Entscheidungsstichwort (Thema)
Ergänzender Leistungsschutz für exklusive Damenhandtasche
Leitsatz (amtlich)
Werden die - von Haus aus eher unauffälligen - Gestaltungsmerkmale einer hochwertigen, sehr teuren und nur in wenigen Stückzahlen verkauften Damenhandtasche fast identisch für eine wesentlich billigere Tasche verwendet, kann darin unter dem Gesichtspunkt der Dritttäuschung eine unlautere Ausnutzung der Wertschätzung des nachgeahmten Erzeugnisses liegen, wenn die nachgeahmte Tasche infolge jahrelanger Berichterstattung in Modezeitschriften bei denjenigen Verkehrskreisen einen exklusiven Ruf erworben hat, die an der Entwicklung im hochpreisigen Modesegment - und zwar unabhängig davon, ob sie finanziell in der Lage sind, solche Artikel zu erwerben - interessiert sind.
Normenkette
UWG § 4 Nr. 9
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Urteil vom 06.10.2010) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 6.10.2010 verkündete Urteil der 6. Zivilkammer des LG Frankfurt/M. abgeändert:
I. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes i.H.v. bis zu EUR 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft oder von Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu vollstrecken an ihren Komplementären bzw. den Geschäftsführern der Komplementärgesellschaften, zu unterlassen,
im geschäftlichen Verkehr Damenhandtaschen gemäß nachfolgenden Abbildungen anzubieten, feilzuhalten, zu bewerben, zu vertreiben und/oder sonst wie in den Verkehr zu bringen:
(Abbildungen wurden entfernt)
II. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr aus Handlungen gem. Ziff. I. bereits entstanden ist oder zukünftig noch entstehen wird,
III. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Auskunft zu erteilen über Handlungen gemäß dem Klageantrag zu Ziff. I. und zwar hinsichtlich:
1. Vollständige Firmenbezeichnung und Anschrift des Herstellers;
2. Namen und Adresse des Lieferanten;
3. Namen und Adressen sonstiger Vorbesitzer;
4. Namen und Adressen der gewerblichen Abnehmer, einschließlich der Verkaufsstellen, für welche die Erzeugnisse bestimmt waren;
5. Menge der bestellten, erhaltenen und ausgelieferten Plagiate;
6. Einkaufsmenge, Einkaufszeiten und Einkaufspreise;
7. Verkaufsmenge, Verkaufszeiten und Verkaufspreise;
8. erzieltem Umsatz;
9. erzieltem Gewinn;
10. Namen und Anschriften von gewerblichen Angebotsempfängern;
11. Zahl und Inhalt von Angebotsschreiben;
12. Art und Umfang der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Bundesländern und Werbeträgern, deren Auflagehöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet;
und zwar unter Vorlage gut lesbarer Kopien der jeweils relevanten Belege.
IV. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin EUR 2.324,90 nebst hieraus Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1.1.2010 zu zahlen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Dieses Urteil ist ohne Sicherheitsleistungen vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe 600.000 EUR abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
I. Die Klägerin ist Herstellerin hochpreisiger Modeartikel wie beispielsweise Handtaschen. Zu ihren Produkten gehört u.a. das Handtaschenmodell "..." mit folgendem Erscheinungsbild:
(Abbildungen wurden entfernt)
Die Taschen werden im Einzelhandel je nach Ausführung, das heißt abhängig von den verwendeten Lederarten, zu Preisen zwischen 3.000 und über 50.000 EUR angeboten.
Die Beklagte betreibt deutschlandweit Kaufhäuser unter der Bezeichnung "A". Im Sommer 2009 bot sie die aus dem Tenor ersichtliche Handtasche an. Diese Tasche war an der Innenseite mit der Handelsmarke "Y" der Beklagten versehen und kostete ca. 50 EUR. Auf das bei den Akten befindliche Modell einer solchen Tasche wird Bezug genommen.
Erstinstanzlich hat die Klägerin in dem Vertrieb der Tasche eine unlautere Rufausbeutung bzw. Rufschädigung i.S.v. § 4 Nr. 9b) UWG sowie eine Behinderung des Absatzes der ...-Tasche gesehen.
Dem ist das LG nicht gefolgt. Es hat die Auffassung vertreten, der Tasche der Klägerin komme keine wettbewerbliche Eigenart zu. Diese ergebe sich entgegen der Auffassung der Klägerin nicht aus dem "intrecciato" genannten Flechtmuster. Solche "trivialen" Muster würden für Taschen häufig verwendet und seien dem Verkehr durchaus bekannt. Auch die Grundform der Tasche sei allgemein üblich, so dass auch die Kombination dieser Merkmale nicht geeignet sei, wettbewerbliche Eigenart zu begründen. Der Begründung wettbewerblicher Eigenart steht nach Auffassung des LG weiter entgegen, dass selbst nach dem - bestrittenen - Vortrag der Klägerin in Deutschland jährlich nur ca. 150 Exemplare der ... verkauft werden.
Weiter hat das LG die Auffassung vertreten, es fehle auch an einem hinreichenden Grad der Übernahme der Merkmale der ... durch die Beklagte. Die angegriffene Ausführungsform sei aus Lederimitat und nicht aus dem von der Klägerin als prägend angesehen L...