden ist.
b) Eine Hinzuziehung hat jedoch mit Blick auf § 161 FamFG zu erfolgen. Hiernach kann das Gericht in Verfahren, die die Person des Kindes betreffen, die Pflegeperson im Interesse des Kindes als Beteiligte hinzuziehen, wenn das Kind längere Zeit in Familienpflege lebt. Hierdurch sollen die Rechte der Pflegepersonen gestärkt und sichergestellt werden, dass sie nicht nur über den Gang des Verfahrens informiert werden, sondern auf diesen auch aktiv Einfluss nehmen können (vgl. nur Hammer, in: Prütting/Helms, FamFG, 5. Auflage, § 161 Rn. 1).
Zum einen sind die Beschwerdeführer Pflegepersonen im Sinne dieser Norm. Zwar wurde ihnen eine Erlaubnis im Sinne des § 44 SGB VIII nicht erteilt. Für die Anwendung der Vorschrift kommt es jedoch ...