Leitsatz (amtlich)
Konkretisiert das Familiengericht den Umfang der zunächst einschränkungslos für ein Stufenverfahren bewilligten Verfahrenskostenhilfe insoweit, als es summarisch die Erfolgsaussicht des Begehrs auf der Betragsstufe entsprechend der erteilten Auskünfte beUrteilt, darf dies nicht zu einer (verdeckten) Teilaufhebung der ehemaligen Bewilligung im Sinne des § 124 ZPO führen.
Zur Bestimmung des Wertes eines Unterhaltsverfahrens im Falle eines Stufenantrages.
Normenkette
ZPO §§ 114, 124, 254; FamGKG §§ 34, 38, 51
Verfahrensgang
AG Groß-Gerau (Aktenzeichen 72 F 497/15) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin vom 09.03.2017 wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Groß-Gerau vom 01.02.2017 in Gestalt des Nichtabhilfebeschlusses vom 16.03.2017 aufgehoben.
Gründe
I. Die Antragstellerin begehrte die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für eine beabsichtigte Rechtsverfolgung in einem Hauptsachestufenverfahren, in dem sie von dem Antragsgegner, ihrem getrennt von ihr lebenden Ehemann, zunächst Auskunft und Belegvorlage über sein Einkommen und sodann beginnend ab 01.01.2015 - zunächst unbeziffert - Zahlung von Trennungsunterhalt sowie - als Verfahrensstandschafterin zweier gemeinsamer minderjähriger Kinder - Kindesunterhalt begehrte. Dieser Antrag ging am 11.05.2015 beim Familiengericht ein.
Nach einschränkungsloser Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe am 10.06.2015 erfolgte nach Anordnung des schriftlichen Vorverfahrens am 10.06.2015 Zustellung der Antragsschrift an den Antragsgegner am 03.08.2015.
Infolge mündlicher Verhandlung zur Auskunftsstufe am 01.12.2015 verkündete das Familiengericht am 22.12.2015 einen Teilbeschluss, in dem es dem Antragsgegner Auskunft und Belegvorlage gebot.
Mit Schriftsatz vom 10.08.2016 bezifferte die Antragstellerin ihren Antrag auf der Zahlungsstufe. Am 10.01.2017 ergänzte sie ihre Anträge, wobei die Zahlbeträge und Zeiträume zum Antrag vom 10.08.2016 identisch blieben und nur teilweise eine Zahlung an Dritte begehrt wurde.
Mit dem angefochtenen Beschluss stellte das Familiengericht fest, dass die Verfahrenskostenhilfebewilligung vom 10.06.2015 sich (nur) auf Zahlungsbegehren in - gegenüber den Anträgen vom 10.08.2016 bzw. 10.01.2017 - eingeschränkter Höhe bezogen auf den Zeitraum ab September 2016 (Kindesunterhalt) bzw. Januar 2017 (Trennungsunterhalt) erstreckt. Im Übrigen wies es den Verfahrensfahrenskostenhilfeantrag zurück.
Am 13.02.2017 teilte die bisherige Bevollmächtigte der Antragstellerin mit, das Mandat niedergelegt zu haben, so dass der Beschluss am 25.02.2017 direkt an die Antragstellerin zugestellt wurde. Hiergegen richtet sich ihre am 09.03.2017 beim Familiengericht eingegangene "Beschwerde", der das Familiengericht am 16.03.2017 nicht abhalf.
II. Die zulässige, §§ 113 I 2 FamFG, 567 ff., 127 ZPO, sofortige Beschwerde (die Fehlbezeichnung als Beschwerde ist unschädlich) der Antragstellerin hat im Umfang ihrer Einlegung vorläufigen Erfolg und führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung in Gestalt des ergangenen Nichtabhilfebeschlusses. Das Familiengericht hat nach eigenem Ermessen zu beurteilen, ob es eine erneute Feststellung zum Umfang der am 10.06.2015 bewilligten Verfahrenskostenhilfe treffen will.
Im Einzelnen:
Die sofortige Beschwerde ist zulässig, weil die Antragstellerin durch den angefochtenen Beschluss teilweise ihre nach der Bewilligung vom 10.06.2015 entstandenen Rechte auf Kostenfreistellung verliert, §§ 113 I 2 FamFG, 122 ZPO.
Insofern ist auch jedenfalls die Beschwerdefrist eingehalten, zumal die "Zustellung" des Beschlusses vom 01.02.2017 unter Missachtung der §§ 113 I 2 FamFG, 172 ZPO an sie selbst erfolgte. Denn die Antragstellerin wurde im vorliegenden Familienstreitverfahren, für das Anwaltszwang gilt, § 114 I FamFG, von einer Rechtsanwältin vertreten, so dass an diese Zustellungen, auch im Rahmen der Verfahrenskostenhilfe, vergl. z.B. Sächsisches Landesarbeitsgericht, Beschluss vom 18. Oktober 2016 - 4 Ta 61/16 (2) -, juris), zu bewirken sind. Dass sie vor Versand des Beschlusses die Mandatsniederlegung angezeigt hatte, ist wegen der fortbestehenden Beiordnung unbeachtlich (LG Saarbrücken, Beschluss vom 02. Januar 2012 - 5 T 30/12 -, juris).
Die sofortige Beschwerde ist auch begründet, weil der Beschluss vom 01.02.2017 der Antragstellerin teilweise die mit der Bewilligung vom 10.06.2015 erworbenen Rechte nimmt, ohne dass letztlich die Voraussetzungen der §§ 113 I 2 FamFG, 124 ZPO erkennbar sind.
Im Ausgangspunkt zutreffend hat das Familiengericht sich für berechtigt angesehen, die am 10.06.2015 für den gesamten Stufenantrag der Antragstellerin bewilligte Verfahrenskostenhilfe nach Bezifferung ihres Leistungsbegehrens einer Feststellung - von Amts wegen - dahingehend zuzuführen, inwieweit die damalige Bewilligung in Bezug auf die jetzt bezifferten Anträge reicht. Denn es ist anerkannt, dass dem Antragsteller eines Stufenantrages umfassend Verfahrenskostenhilfe zu bewilligen ist, diese sich wegen des Betragsverfa...