Entscheidungsstichwort (Thema)
Fehlen der Gläubigerbenachteiligung bei objektiv gleichwertiger Gegenleistung
Normenkette
InsO § 143
Verfahrensgang
LG Wiesbaden (Entscheidung vom 25.08.2017; Aktenzeichen 7 O 139/16) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der 7. Zivilkammer des Landgerichts Wiesbaden teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 9.119,68 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 01.11.2012 zu zahlen.
Die Beklagte wird weiter verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 745,40 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 16.06.2016 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 84% und die Beklagte 16% zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beiden Parteien wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch die jeweils andere Partei durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils gegen sie vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe
I. Der Kläger verlangt als Insolvenzverwalter über das Vermögen des Herrn A gemäß §§ 133 Abs. 1, 143 Abs. 1 InsO der bis zum 04.04.2017 geltenden Fassung Zahlung von 57.240,71 EUR sowie Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.642,40 EUR aufgrund einer von dem Schuldner vorgenommenen Überweisung von dessen Konto bei der Bank1 an den Beklagten am 20.04.2012.
Die Beklagte ist eine zur Durchführung der tarifvertraglichen Urlaubsregelung im Bauhandwerk von den Tarifvertragsparteien gegründete Sozialkasse. Auf der Grundlage des für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrags über das Verfahren für den Urlaub und die Zusatzversorgung für das Baugewerbe vom 18.12.2009 (VTV-Bau) verwaltet sie den Ausgleich der Urlaubgeldsansprüche sämtlicher Arbeitnehmer der Branche zentral. Die am Sozialkassenverfahren beteiligten Unternehmen müssen monatliche Beiträge für angefallene Urlaubsgeldansprüche ihrer Arbeitnehmer entrichten und haben im Gegenzug Anspruch auf Erstattung der von ihnen an ihre jeweiligen Arbeitnehmer ausgezahlten Urlaubsgelder. Der Anspruch auf Erstattung der Urlaubsvergütung gemäß § 12 VTV entsteht monatlich, nachdem der Arbeitgeber die Urlaubsvergütung an die Arbeitnehmer ausgezahlt und die erforderlichen Daten vollständig gemeldet hat. Nach § 18 Abs. 5 VTV in der im April 2012 geltenden Fassung erfolgt die Auszahlung des bereits entstandenen Anspruchs jedoch erst dann, wenn das bei der Beklagten geführte Beitragskonto ausgeglichen ist. Eine Aufrechnung durch den Arbeitgeber ist ausgeschlossen.
Der Schuldner war als Arbeitgeber in das Sozialkassenverfahren bei der Beklagten eingebunden. Er hatte Beitragsrückstände bei der Beklagten für den Zeitraum Januar 2010 bis Februar 2011 in Höhe von rund 37.000 EUR, die durch zwei Vollstreckungsbescheide des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 16.08.2011 und 25.10.2011 tituliert waren. Aufgrund dieser Titel erwirkte die Beklagte am 10.02.2012 eine Pfändung des Geschäftskontos des Schuldners bei der Bank2, wodurch sie eine Auszahlung in Höhe von rund 7.700 EUR erlangte. Am 12.03.2012 erteilte sie einen weiteren Vollstreckungsauftrag wegen der titulierten und noch offenen Forderungen an die Obergerichtsvollzieherin B.
Am 19./20.04.2012 schloss die Beklagte mit der Bank1, bei der der Schuldner ein weiteres Konto unterhielt, eine Treuhandvereinbarung (Bl. 66 der Akte), durch welche sich das Kreditinstitut verpflichtete, für den Schuldner zum Ausgleich des Beitragskontos bei der Beklagten einen Betrag von 57.224,71 EUR zu überweisen unter der Auflage, dass die Beklagte innerhalb von 7 Tagen ab Zahlungseingang und Zugang der Annahmeerklärung durch das Kreditinstitut den zu diesem Zeitpunkt auf dem Beitragskonto des Schuldners verbuchten Erstattungsbetrag über 48.404,74 EUR auf das bei dem Kreditinstitut geführte Konto für den Schuldner überweist. Sollte die Beklagte bis zum Auszahlungszeitpunkt feststellen, dass aufgrund neuer Erkenntnisse Einwände gegen eine Auszahlung bestehen, verpflichtete sie sich, die Beitragszahlung über 57.224,71 EUR unverzüglich auf das Konto des Schuldners zurück zu überweisen.
Das Konto des Schuldners bei der Bank1 wies am 19.04.2012 einen Guthabenbetrag von 1.173,89 EUR aus. Am 20.04.2012 ging eine Überweisung der Firma X i.H.v. 57.715 EUR auf dem Konto ein. Ebenfalls am 20.04.2012 überwies der Schuldner 57.224,71 EUR (57.240,71 EUR abzgl. 16 EUR Bankspesen für Eil-Überweisung) an die Beklagte. Diese überwies ihrerseits mit Wertstellung 25.04.2012 insgesamt einen Betrag von 48.105,03 EUR (418,71 EUR + 47.686,32 EUR) auf das Konto des Insolvenzschuldners.
Wegen der weiteren Darstellung des erstinstanzlichen Sach- und Streitstand...