Entscheidungsstichwort (Thema)

Verkehrssicherungspflicht, Aufstellung von Warnzeichen

 

Verfahrensgang

LG Wiesbaden (Urteil vom 16.07.2003; Aktenzeichen 10 O 301/01)

 

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das am 16.7.2003 verkündete Urteil der 10. Zivilkammer des LG Wiesbaden wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat die Kosten der Berufung zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Wegen des Sach- und Streitstandes im ersten Rechtszug wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen. Das LG hat eine Haftung des Beklagten für das Unfallereignis vom 22.11.1996 i.H.v. 75 % angenommen und auf dieser Grundlage der Klage durch am 16.7.2003 verkündetes Urteil stattgegeben (Bl. 362 bis 375 d.A.). Der Beklagte hat gegen das ihm am 21.7.2003 zugestellte Urteil am 15.8.2003 Berufung eingelegt und das Rechtsmittel nach Verlängerung der Begründungsfrist bis zum 22.10.2003 an diesem Tag begründet.

Der Beklagte wendet sich gegen das Urteil mit der Begründung, dass für die Haftung des Verkehrssicherungspflichtigen bei Glatteis allein die Streupflicht nach § 10 Abs. 4 Hessisches Straßengesetz maßgeblich sei und die sich daraus ergebende Amtspflicht als Sonderregelung die allgemeinen Grundsätze aus § 823 BGB ausschließe. Eine Streupflicht habe jedoch nicht bestanden. Außerhalb geschlossener Ortschaften seien Straßen nur dann zu streuen, wenn sie verkehrswichtig und gefährlich sind. Hier seien beide Voraussetzungen zu verneinen. Eine Streupflicht sei auch deshalb nicht verletzt, weil die Glätte sehr plötzlich eingesetzt habe. Am 26.11.1996 sei es nach der Mittagszeit zu einem deutlichen Temperatursturz gekommen, der dazu geführt habe, dass die Temperatur in der Zeit zwischen 17.00 Uhr und 18.00 Uhr unter den Gefrierpunkt sank. Der Beklagte sei auch nicht verpflichtet gewesen, im Unfallbereich ein Warnschild aufzustellen. Im Rahmen der zumutbaren Kontrollen des Straßenzustandes habe Wasser auf der Fahrbahn nicht festgestellt werden können. Nach den Aussagen der Zeugen W. und G. sei eine gewisse Durchfeuchtung bei Fahrbahnen ohne Frostschutzschicht - wie hier - üblich. Vor dem streitgegenständlichen Unfall seien weitere Unfälle nicht gemeldet worden. Jedenfalls habe das LG das Mitverschulden des Versicherungsnehmers der Klägerin mit nur 25 % zu gering bewertet. Da Frost geherrscht und seitlich der Fahrbahn noch Schnee gelegen habe, hätte in Kurven besonders vorsichtig gefahren werden müssen. Der Versicherungsnehmer der Klägerin sei unaufmerksam und mit nicht angepasster Geschwindigkeit gefahren. Er habe auch die Örtlichkeit gekannt, denn er wohne in einem Ortsteil von H.

Der Beklagte beantragt, unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil.

II. Die Berufung des Beklagten ist nicht begründet. Im Ergebnis zu Recht hat das LG eine Haftung des Beklagten für den Verkehrsunfall am 22.11.1996 auf der L 3044 zwischen W. und E. im Rahmen des Gesamtschuldnerausgleichs gem. § 426 Abs. 2 BGB dem Grunde nach i.H.v. 75 % bejaht.

Allerdings haftet der Beklagte nicht wegen Verletzung einer Amtspflicht nach Art. 34 GG, § 839 BGB. Die aus der allgemeinen Verkehrssicherungspflicht abgeleitete Pflicht zur Sorge für die Sicherheit im Straßenverkehr ist grundsätzlich privat-rechtlich ausgestaltet (BGH v. 21.11.1996 - III ZR 28/96, VersR 1997, 311 [312]). Anderes gilt nur, soweit der Landesgesetzgeber die Straßenverkehrssicherungspflicht als Amtspflicht in Ausübung öffentlicher Gewalt geregelt hat (BGH v. 21.11.1996 - III ZR 28/96, VersR 1997, 311 [312]). Das ist in Hessen (nur) für die den Gemeinden gem. § 10 Abs. 1, 4 Hessisches Straßengesetz zugewiesene Reinigungs- und Streupflicht für die öffentlichen Straßen innerhalb der geschlossenen Ortslage der Fall (BGH v. 15.1.1998 - III ZR 124/97, MDR 1998, 402 = VersR 1998, 1373). Im Übrigen ist die allgemeine Straßenverkehrssicherungspflicht in Hessen hingegen privat-rechtlich ausgestaltet. Die von den Beklagten aufgeworfene Frage, ob die allgemeine Straßenverkehrssicherungspflicht durch eine inhaltlich gleichartige Amtspflicht verdrängt wird, stellt sich danach nicht.

Haftungsbegründend ist vorliegend nicht die Verletzung der bei winterlicher Glätte in Betracht kommenden Streupflicht. Das macht die Klägerin auch nicht geltend. Die Haftung des Beklagten für den Unfallschaden vom 22.11.1996 ergibt sich vielmehr aus der ihm als Träger der Straßenbaulast (§ 41 Abs. 1 Hess. Straßengesetz) obliegenden allgemeinen Pflicht zur Sorge für die Sicherheit im Straßenverkehr. Der Beklagte war verpflichtet, einen hinreichend sicheren Zustand der Straße zu erhalten und in geeigneter und objektiv zumutbarer Weise alle, aber ...

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