Entscheidungsstichwort (Thema)
Anwartschaften auf aufgeschobene variable Vergütung stellen bereits vor Ablauf des Zurückbehaltungszeitraums rechtlich geschützte und der Bewertung zugängliche Vermögenspositionen dar und können in den Zugewinnausgleich als Vermögensposition einbezogen werden.
Normenkette
BGB § 1375 Abs. 1, § 1378 Abs. 1
Verfahrensgang
AG Offenbach (Aktenzeichen 314 F 1014/19 GÜ) |
Nachgehend
Tenor
Der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Offenbach am Main vom 2. Juni 2020 wird abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beschwerdeführerin wird verpflichtet, an den Beschwerdegegner über den durch Teilbeschluss vom 30.10.2018 titulierten Betrag von 845.294,- EUR hinaus einen weiteren Zugewinnausgleich in Höhe von 502.063,84 EUR (insgesamt 1.347.357,84 EUR) zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 1.347.357,84 EUR ab dem 19.10.2018 abzüglich am 05.12.2018 gezahlter 845.294,- EUR, am 11.02.2019 gezahlter 50.000,- EUR sowie am 16.04.2019 gezahlter 422.822,- EUR zu zahlen.
Im Übrigen wird der Antrag des Beschwerdegegners zurückgewiesen.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben. Von den Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens hat die Beschwerdeführerin 87 % und der Beschwerdegegner 13 % zu tragen.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird festgesetzt auf 136.194,60 EUR.
Gründe
I. Ziel der Beschwerde der zugewinnausgleichspflichtigen Beschwerdeführerin ist die Reduzierung ihrer erstinstanzlich in Höhe von rund 1,4 Mio. EUR ausgeworfenen Zahlungsverpflichtung um knapp 130.000 EUR.
Die Beteiligten schlossen am 00.00.1986 die Ehe. Wenige Wochen zuvor war die aus Japan stammende Ehefrau (nachfolgend auch: Antragsgegnerin oder Beschwerdeführerin) nach Deutschland gezogen. Am 19. Mai 1986 hatte sie unstreitig über ein Guthaben auf dem Konto Nr. ... bei der Y Effektenfirma in Höhe von 1.203.132 JPY (Kontoauszug, Bl. 106 d.A., mit Übersetzung, Bl. 576 d.A.) verfügt.
Zum Zeitpunkt der Eheschließung gehörten ihr Vermögenswerte im Gesamtwert von unstreitig jedenfalls 17.120,65 EUR. Wegen der Zusammensetzung dieses Betrags und der den Vermögenspositionen zu Grunde liegenden Einzelwerte wird verwiesen auf die Gründe zu II des angegriffenen Beschlusses, Bl. 660 d.A.
Der Ehemann (nachfolgend auch: Antragsteller oder Beschwerdegegner) verfügte bei Eheschließung über ein negatives Vermögen in Gestalt einer Verpflichtung aus einem BAföG-Darlehen in Höhe von 2.676,10 EUR.
Im Jahr 1996 verstarb der Vater der Beschwerdeführerin. Aus diesem Anlass reiste sie seit der Eheschließung erstmals wieder nach Japan. Während dieser Reise löste sie die Geldanlage bei der Y Effektenfirma auf; von dem Erlös finanzierte sie den Aufenthalt der Beteiligten in Japan. Im Jahr 1999 verstarb die Mutter der Beschwerdeführerin. Die Beschwerdeführerin beerbte ihre beiden Eltern allein. Der Wert des jeweiligen Nachlasses bzw. der von ihr aus dem Nachlass erhaltenen Vermögenswerte ist streitig.
Der Beschwerdegegner war ehezeitlich außertariflich bei der C-Bank beschäftigt. Sein Gehalt bestand aus festen und variablen Vergütungsbestandteilen. Grundlage der variablen Vergütung war der C-Bank Incentive Plan (CIP), der insoweit zwei Formen vorsah, den im Folgejahr auf das maßgebliche Geschäftsjahr ausgezahlten STI (Short Term Incentive) und den nach vier Jahren ausgezahlten LTI (Long Term Incentive). Die Auszahlung erfolgte teils in bar (cash) und teils aktienbasiert (equity). Die konkrete Höhe der variablen Vergütung war von der Erreichung bestimmter individueller und unternehmensbezogener Kennzahlen abhängig.
Der Arbeitgeber teilte dem Arbeitnehmer regelmäßig im März des Folgejahres nach Durchführung der sog. Performance-Bewertung I die Höhe des STI für ein Geschäftsjahr mit. Der Baranteil des STI wurde dann üblicherweise im darauffolgenden Monat (d.h. April) und der aktienbasiert ausgezahlte Teil im Oktober des jeweiligen Folgejahres ausgezahlt. Zeitgleich mit der Mitteilung über die Höhe des STI für ein Geschäftsjahr erfolgte eine Ankündigung hinsichtlich der voraussichtlichen Höhe des LTI. Die Mitteilung über die konkrete Anspruchsentstehung und -höhe des LTI erfolgte regelmäßig nach Ablauf der sog. Deferral Period und Durchführung der sog. Performance Bewertung II im Juni des vierten auf das betreffende Geschäftsjahr folgenden Jahres. Die Auszahlung erfolgte im Oktober des vierten auf das betreffende Geschäftsjahr folgenden Jahres. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Wortlaut des CIP in der Fassung vom 06.11.2014 verwiesen (Anlage 4, Bl. 79 ff. = 750 ff. d.A.).
Für die Geschäftsjahre 2012 bis 2016 teilte der Arbeitgeber des Beschwerdegegners mit Schreiben jeweils aus dem März des Folgejahres die Höhe von STI und LTI wie folgt mit, wobei jeweils darauf hingewiesen wurde, dass die Festlegung des LTI-Anteils indikativ und ohne, dass durch die Fes...