Entscheidungsstichwort (Thema)
Testament
Leitsatz (redaktionell)
Bei der Auslegung einer letztwilligen Verfügung ist der wirkliche Wille des Erblassers zu erforschen und nicht am buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften.
Um diesem Erfordernis zu genügen, muss der gesamte Inhalt der Erklärung einschließlich aller Nebenumstände, auch solcher, die außerhalb der Testamentsurkunde liegen, als Ganzes gewürdigt werden.
Normenkette
BGB §§ 133, 157
Verfahrensgang
LG Kassel (Beschluss vom 04.05.1987; Aktenzeichen 2 T 154/87) |
AG Eschwege (Aktenzeichen 1 VI W 1/87) |
Tenor
Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Prüfung und Entscheidung, auch über die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens der weiteren Beschwerde, an das Landgericht zurückverwiesen.
Der Wert des Verfahrens der weiteren Beschwerde beträgt 60.000,– DM.
Gründe
Die am 3.1.1987 verstorbene Erblasserin war die zweite Ehefrau des am 8.10.1986 verstorbenen Kraftfahrzeugverkäufers … Beide Eheleute haben keine Kinder. … hatte am 15.8.1959 und am 15.11.1959 je ein eigenhändig geschriebenes und unterschriebenes Testament errichtet, die im wesentlichen denselben Wortlaut haben. In ihnen hat er bestimmt, daß seine Ehefrau Alleinerbin nach ihm werden sollte, während sein persönlicher Schmuck seinen Neffen … zustehen sollte. Am 19.12.1968 haben die Eheleute … eine eigenhändiges Testament errichtet, das am 29.10.1986 vom Amtsgericht eröffnet wurde und folgenden Wortlaut hat:
„Wir die unterzeichneten Eheleute … bestimmen hiermit unseren letzten Willen wie folgt:
Der Längstlebende von uns ist Alleinerbe des Zuerststerbenden. Sollte uns beiden gemeinsam etwas zustoßen und kein Überlebender mehr von uns beiden vorhanden, dann bestimmen wir beide hiermit, daß … als … Neffen unsere Erben sind, bis auf persönliche Sachen meiner Frau. Eschwege, den 19.12.1968 … Umseitiges Testament soll auch das meinige sein. Persönliche Sachen von mir soll meine Schwester … haben.
Eschwege, 19.12.1968”
Die drei in dem Testament genannten Brüder Dunkel – die Beteiligten zu 1) bis 3) – sind Kinder der im Jahre 1980 verstorbenen Schwester … Gesetzliche Erben der Erblasserin sind deren Geschwister … – die Beteiligten zu 4) und 5).
Das Amtsgericht Eschwege hat am 28.1.1987 Nachlaßpflegschaft für die unbekannten Erben der Erblasserin angeordnet und … zum Nachlaßpfleger bestellt. Als Wirkungskreis des Pflegers ist die Sicherung des Nachlasses und die Ermittlung der Erben bestimmt.
Der Beteiligte zu 1) hat die Erteilung eines gemeinschaftlichen Erbscheins beantragt, in dem bezeugt werden soll, daß die Erblasserin auf Grund des privatschriftlichen Testaments vom 19.12.1968 von ihm und seinen beiden Brüdern zu je einem Drittel beerbt worden ist. Er ist der Ansicht, das Testament vom 19.12.1968 sei so auszulegen, daß er und seine beiden Brüder nach dem Willen der Eheleute Wolff Erben des Längstlebenden sein sollten.
Die Beteiligten zu 4) und 5) haben dagegen die Ansicht vertreten, daß die Erbeinsetzung der Beteiligten zu 1) bis 3) im Testament vom 19.12.1968 nur für den Fall des gleichzeitigen Versterbens der Eheleute … gelten sollte, dieser Fall aber nicht eingetreten sei, und daß daher die gesetzliche Erbfolge gelte. Sie haben einen dahingehenden Erbscheinsantrag gestellt.
Mit Beschluß vom 2.2.1987 hat das Amtsgericht – Nachlaßgericht – Eschwege angekündigt, es werde den von den Beteiligten zu 4 und 5 beantragten Erbschein erteilen, sofern gegen diesen Beschluß nicht binnen 1 Woche ab Zustellung Beschwerde eingelegt werde. Es hat das gemeinschaftliche Testament vom 19.12.1968 dahin ausgelegt, daß die Einsetzung der Beteiligten zu 1 – 3 als Erben nur für den Fall des gleichzeitigen Versterbens der Eheleute gelten sollte.
Auf die gegen den Beschluß vom 2.2.1987 gerichtete Beschwerde der Beteiligten zu 1 – 3 vom 9.2.1987 sind durch das Amtsgericht die Zeuginnen … und … vernommen worden. Sodann hat es der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Landgericht Kassel zur Entscheidung vorgelegt. Das Landgericht hat die Beschwerde durch Beschluß vom 4.5.1987 zurückgewiesen. Die Beteiligten zu 1 – 3 wenden sich mit der durch Anwaltsschriftsatz vom 13.7.1987 eingelegten weiteren Beschwerde gegen den landgerichtlichen Beschluß.
Die – an keine Frist gebundene – weitere Beschwerde ist statthaft (§ 27 FGG) und in der gebotenen Form eingelegt (§ 29 FGG). Die Berechtigung der Beteiligten zu 1 – 3 zur Einlegung der weiteren Beschwerde ergibt sich gemäß §§ 20, 29 Abs. 4 FGG bereits aus der Zurückweisung ihrer Erstbeschwerde. Sie folgt ferner – ebenso wie für die Erstbeschwerde – daraus, daß durch die Entscheidung der Vorinstanz das von den Beteiligten zu 1 bis 3 in Anspruch genommene testamentarische Erbrecht (§§ 1922 Abs. 1, 1937 BGB) beeinträchtigt wird.
Die Ankündigung des Amtsgerichts, es beabsichtige, sofern nicht binnen einer bestimmten Frist Beschwerde eingelegt werde, einen Erbschein nach dem bezeichneten Inhalt zu erteilen, ist eine beschwerdefähige Verfügung. Ein solcher Vorbescheid ist stets...