Entscheidungsstichwort (Thema)

Berufsunfähigkeitsversicherung: Vorübergehende Leistungsfreiheit wegen Obliegenheitsverletzung

 

Normenkette

B-BUZ § 7 Nr. 2

 

Verfahrensgang

LG Darmstadt (Urteil vom 19.12.2018; Aktenzeichen 19 O 34/17)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 19. Zivilkammer des Landgerichts Darmstadt vom 19.12.2018 wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das angefochtene und das Berufungsurteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung von 110 % des gegen ihn vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung ihrerseits Sicherheit in Höhe von 110 % des Betrages leistet, dessen Vollstreckung sie betreibt.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger nimmt die Beklagte auf Zahlung aus einem zwischen den Parteien seit 2003 bestehenden Berufsunfähigkeitszusatzversicherungsvertrag (Versicherungsschein Anlage K1, Bl. 9 f. d.A.) in Anspruch. Dem Vertrag liegen die "Bedingungen für die A-Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung 1D10" (nachfolgend B-BUZ, Anlage K2, Bl. 11 ff. d.A.) zugrunde. Mit Einführung des VVG n.F. (zum 1.1.2008) hat die Beklagte von der Möglichkeit zur Anpassung der Allgemeinen Versicherungsbedingungen (hier B-BUZ) für Altverträge gem. Art. 1 Ill EGVVG keinen Gebrauch gemacht.

Der als Koch tätige Kläger beantragte im Jahr 2010 bei der Beklagten Leistungen aus dieser Versicherung. Nach Überprüfung ihrer Leistungspflicht durch medizinische Begutachtung erkannte die Beklagte ihre Leistungspflicht an und zahlte in der Folge entsprechend den getroffenen Vereinbarungen Berufsunfähigkeitsrente an den Kläger.

Im Februar 2014 leitete die Beklagte ein Nachprüfungsverfahren ein, um den aktuellen klägerischen Gesundheitszustand und ein Fortbestehen ihrer Leistungspflicht zu ermitteln. Anwaltlich beraten beantwortete der Kläger die entsprechenden Fragen, was in der Folge dazu führte, dass die Beklagte weiterhin ihre vertraglichen Leistungen erbrachte.

Als die Beklagte im September 2015 ein weiteres Nachprüfungsverfahren durchführen wollte, verweigerte der Kläger - anwaltlich beraten - seine Mitwirkung, woraufhin die Beklagte letztlich ab 01.03.2017 ihre vierteljährlichen Zahlungen in Höhe von zuletzt 2.460,79 EUR einstellte und die Wiederaufnahme der Zahlung der Versicherungsprämie ab dem 01.03.2017 forderte.

Der Kläger ist erstinstanzlich der Auffassung gewesen, die vereinbarten Obliegenheiten gemäß §§ 7,8 B-BUZ seien unwirksam. Er brauche weder Auskünfte bezüglich seiner Gesundheit zu erteilen, noch sich sonst einer Gesundheitsprüfung zu unterziehen. Die Beklagte sei zur Zahlung, wie in der Vergangenheit festgestellt, verpflichtet.

Die Beklagte ist erstinstanzlich der Auffassung gewesen, selbst wenn die vereinbarte Rechtsfolgeregelung gemäß § 8 der vereinbarten B-BUZ unwirksam sei, bestünde dennoch die vertraglich vereinbarte Obliegenheit und Verhaltenspflicht gemäß § 7 B-BUZ, an die der Kläger sich halten müsse. Im Übrigen ergebe sich eine Auskunftspflicht des Klägers auch aus § 31 VVG n.F., weshalb der Kläger zur Mitwirkung bei der Überprüfung seines Gesundheitszustandes verpflichtet sei. Sofern er dies - wie vorliegend - nicht tue, stünde ihr ein Zurückbehaltungsrecht zu.

Das Landgericht hat die Klage als derzeit unbegründet abgewiesen. Der Beklagten stehe ein Zurückbehaltungsrecht zu und zwar so lange, bis der Kläger seinen vertraglichen Verpflichtungen zur Mitwirkung bei der Überprüfung der Leistungspflicht der Beklagten nachkomme.

Entsprechend der Rechtsprechung des OLG Hamburg vom 29.11.2016 (Az.: 9 U 162/16, s. Bl. 55 ff. d.A.) verliere der Versicherungsnehmer gemäß § 242 BGB bei groben Verletzungen tragender Obliegenheiten seinen Anspruch ganz oder teilweise, auch wenn Verwirkung nicht vertraglich vereinbart worden sei. Zwar habe sich der BGH bislang nur mit Fällen der Verwirkung wegen arglistigen Verhaltens beschäftigt und hierzu ausgeführt, dass nicht jede Erschütterung des Vertrauensverhältnisses dazu führen würde, dass der Versicherungsnehmer seinen Anspruch auf die Versicherungsleistung verliere. Die Verwirkung des Anspruchs auf die Versicherungsleistung sei deswegen auf besondere Ausnahmefälle beschränkt (BGH, Urteil vom 08.07.1991, II ZR 65/90, Rn. 15 - juris). Ein solcher Ausnahmefall sei die Weigerung des Klägers zur Mitwirkung im Nachprüfungsverfahren in der Berufsunfähigkeitsversicherung. Dies sei ein nach Treu und Glauben nicht mehr hinnehmbares Verhalten, das jedenfalls zu einer temporären Leistungsfreiheit des Versicherers führe.

Der Auffassung des Klägers, die hier vorliegend vereinbarte Obliegenheit des § 7 B-BUZ sei ebenso wie die bei Verletzung der Obliegenheit eintretenden Rechtsfolge gemäß § 8 B-BUZ unwirksam, weshalb den Kläger eine Mitwirkungspflicht nicht träfe, sei unzutreffend. Es sei vielmehr zwischen Obliegenheitsverletzung (§ 7 B-BUZ) und deren Rechtsfolge (§ 8 B-BUZ) zu differenzieren. Di...

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