Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 06.09.1988; Aktenzeichen 2/11 S235/88) |
AG Frankfurt am Main (Aktenzeichen 33 C 260/88-26) |
Tenor
Beläßt der Mieter einem Dritten den ihm unbefugt überlassenen Gebrauch der Mietsache ungeachtet einer Abmahnung des Vermieters, so ist dieser zur fristlosen Kündigung berechtigt, ohne daß es der Feststellung einer erheblichen Beeinträchtigung seiner Rechte bedarf (Anschluß an den Rechtsentscheid des OLG Hamburg vom 17.12.1981 – 4 U 130/81 – und das Urteil des BGH vom 28.11.1984 – VIII ZR 186/83).
Gründe
Die Beklagte zu 1) hat von der Klägerin ab 01.05.1975 eine Drei-Zimmer-Wohnung gemietet. In diese Wohnung hat sie ihre Tochter und deren Ehemann (die Beklagten zu 2) und 3)) aufgenommen. Zu einem vom Landgericht nicht näher festgestellten Zeitpunkt ist sie aus der Wohnung ausgezogen, ohne das Mietverhältnis zu kündigen; die Beklagten zu 2) und 3) sind in der Wohnung verblieben.
Die Klägerin hat das Mietverhältnis nach vergeblicher Abmahnung unter Hinweis auf § 553 BGB fristlos gekündigt. Auf ihre Klage sind die Beklagten zu 1) bis 3) zur Räumung verurteilt worden. Der von den Beklagten eingelegten Berufung möchte das Landgericht stattgeben. Es meint, eine unbefugte Gebrauchsüberlassung rechtfertige eine fristlose Kündigung nur, wenn der Vermieter durch die unbefugte Gehrauchsüberlassung in seinen Rechten erheblich beeinträchtigt werde. Weil die Beklagte zu 1) die Miete pünktlich zahle und allen sonstigen vertraglichen Pflichten nachkäme, fehle es an einer solchen erheblichen Beeinträchtigung, zumal es sich bei der Klägerin um eine Aktiengesellschaft handele. Das Landgericht sieht sich an einer solchen Entscheidung durch den Rechtsentscheid des OLG Hamburg vom 17.12.1981 (NJW 1982, 1157; WM 1982, 41; ZMR 1982, 186; DWW 1982, 26; RES § 553 Nr. 1) und das Urteil des BGH vom 28.11.1984 (NJW 1985.2527; WM 1985, 88; ZMR 1985, 94; DWW 1985, 158 LS) gehindert. Wegen beabsichtigter Abweichung von diesen beiden Entscheidungen legt es dem Senat folgende Rechtsfrage vor:
„Bedarf eine fristlose Kündigung nach § 553 BGB für den Fall der unbefugten Gebrauchsüberlassung der Mietsache an einen Dritten durch den Mieter zusätzlich der Feststellung einer erheblichen Beeinträchtigung der Rechte des Vermieters?”
Die Vorlage ist zulässig, weil das Landgericht bei einer Rechtsfrage, die sich aus einem Mietverhältnis über Wohnraum ergibt, vom Rechtsentscheid des OLG Hamburg vom 17.12.1981 und dem Urteil des BGH vom 28.11.1984 abweichen will und diese Abweichung entscheidungserheblich ist.
Der Senat schließt sich dem Rechtsentscheid des OLG Hamburg und der im Urteil vom 28.11.1984 geäußerten Ansicht des BGH an. Auch nach Erlaß dieser beiden Entscheidungen wird die vom Landgericht zur Vorlage gebrachte Rechtsfrage in der Literatur noch unterschiedlich beantwortet. Gegen die Rechtsprechung des BGH wenden sich ausdrücklich Sternel, Mietrecht, 3. Aufl. unter IV Rz 390, Schmidt-Futterer/Blank, Wohnraumschutzgesetze, 6. Aufl., B Rz 142; Soergel-Kummer, BGB 11. Aufl., Nachtrag zu § 553 Rz. 4, Lammel WM 1986, 8. Emmerich-Sonnenschein (Miete, 3. Aufl., § 553 Rz 8) haben sich unter Aufgabe ihrer früher gegenteiligen Auffassung der Ansicht des BGH angeschlossen.
Der Senat teilt die Ansicht, daß eine unerlaubte Gebrauchsüberlassung in der Regel bereits eine erhebliche Vertragsverletzung darstellt. Die grammatische Interpretation der Vorschrift des § 553 BGB spricht für die vom BGH und dem OLG Hamburg vertretene Ansicht. Das Gesetz nennt in § 553 BGB mindestens ein Beispiel, das eine Verletzung von Vertragsrechten „in erheblichem Maße” indiziert. Des Wortes „insbesondere” bedient sich der Gesetzgeber regelmäßig, um aufzählend Beispiele für einen normierten Tatbestand zu nennen.
Entgegen Lammel (a.a.O.) gibt die historische Interpretation keinen hinreichenden Anhalt für eine gegenteilige Ansicht. Daß die unbefugte Gebrauchsüberlassung ein Fall des vertragswidrigen Gebrauches ist, ist unbestreitbar. Für die fristlose Kündigung reichte nach § 528 E I ein vertragswidriger Gebrauch aus. Wenn in der zweiten Lesung die Worte „der die Rechte des Vermieters in erheblichem Maße verletzt”, hinzugefügt wurden, folgt daraus nicht, daß sich die erhebliche Beeinträchtigung auch bei der unbefugten Gebrauchsüberlassung, die einen besonders gravierenden Fall eines vertragswidrigen Gebrauches darstellt, ausdrücklich festgestellt werden muß. Das vom Gesetz genannte Fallbeispiel, das eine „Verletzung in erheblichem Maße” indiziert, hat dann keine inhaltliche Änderung erfahren.
Die Gesetzessystematik deutet nicht darauf hin, daß der Vermieter zunächst zur Unterlassungsklage als einem milderen Mittel greifen müsse. Der öffentlich rechtliche Grundsatz des milderen Mittels findet im Verhältnis von Vertragsparteien zueinander keine unmittelbare Anwendung (OLG Hamburg a.a.O.), außerdem hat der Vermieter ja bereits durch die erfolglose Abmahnung vergeblich Unterlassung verlangt. Entgegen Sternel (a.a.O.) ist nicht erkennbar, daß die ...