Entscheidungsstichwort (Thema)

Auslegung einer Subsidiaritätsklausel in der Schadensversicherung

 

Leitsatz (amtlich)

Eine Subsidiaritätsklausel in einem Haftplichtversicherungsvertrag, die besagt, dass anderweitige Haftpflichtversicherungen, die für die versicherten Personen "bereits bestehen", dem Vertrag vorgehen, ist nicht zeitlich im Sinne von "bereits bei Vertragsschluss bestehen" auszulegen. Maßgeblich ist vielmehr der Eintritt des Versicherungsfalles.

 

Normenkette

VVG § 78

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Urteil vom 26.06.2020; Aktenzeichen 2-08 O 195/17)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 26.06.2020 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 8. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 276.414,46 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 28.09.2017 zahlen.

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin künftig noch zu erbringende Zahlungen auf die im Vergleich vom 28.05.2015 vor dem Landgericht Stadt1 Ort1 zum Aktenzeichen .../11 vereinbarte Schmerzensgeldrente zu erstatten.

Es wird weiter festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, Frau X, Straße1, Stadt1, von sämtlichen Forderungen, die aufgrund des Schadensfalls vom XX.XX.2007 aus Anlass der Geburt der Vorname1 Y, an diese gestellt werden, im Rahmen des bei der Beklagten bestehenden Versicherungsvertrages freizustellen.

Die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten der Streithelfer hat die Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung des jeweiligen Vollstreckungsgläubigers durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, falls nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 115 % des jeweils zur Vollstreckung gebrachten Betrages leistet.

 

Gründe

I. Die Klägerin als Haftpflichtversicherung macht gegen die Beklagte, ebenfalls eine Haftpflichtversicherung, Ausgleichs- bzw. Regressansprüche geltend, die auf einen Haftpflichtprozess wegen eines Geburtsschadens zurückgehen.

Zwischen der Klägerin und dem Bund Deutscher Hebammen e.V. (BDH) bestand eine Gruppenversicherung, der die Hebamme X mit Beginn zum 01.04.2006 beitrat. Dem Vertrag liegen die Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Haftpflichtversicherung (im Folgenden: AHB) zugrunde. In Ziffer 11 lautet es unter der Überschrift "Anderweitige Versicherungen" wie folgt: "Anderweitige Haftpflichtversicherungen, die für die gemäß Teil I, Ziffer 1.2 versicherten BDH-Mitglieder bereits bestehen, gehen diesem Vertrage vor".

Die Beklagte ist Haftpflichtversicherer des Universitätsklinikums Stadt2. Dem liegt ein Vertrag über eine Betriebshaftpflichtversicherung mit Beginn zum 01.10.2006 und den besonderen Bedingungen und Vereinbarungen zur Betriebs- und Umwelthaftpflichtversicherung (im Folgenden: AHBB) zugrunde. In einer Information zum Versicherungsschutz für die Beschäftigten heißt es unter anderem: "Die Mitarbeit des nachgeordneten Personals im Rahmen stationärer und ambulanter Nebentätigkeiten (insbesondere bei der Behandlung von Privatpatienten) von liquidationsberechtigten Chefärzten/ Institutsdirektoren ist mitversichert, solange dazu eine dienstliche Verpflichtung besteht".

Am XX.XX.2007 schlossen Frau Vorname2 Y und der Streithelfer zu 1) einen Vertrag über die Inanspruchnahme wahlärztlicher Leistungen. Dort lautet es: "Nach den Grundsätzen des sogenannten gespaltenen Krankenhausvertrages ist zusätzlich zu derjenigen des Wahlarztes eine Vertragspartnerschaft auch des Klinikträgers hinsichtlich der ärztlichen Leistungen nicht gegeben. Der Klinikträger haftet daher nicht - weder vertraglich noch deliktisch - für Versäumnisse, insbesondere Aufklärungs- und Behandlungsfehler des Wahlarztes. Dies gilt auch für Fehler von Hilfspersonen (z.B. nachgeordnete oder vertretungsweise oder konsiliarisch herangezogene Ärzte), derer sich der Wahlarzt zur Erfüllung seiner persönlich geschuldeten ärztlichen Leistungen bedient". Weiter schlossen Frau Y und das Universitätsklinikum Stadt2 eine Wahlleistungsvereinbarung.

In der Nacht vom XX. auf den XX.XX.2007 erlitt die von Frau Y geborene Tochter einen sog. Geburtsschaden. Die Eltern und die Tochter nahmen in einem Verfahren vor dem Landgericht Stadt1-Ort1 den Streithelfer zu 1), den Streithelfer zu 2), A, die Hebamme X und das Universitätsklinikum Stadt2 auf Schadensersatz und Schmerzensgeld in Anspruch (.../11). Die Streithelfer zu 1) und 2) waren zum Zeitpunkt des Schadensereignisses bei der B, der Streithelferin zu 3), haftpflichtversichert.

In dem Verfahren vor dem Landgericht Stadt1 Ort1 wurden die dortigen Beklagten von der Anwaltskanzlei C&D vertreten, das Universitätsklinikum Stadt2 seit Februar 2012 von den Rechtsanwälten E&F. Rechtsanwalt D unterrichtete die Klägerin über das Verfahren.

Die Parteien in dem Verfahren vor dem Landgericht Stadt1-Ort1 schlossen ...

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