Leitsatz (amtlich)
Ausgleichspflicht zwischen Versicherungen von Belegarzt und Hebamme bei doppelt versichertem Risiko (hier: Geburtsschaden)
Verfahrensgang
LG Gießen (Urteil vom 09.05.2018; Aktenzeichen 3 O 494/08) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 9. Mai 2018 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Gießen (3 O 494/08) unter Zurückweisung der Berufung der Klägerin abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen zu tragen.
Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Parteien streiten um etwaige Ansprüche der Haftpflichtversicherung eines Belegarztes im Zusammenhang mit einem Geburtsschaden.
Die Klägerin ist die Haftpflichtversicherung des Zeugen A. Dieser war als ärztlicher Geburtshelfer und die Beklagte als Hebamme an der Entbindung des am XX.XX.1995 geborenen Vorname1 B im C-Krankenhaus in Stadt1 beteiligt.
Der Zeuge A war Frauenarzt und Belegarzt in der Beleg-Abteilung des C-Krankenhauses in Stadt1. Die Beklagte war seinerzeit als Hebamme beim C-Krankenhaus angestellt und über dieses Krankenhaus bei der D Versicherung AG versichert. Zwischen dem Zeugen A und dem C-Krankenhaus in Stadt1 bestand damals ein Belegarztvertrag.
§ 7 Abs. 1 des Belegarztvertrages lautete wie folgt: "Soweit der Belegarzt selbst abrechnet, haftet er den Patienten gegenüber unmittelbar für alle Schäden, die bei der ärztlichen Versorgung entstehen, und zwar auch, soweit sie durch seine Erfüllungsgehilfen verursacht werden. Angestellte des Krankenhauses, die bei den ärztlichen Leistungen mitwirken oder sie erbringen, sind Erfüllungsgehilfen des Belegarztes. Der Krankenhausträger haftet für Leistungen, wie das Krankenhaus selbst erbringt und abrechnet". § 7 Abs. 2 verpflichtete den Belegarzt dazu, "eine ausreichende Haftpflichtversicherung, die auch seine Erfüllungsgehilfen umfasst, abzuschließen und dem Krankenhaus den Abschluss der Versicherung auf Verlangen nachzuweisen".
In der Zeit vom XX.XX. bis zum XX.XX.1995 befand sich Vorname2 B als Patientin des Zeugen A zur geburtshilflichen Betreuung im C-Krankenhaus, wo Vorname1 B am XX.XX.1995 um 23:47 Uhr entbunden wurde. Vorname1 B erlitt unter der Geburt eine schwere Asphyxie.
Am XX.XX.1995 hatte zunächst ab 14:00 Uhr die Hebamme E Dienst, ab 21:00 Uhr war dann die Beklagte anwesend. Um 21:00 Uhr kam es zu einem spontanen Blasensprung mit Abgang von reichlich grünem Fruchtwasser bei einem Muttermund von 3- 4 cm. Um 21:50 Uhr rief der Zeuge A die Beklagte an. Wegen unregelmäßiger Wehen wurde um 22:40 Uhr mit einer Infusion begonnen. Um 23:30 Uhr wurde der Zeuge A wegen des eingetretenen Geburtsstillstandes von der Beklagten benachrichtigt. Um 23:47 Uhr wurde das Kind nach Vakuum-Extraktion durch den Zeugen A geboren. Nach der Geburt zeigte sich ein schlaffes, blau-asphyktisches Kind mit einem niedrigen Abgar von 3/6/7.
Der Zeuge A versuchte das Kind zunächst zu reanimieren und beatmete es fünf Minuten lang mit der Maske. Es erhielt Glukose- und Ringerlösung über die Nabelvene. Um 24:00 Uhr alarmiert der Zeuge A den Baby-Notarztwagen. Der Kindernotarzt traf am XX.XX.1995 um 00:56 Uhr im Kreißsaal ein. Ca. 75 Minuten nach der Geburt wurde das Kind intubiert und beatmet und in die Kinderklinik nach Stadt2 transportiert.
Im Jahre 1998 erhob Vorname1 B gegen den Zeugen A Klage vor dem Landgericht Stadt3 (Aktenzeichen ...) und warf ihm eine Reihe von Behandlungsfehlern vor. Nachdem das Landgericht Stadt3 den Beklagten zur Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von EUR 260.000,00 und von Schadensersatz in Höhe von EUR 3.456,58 (jeweils nebst 4 % Zinsen seit dem 30. Januar 1999) verurteilt und zugleich festgestellt hatte, dass "der Beklagte verpflichtet ist, Vorname1 B sämtliche zukünftigen materiellen Schäden zu ersetzen, die diesem anlässlich der fehlerhaften Behandlung anlässlich seiner Geburt bisher entstanden sind und künftig entstehen werden", legten der Zeuge A Berufung und Vorname1 B Anschlussberufung ein. Mit Urteil vom 11. Mai 2004 (Aktenzeichen ...) änderte der erkennende Senat das Urteil des Landgerichts Stadt3 teilweise ab und verurteilte den Zeugen A, an Vorname1 B Schadensersatz in Höhe von EUR 3.456,58 sowie ein Schmerzensgeld in Höhe von EUR 300.000,00 jeweils nebst 4 % Zinsen seit dem 30. Januar 1999 zu zahlen und wies im Übrigen die Berufung und die Anschlussberufung zurück (Bl. 419 ff. der Akten ...). Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Urteil des Senats vom 11. Mai 2004 Bezug genommen.
Mit der vorliegenden Klage macht die Klägerin in ihrer Eigenschaft als regulierende Haftpflichtversicherung des Zeugen A auf sie ihrer Ansicht nach gemäß § 67 VVG a.F. übergegangene Ansprüche gegen die...