Entscheidungsstichwort (Thema)
Umdeutung eines gemeinschaftlichen Testaments in Einzeltestament
Leitsatz (amtlich)
1. Ein zu Unrecht nach altem Recht auf einen Erbscheinsantrag erlassener Vorbescheid kann in einen in seiner Wirksamkeit ausgesetzten Feststellungsbeschluss nach § 352 FamFG umgedeutet werden.
2. Ein nur von einem Ehegatten geschriebenes und unterschriebenes gemeinschaftliches Testament kann in ein Einzeltestament zugunsten des anderen Ehegatten umgedeutet werden.
Normenkette
BGB § 2265; FamFG § 352
Verfahrensgang
AG Eschwege (Beschluss vom 10.01.2011) |
AG Eschwege (Beschluss vom 26.11.2010) |
Tenor
Die Beschwerde wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die zur Erteilung des von der Beteiligten zu 1) beantragten Alleinerbscheins erforderlichen Tatsachen für festgestellt erachtet sind.
Der Beteiligte zu 2) hat die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens und die im Beschwerdeverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten der Beteiligten zu 1) zu tragen.
Beschwerdewert: 20.000 EUR.
Gründe
I. Die Beteiligte zu 1) ist die am -.-. 1937 geborene Ehefrau des am -.-. 1931 geborenen und am -.-. 2008 verstorbenen Erblassers. Aus der Ehe sind zwei Kinder hervorgegangen, nämlich der im Jahr 1956 geborene Beteiligte zu 2) und eine im Jahr 1966 geborene Tochter, die sich am Beschwerdeverfahren jedoch nicht beteiligen wollte. Weitere Kinder sind nicht vorhanden.
Die Beteiligte zu 1) hat bei dem Notar C am 7.5.2009 einen Erbscheinsantrag auf der Basis der gesetzlichen Erbfolge unterzeichnet. Die Beteiligte zu 1) hat in dem Antrag erklärt, ihr Ehemann habe ihr gesagt, er habe den Entwurf eines Nachbarn für ein gemeinschaftliches Testament mit gegenseitiger Erbeinsetzung abgeschrieben. Den Entwurf des Nachbarn habe sie noch. Ein Testament habe sie jedoch trotz Suche mit ihren Kindern nicht gefunden. Der Erbschein ist wie beantragt am 23.7.2009 erteilt worden.
Am 3.2.2010 ist von Seiten der Ehefrau das erwähnte Schriftstück des Erblassers eingereicht und am 4.2.2010 eröffnet worden. In dem vom Erblasser geschriebenen und unterschriebenen Schriftstück mit Datum vom 10.7.2006 heißt es, dass sich die Eheleute gegenseitig zu Alleinerben einsetzen. Nach Ortsangabe, Datum (10.7.2006) und Unterschrift des Erblassers folgt neben dem Satz "Dies ist auch mein letzter Wille", nochmals Ortsangabe und Datum (10.7.2006) sowie der Name der Beteiligten zu 1), ebenfalls durchweg vom Erblasser geschrieben. Der erteilte Erbschein ist durch Beschluss vom 8.2.2010 (Bl. 17) wieder eingezogen, die Ausfertigung des Erbscheins zur Akte genommen und das Original unbrauchbar gemacht worden. Gegen die Einziehung hat der Beteiligte zu 2) Beschwerde eingelegt und u.a. gerügt, dass er nicht angehört worden sei.
Die Beteiligte zu 1) hat in der Folgezeit einen Erbscheinsantrag als Alleinerbin beantragt, dem der Beteiligte zu 2) entgegen getreten ist. Der Beteiligte zu 2) hat vorgebracht, das Testament sei unwirksam, weil die Unterschrift der Beteiligten zu 1) fehle. Es sei davon auszugehen, dass die streitige Verfügung vom Erblasser unter der Bedingung der Wechselseitigkeit getroffen worden sei.
Durch richterlichen Beschluss vom 26.11.2010 (Bl. 53/54) hat das AG angekündigt, den beantragten Alleinerbschein erteilen zu wollen, falls nicht binnen zwei Wochen Beschwerde gegen den Vorbescheid eingelegt werde. Außerdem hat es der Beschwerde gegen die Einziehung des Erbscheins nicht abgeholfen.
Gegen diesen Vorbescheid hat der Beteiligte zu 2) Beschwerde eingelegt (Bl. 64 ff), der das AG nicht abgeholfen (Beschluss vom 10.1.2011, Bl. 67) und dem LG Kassel zur Entscheidung vorgelegt hat. Dieses hat die Akten dem AG unter Hinweis auf das Gesetz zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit mit dem Bemerken zurückgegeben, dass die Akten dem OLG vorzulegen seien. Am 3.2.2011 sind die Akten beim OLG eingegangen.
Die Vorsitzende hat vorab eine Verfügung erlassen, auf die verwiesen wird (Bl. 76/77). Daraufhin haben die Beteiligten ihr Vorbringen vertieft und ergänzt.
Der Beteiligte zu 2) wendet sich weiter gegen den von der Beteiligten zu 1) beantragten Alleinerbschein. Er bestreitet die von der Beteiligten zu 1) vorgebrachten familiären Meinungsverschiedenheiten zu Lebzeiten des Erblassers. Er bringt vor, da der Erblasser zuvor sämtliche finanziellen Angelegenheiten geregelt habe, sei nach seinem Tod in der Familie Streit entstanden. Die Beteiligte zu 1) und die Schwester hätten seine Bemühungen als "Gängelei" empfunden. Zutreffend sei, dass der Erblasser ca. zwei bis drei Jahre vor seinem Tod angefangen habe, sich Gedanken über die Absicherung seiner Ehefrau zu machen und dies auch mit seinem Freund A besprochen habe, der den gleichfalls vorgelegten Testamentsentwurf verfasst habe. Der Erblasser habe den Entwurf wörtlich abgeschrieben, was darauf hindeute, dass dem Erblasser die Wechselbezüglichkeit sehr wichtig gewesen sei (Zeugnis: A). Dass der Erblasser die Unterschrift der Ehefrau selbst geleistet habe, spre...