Verfahrensgang

LG Wiesbaden (Urteil vom 22.07.1987; Aktenzeichen 5 O 470/86)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 22. Juli 1987 verkündete Urteil des Landgerichts Wiesbaden, 5. Zivilkammer, abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Auf die Widerklage wird die Klägerin verurteilt, an die Beklagte 3.632,– DM nebst 4 % Zinsen seit dem 21.4.1987 zu zahlen.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Wert der Beschwer der Klägerin beträgt 10.468,42 DM.

 

Gründe

(abgekürzt gemäß § 543 Abs. 1 ZPO)

Die Berufung der Beklagten ist zulässig. Sie hat in vollem Umfang Erfolg.

Die Klägerin, die sich mit dem Verkauf von Fenstern befaßt, vereinbarte aufgrund der Verträge vom 18.6.1986 über 10.883,58 DM und 30.6.1986 über 171,– mit der Beklagten, für deren Haus in Wiesbaden-Biebrich, …, die Lieferung und den Einbau von Kunststoff-Fenstern. Nach Beginn des Einbaues der Fenster erschien am 4.8.1986 ein Mitarbeiter der mit der Denkmalspflege befaßten Behörde, erkundigte sich, ob eine Genehmigung für die Erneuerung der Fenster vorliege und am 5.8.1986 ließ das Stadtplanungsamt … die Arbeiten einstellen. In diesem Zeitpunkt waren von 12 Fenstern 7 eingebaut. Mit Bescheid vom 22.12.1986 teilte das Bauaufsichtsamt der Stadt … der Beklagten mit, gegen den gemäß ihrer Bauanzeige vom 24.11.1986 geplanten Fenstereinbau würden keine Bedenken erhoben, wenn die Arbeiten unter Beachtung bestimmter Maßnahmen (Aufsetzen von Profilleisten, nachträgliche Sprosseneinteilung etc.) durchgeführt würden. Die Anfrage der Beklagten bei der Klägerin, welche Mehrkosten durch eine Befolgung dieser Auflagen entstünden, beantwortete die Klägerin mit dem Bemerken, aus wirtschaftlichen Gründen sei das nicht akzeptabel.

Die Klägerin hat eine Forderung von 6.836,42 DM nebst 8,25 % Zinsen seit dem 16.9.1986 geltend gemacht. Die Beklagte, die bereits 3.632,– DM gezahlt hat, hat widerklagend Rückzahlung dieses Betrages gefordert. (Der unter der Auftragssumme liegende Wert von Klage und Widerklage ergibt sich aus einer Skontoberücksichtigung und Nichtberechnung ersparter Montagekosten).

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Mit ihrer Berufung erstrebt die Beklagte Klageabweisung und macht ihre Widerklageforderung weiter geltend.

Ein Anspruch der Klägerin aus § 631 BGB besteht nicht, denn die Klägerin hat bei Vertragsabschluß eine schuldhafte Pflichtverletzung begangen. Bei der Vereinbarung, welche die Parteien geschlossen haben, handelt es sich um einen Werkvertrag, denn Bauleistungen auf dem Grundstück des Bestellers, und zwar auch nur das Einfügen einzelner Bauteile in das Gebäude, beruhen auf reinen Werkverträgen (BGB-RGRK-Glanzmann, 12. Aufl., § 851 Rdnr. 7). Die Erfüllung des Vertrages ist, da die Genehmigung für die vertraglich vorgesehene Form der Fenster verweigert worden ist, unmöglich (Emmerich in Münch.Komm., 2. Aufl., 1985, § 275 Rdnr. 15). Die Beklagte ist nicht auf Mängelansprüche beschränkt, denn die Werkleistung ist noch nicht abgenommen (vgl. Soergel, in: MünchKomm., 2. Aufl., 1988, § 633 Rdnr. 6).

Die von dem Landgericht für seine andere Meinung zitierte Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGHZ 54, 236 = NJW 1970, 2021) betrifft einen Werkvertrag, bei dem ein Werk abgenommen war. Bei dem Abschluß der Verträge vom 18.6.1986 und 30.6.1986 wurde übersehen, daß gemäß § 88 Abs. 1 Nr. 2 HBO in Verbindung mit der Verordnung über die Freistellung von Baugenehmigungs- und Bauanzeigebedürftigkeit vom 29.10.1979 der Austausch von Fenstern bauanzeigebedürftig ist, wenn das Gebäude in einem Gebiet liegt, für das eine Satzung nach § 118 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 oder nach § 116 Abs. 3 Nr. 2 HBO oder nach § 39 h Abs. 1 BBauG erlassen ist. Im vorliegenden Fall besteht eine Satzung der Stadt gemäß § 118 Abs. 1 Nr. 1 und 2 HBO. Die Änderung der Fenster war somit als beabsichtigte Baumaßnahme der zuständigen Bauaufsichtsbehörde rechtzeitig vor Beginn der Arbeiten anzuzeigen.

Die Klägerin ist als ein mit dem Vertrieb von Fenstern befaßtes und insoweit spezialisiertes unternehmen verpflichtet, sich mit den Rechtsvorschriften für den Fenstereinbau zumindest insoweit zu befassen, daß sie die Möglichkeit einer Bauanzeigepflicht kannte. Sie mußte im Hinblick auf die Rechtslage in Hessen nicht wissen, wie die Satzungslage der einzelnen Gemeinden ist, wohl aber, daß bei einer bestimmten Satzungslage eine Anzeigepflicht besteht. Sie hatte die Rechtspflicht, die Beklagte als ihren Vertragspartner auf diese Möglichkeit hinzuweisen, denn aus der Anzeigepflichtigkeit konnten Umstände erwachsen, die geeignet waren, den Vertragszweck zu vereiteln.

Die Hinweispflicht der Klägerin besteht in dem vorliegenden Fall auch schon deshalb, weil die Klägerin als das Unternehmen, das sich der Beklagten zur Lieferung angeboten und sie in mehrfachen Anläufen bestellungsgeneigt gemacht hatte, wissen konnte und mußte, daß die Beklagte keinen Architekten oder Sonderfachmann beschäftigte, der seinerseits auf die b...

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