Entscheidungsstichwort (Thema)
Fehlendes Rechtsschutzbedürfnis für einstweilige Verfügung
Leitsatz (amtlich)
Gibt der Schuldner eine von der Gläubigerin vorformulierte Unterlassungserklärung ab, kann sich aufgrund des hierdurch begründeten Schuldverhältnisses eine Pflicht der Gläubigerin ergeben, bei Unklarheiten über den Umfang der abgegebenen Unterlassungserklärung bei der Schuldnerin nachzufragen, bevor sie einen weiteren Eilantrag stellt.
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Beschluss vom 19.01.2022; Aktenzeichen 2-6 O 7/22) |
Tenor
Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Antragstellerin zu tragen.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 13.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Parteien sind Wettbewerber im Bereich des Vertriebs von Optikprodukten.
Im September 2021 wurde die Antragstellerin darauf aufmerksam, dass die Firma X unter der Bezeichnung "AWR Thermo Vision Target-Pads" von ihr hergestellte Wärme-Zielpads für die Nachtsicht mit dem Hinweis "patented" anbot, obwohl kein Patent-, sondern lediglich ein Gebrauchsmusterschutz bestand und eine Patentanmeldung vorlag. Nachdem die Abmahnung der Herstellerin keine Unterlassungserklärung abgegeben hatte, begann die Antragstellerin mit der Verfolgung der Händler, so u.a. der Antragsgegnerin.
Die Antragstellerin führte im November ein Testkauf des streitgegenständlichen Produktes durch (Rechnung vom 17.11.2021, Anlage BAP3). Hierauf ließ sie den Antragsgegner mit Schreiben vom 3.12.2021 (Anlage BRP6) abmahnen, wobei sich die Abmahnung nur auf das Bewerben - und nicht den Testkauf - bezog und die vorformulierte Unterlassungserklärung entsprechend auch nur die Bewerbung - und nicht den Vertrieb - zum Gegenstand hatte.
Hierauf reagierte der Antragsgegner mit der Abgabe einer Unterlassungserklärung unter dem Datum vom 9.12.2022 (Anlage BRP7), die sich ebenfalls nur auf das Bewerben bezog.
Mit dem vorliegenden Verfügungsantrag macht die Antragstellerin aus dem identischen Sachverhalt nunmehr einen Unterlassungsanspruch im Hinblick auf den Vertrieb geltend; eine Abmahnung erfolgte nicht.
Das Landgericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung mit der Begründung zurückgewiesen, es fehle an einer Wiederholungsgefahr, da von dem Antragsgegner abgegebene Unterlassungserklärung auch den Vertrieb umfasse, was spätestens durch die im Lauf des Eilverfahrens erfolgte Klarstellung durch den Antragsgegner deutlich geworden sei.
Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Antragstellerin.
II. Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.
Es fehlt der Antragstellerin an dem für den Erlass einer einstweiligen Verfügung erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis.
1. Zwischen den Parteien besteht ein gesetzliches Schuldverhältnis.
Durch die Verletzungshandlung entsteht zwischen Unterlassungsgläubiger und Unterlassungsschuldner ein Schulverhältnis, das durch die Abmahnung konkretisiert wird. Der Inhalt der wettbewerbsrechtlichen Sonderbeziehung wird in besonderem Maße durch Treu und Glauben bestimmt und ist geeignet, Aufklärungs- und Antwortpflichten zu begründen (BGH GRUR 2008, 360 - EURO und Schwarzgeld; BGH GRUR 1995, 167 - Kosten bei unbegründeter Abmahnung; Götting/Nordemann UWG Handkommentar, § 12 Rn. 27).
Die sich aus dieser wettbewerbsrechtlichen Sonderbeziehung ergebenden Pflichten bestehen grundsätzlich für beide Seiten (Unterlassungsgläubiger und Unterlassungsschuldner). Hierzu zählt eine Aufklärungspflicht als allgemeine Pflicht, die jeweils andere Seite auf entscheidungserhebliche Umstände hinzuweisen, die im Falle des Ausbleibens eines Hinweises zu überflüssigen und aussichtslosen Prozessen führen können. So kann der Abmahner bspw. dazu verpflichtet sein, auf etwaige Mängel der Unterlassungserklärung hinzuweisen, sollte es sich erkennbar um ein bloßes Versehen handeln (Götting/Nordemann UWG Handkommentar, § 12; dazu auch OLG Hamburg WRP 1986, 292).
2. Zwischen den Parteien besteht darüber hinaus auch ein vertragliches Schuldverhältnis. Zwar hat der Antragsgegner das in der Zusendung einer vorformulierten Unterlassungserklärung enthaltene Angebot auf Abschluss eines Unterlassungsvertrages deshalb nicht angenommen, weil - bei ansonsten bestehender Inhaltsgleichheit - ihre eigene abgegebene Unterlassungsverpflichtung statt mit einer festen Vertragsstrafe mit einem Vertragsstrafeversprechen nach Hamburger Brauch enthielt. Dies gilt nach § 150 Abs. 2 BGB als Ablehnung verbunden mit einem neuen Antrag.
Dieses Angebot hat die Antragstellerin auch konkludent angenommen. Dass sie die Annahme dem Antragsgegner gegenüber nicht ausdrücklich erklärt hat, steht dem nicht entgegen. Nach § 151 S. 1 BGB kann der Antragende darauf verzichten, dass ihm die Annahme seines Angebots zugeht. Da der Schuldner mit seinem Angebot selbst daran interessiert ist, dass das Damokles-Schwert einer möglichen Vertragsstrafe über ihm schwebt, kann in seine Erklärung auch ein...