Leitsatz (amtlich)

Die Staatsanwaltschaft kann gegen die Unterlassung der Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens Untätigkeitsbeschwerde erheben, wenn z. B. wegen des drohenden Verjährungseintritts der Unterlassung die Bedeutung einer Sachentscheidung i. S. einer endgültigen Ablehnung der zu treffenden Entscheidung zukommt.

 

Tenor

Die 13. Strafkammer -Wirtschaftsstrafkammer- beim Landgericht Darmstadt wird verpflichtet, unverzüglich in die sachliche Prüfung einzutreten, ob das Hauptverfahren zu eröffnen ist.

 

Gründe

Am 9. 4. 99 hatte die Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Darmstadt - Wirtschaftskammer - Anklage erhoben, mit der dem Angeschuldigten zur Last gelegt wird, sich in der Zeit vom 15 . 12. 1991 bis 19. 1. 1996 durch 84 rechtlich selbständige Taten der Untreue schuldig gemacht zu haben.

Nach Zustellung der Anklage im Mai 1999 hatte der Angeschuldigte über seinen Verteidiger mit Schriftsatz vom 2. Juni 1999 die Ablehnung der Eröffnung des Hauptverfahrens unter dezidierter Stellungnahme zu den einzelnen Anklagepunkten beantragt.

Nachdem die Akten daraufhin der Staatsanwaltschaft am 7. 6. 99 zur Kenntnis- und Stellungnahme übersandt worden waren, sandte diese die Akten am 16. 7. 99 mit ihrer Stellungnahme zurück, wonach die Ausführungen des Angeschuldigten keinen Anlass geben, das Hauptverfahren nicht zu eröffnen, da die vom Angeschuldigten vorgebrachten Einwände - wie etwa, er habe von den Geschädigten kein Geld erhalten bzw. er erinnere sich daran nicht mehr - durch die gegenteiligen Zeugenaussagen, aber auch durch entsprechende Lastschriften in der Hauptverhandlung widerlegt würden.

Eine Förderung des Verfahrens ist seitens der Strafkammer seither nicht mehr erfolgt. Die Akten wurden auf Anforderung zur Einsicht an eine Zivilkammer versandt und dem Verteidiger sowie einem Geschädigtenvertreter zur Verfügung gestellt. Auch wurde am 8. 5. 00 der seit dem 23. 12. 96 außer Vollzug gesetzte Haftbefehl aufgehoben. Im übrigen aber finden sich in der Akte immer wieder vom Vorsitzenden kommentarlos verfügte WV- Termine zwischen zwei und vier Monaten. Ein Berichterstatter wurde ersichtlich nicht bestimmt. Mit einem offensichtlich standardisierten Schreiben vom 5. 10. 00 stellte der Vorsitzende unter Hinweis und unter Beifügung einer an den Präsidenten des Landgerichts Darmstadt gerichteten Überlastungsanzeige vom 24. 7. 2000 fest, dass die Sache in absehbarer Zeit nicht bearbeitet werden kann" und verfügte eine Wiedervorlage von drei Monaten.

Mit Schreiben vom 27. 7. 01 bat die Staatsanwaltschaft unter Hinweis darauf, dass die Geschäftsbelastung der Kammer bekannt sei, um Mitteilung, wann mit einer Terminierung in der vorliegenden Sache gerechnet werden könne. Eine Reaktion hierauf erfolgte nicht.

Die Staatsanwaltschaft beantragte nunmehr unter dem 17. 8. 2001 in Hinblick auf § 78 b IV StGB das Hauptverfahren zu eröffnen und kündigte für den Fall, dass nicht bis zum 7. 9. 01 entschieden würde, an, Untätigkeitsbeschwerde zu erheben.

Auch hierauf erfolgte keine Reaktion.

Am 13. 9. 2001, eingegangen bei Gericht am 17. 9. 01, erhob die Staatsanwaltschaft daher Beschwerde gegen die Nichtbescheidung des Eröffnungsantrages und beantragte außerdem, das Verfahren zu eröffnen.

Mit Verfügung vom 18. 9. 01 verfügte der "Stellvertreter im Vorsitz"-, Richter am LG S. , die Übersendung der Akten an die Staatsanwaltschaft zur Vorlage an das Oberlandesgericht. Unter Ziffer 1 dieser Verfügung heißt es Vermerk nach Beratung: Der Beschwerde wird nicht abgeholfen". Zur Begründung heißt es weiter: Die Beantwortung der Frage, ob der, nach § 203 StPO erforderliche Tatverdacht besteht, setzt zwangsläufig voraus, dass der Tatrichter im Zwischenverfahren die Akte durcharbeitet, bevor über die Frage der Eröffnung des Verfahrens entschieden werden kann. . " Unter Hinweis auf die exemplarisch an einem anderen Fall aus Sicht der Kammer aufgezeigte Überlastung heißt es weiter, sei die Kammer hierzu nicht in der Lage.

Die Beschwerde, der die Staatsanwaltschaft beim Oberlandesgericht beigetreten ist, ist zulässig. Zwar ist der Strafprozessordnung eine reine Untätigkeitsbeschwerde fremd, weil in der bloßen Untätigkeit keine sachliche Entscheidung liegt, nur eine solche aber Gegenstand der Überprüfung durch dasBeschwerdegericht sein kann (vgl. RGst 19, 333, 337; Plöd, KMR, Stand April 2001, Rdnr. 3 vor § 304 StPO; LG Stuttgart, Beschluss vom 12. 10. 90, 14 Qs 122/90, NStZ 1991, 204).

Die Unterlassung einer von Amtswegen oder auf Antrag zu treffenden Entscheidung ist jedoch dann anfechtbar, wenn die unterlassene Entscheidung selbst bzw. deren Ablehnung anfechtbar ist, und der Unterlassung die Bedeutung einer Sachentscheidung i. S. einer endgültigen Ablehnung und nicht einer bloßen Verzögerung der zu treffenden Entscheidung zukommt ( vgl. BGH NJW 1993, 1279 ff, Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 45. Auflage, § 304 Rdnr. 3; Plöd in KMR, Stand April 2001, § 304 Rdnr. 2; Senatsbeschluss vom 17. 9. 01 - 3 Ws 905/01

Diese Voraussetzungen sind hi...

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