Entscheidungsstichwort (Thema)

Heilerde zur Entgiftung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Bei der Anwendung von Art. 7 a) der VO 2017/745 über Medizinprodukte kann auf die Kriterien der Rechtsprechung zu § 3 HWG zurückgegriffen werden.

2. Die klinische Bewertung des Medizinprodukts im Rahmen des Konformitätsbewertungsverfahrens nach § 19 MPG und die danach vorzunehmende Zweckbestimmung entbinden das Unternehmen nicht von den Anforderungen des heilmittelwerberechtlichen Irreführungsverbots.

 

Normenkette

HWG § 3; VO 2017/745 Art. 7a

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Urteil vom 08.07.2020; Aktenzeichen 3-08 O 112/19)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 45.000 EUR abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

 

Gründe

A. Die Parteien streiten über die heilmittelrechtliche Zulässigkeit von Wirkungsaussagen für ein Medizinprodukt.

Der Kläger ist ein Verband, zu dessen satzungsgemäßen Aufgaben die Wahrung der gewerblichen Interessen seiner Mitglieder einschließlich der Beachtung der Regeln des lauteren Wettbewerbs gehört. Zu den Mitgliedern des Klägers gehören Unternehmen der Lebensmittel- und Heilmittelbranche. Er steht auf der Liste der qualifizierten Wirtschaftsverbände des Bundesamts für Justiz nach § 8 b UWG.

Die Beklagte vertreibt das Produkt "Luvos* Heilerde imutox" Pulver zum Einnehmen. Sie bewirbt es auf der Umverpackung und in der Packungsbeilage mit den aus der Anlage K3 ersichtlichen und im Tenor des angefochtenen Urteils wiedergegebenen Aussagen. Danach soll das Mittel insbesondere zur Unterstützung bei der "Körperentgiftung" dienen.

Der Kläger mahnte die Beklagte mit Schreiben vom 9.4.2019 erfolglos ab (Anlage K4).

Der Kläger hat behauptet, die beworbenen Wirkungen kämen dem Mittel nicht zu. Die entsprechenden Angaben seien irreführend.

Die Beklagte ist der Ansicht, die Eignung des Medizinproduktes für den vorgesehenen Verwendungszweck sei durch das erfolgreich absolvierte Konformitätsbewertungsverfahren abschließend festgestellt (Anlagen B2-B5). Sie hat behauptet, die beanspruchten Wirkungen seien auch wissenschaftlich nachgewiesen. Dazu verweist sie unter anderem auf das Gutachten von A (Anlagen B 10-12).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und der erstinstanzlich gestellten Anträge wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil verwiesen.

Das Landgericht hat die Beklagte verurteilt, es bei Meidung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr für das Produkt "Luvos* Heilerde imutox" Pulver zum Einnehmen wie folgt zu werben:

  • 1. "Zur Unterstützung des Organismus bei der Körperentgiftung",
  • 2. "Baut als mineralischer Katalysator freie Radikale aus der Nahrung ab",
  • 3. "Bei Lebensmittelunverträglichkeit durch Histamin-Intoleranz",
  • 4. "natürliche Entgiftung",
  • 5. "Zahlreiche Studien zeigen, dass Schadstoffe und Umweltgifte den Organismus schädigen und Zellen sogar funktionsuntüchtig machen können. Müdigkeit, geringere körperliche und geistige Leistungsfähigkeit oder ein geschwächtes Immunsystem können die Folge sein. Regelmäßiges Entgiften, kann Wohlbefinden, Abwehrbereitschaft und Vitalität des gesamten Organismus fördern",
  • 6. "Innere Reinigung für einen gesunden Körper",
  • 7. "Körperentgiftung und Entschlackung unterstützen", B. "Leber und Nieren entlasten",
  • 8. "Leber und Nieren entlasten",
  • 9. "Gegen belastende Substanzen, Schwermetalle, Weichmacher sowie Bakterien- und Schimmelpilzgifte aus der Nahrung",
  • 10. "Aktiver Schutz vor freien Radikalen",
  • 11. "Luvos* Heilerde imutox kann als mineralischer Katalysator freie Radikale natürlich und effektiv aus der Nahrung abbauen und vor Folgeschäden durch oxidativen Stress schützen",
  • 12. "Luvos* Heilerde imutox kann Histamine und andere biogene Amine aus der Nahrung binden. Die Beschwerden können gelindert und die Lebensqualität natürlich verbessert werden",

sofern dies geschieht wie in der Anlage K3 wiedergegeben.

Außerdem hat es die Beklagte verurteilt, die Kostenpauschale für die Rechtsverfolgung in Höhe von EUR 178,50 zu erstatten.

Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, dem Kläger stehe ein Unterlassungsanspruch wegen Verstoßes gegen das Irreführungsverbot nach § 3 S. 2 Nr. 1 HWG zu. Der Verkehr entnehme den angegriffenen Angaben Wirkungsaussagen gegen Krankheiten. Diese Wirkungen seien wissenschaftlich umstritten bzw. ihnen fehle jegliche wissenschaftliche Grundlage. Der Beklagten sei der Wirksamkeitsnachweis nicht gelungen. Die CE-Kennzeichnung enthebe sie nicht von dem notwendigen Wirkungsnachweis.

Gegen diese Beurteilung wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung. Im Berufungsverfahren wiederholen und vertiefen die Parteien ihr Vorbringen.

Die Beklagte trägt zum Wirksamkeitsnachweis ihrer Werbebe...

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