Entscheidungsstichwort (Thema)
Leistungsfreiheit des Unfallversicherers wegen vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs, die zu tödlichem Unfall des Versicherten führt
Normenkette
StGB § 315c
Verfahrensgang
LG Limburg a.d. Lahn (Urteil vom 25.01.2021; Aktenzeichen 2 O 136/20) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das am 25.01.2021 verkündete Urteil des Einzelrichters der 2. Zivilkammer des Landgerichts Limburg an der Lahn wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Berufung hat die Klägerin zu tragen.
Das Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 115 % des jeweils zur Vollstreckung gebrachten Betrages leistet.
Gründe
I. Die Klägerin macht für ihren Ehemann und sich als Erbengemeinschaft nach ihrem anlässlich eines Verkehrsunfalls verstorbenen Sohn Vorname1 A bedingungsgemäße Leistungen nach Unfalltod aus einer zwischen der Arbeitgeberin des Sohnes als Versicherungsnehmerin und der Beklagten abgeschlossenen Gruppenunfallversicherung, in die der Sohn einbezogen war, geltend.
Der 1993 geborene Vorname1 A (im Weiteren: Versicherter) war Arbeitnehmer der B GmbH, die zu Gunsten ihrer Belegschaft bei der Beklagten, welche damals unter C Limited firmierte, eine Gruppenunfallversicherung abgeschlossen hatte. Der Versicherung lagen die C1 Unfallversicherungsbedingungen 2008 (im Weiteren: UB) sowie die Allgemeinen Vertragsinformationen, auf deren Inhalt jeweils Bezug genommen wird, zugrunde. Unter anderem waren Leistungen bei Unfalltod vereinbart, die vorliegend 31.000,- Euro betrugen. Vom Versicherungsschutz ausgenommen waren Unfälle, die einer versicherten Person dadurch zustoßen, dass sie vorsätzlich eine Straftat ausführt oder versucht, Ziffer 4.1.2 UB.
Der Versicherte erlitt am XX.XX.2017 auf der B 456 in der Höhe der Kreuzung Ort1/Ort2 einen tödlichen Unfall. Er befuhr mit seinem Motorrad die Bundesstraße in Richtung Stadt1 und kollidierte an der genannten Kreuzung mit dem Fahrzeug der Marke PKW1 des Zeugen Z1, als dieser die Kreuzung überqueren wollte.
Der Zeuge Z1 wartete mit seinem Fahrzeug an dem Stoppschild und fuhr sodann in den Kreuzungsbereich ein, ohne dass er das sich nähernde Motorrad des Versicherten zunächst wahrnehmen konnte. Der Kreuzungsbereich befand sich aus der Fahrtrichtung des Versicherten hinter einer starken Rechtskurve und war wegen Baumbewuchses nicht einsehbar. Trotz der Geschwindigkeitsbegrenzung im Kreuzungsbereich von 70 km/h näherte sich der Versicherte mit einer Geschwindigkeit von 133 bis 139 km/h. Das Schild mit der Geschwindigkeitsbegrenzung befand sich ca. 250 m vor dem Kreuzungsbereich; dort war ebenfalls ein Warnschild "Gefährliche Ausfahrt" angebracht. Etwa 58 m vor der Unfallstelle leitete der Versicherte einen Bremsvorgang ein, konnte sein Motorrad jedoch nicht mehr rechtzeitig anhalten, so dass er frontal in die rechte Seite des PKW1s hineinfuhr. Er wurde durch den Unfall so schwer verletzt, dass er verstarb.
Unmittelbar vor dem Unfallereignis hatte der Versicherte wiederholt versucht, den vor ihm fahrenden Pkw des Zeugen Z2 zu überholen, was ihm schließlich auch gelang. Außerdem fiel das Fahrverhalten des Versicherten dem Zeugen Z3 auf; die Einzelheiten sind zwischen den Parteien streitig.
Die Klägerin und ihr Ehemann beerbten den Versicherten ausweislich des am 03.10.2017 vom Amtsgericht Weilburg ausgestellten gemeinschaftlichen Erbscheins zu gleichen Teilen.
Die Klägerin forderte die Beklagte mit anwaltlichem Schreiben vom 13.12.2017 zur Zahlung der Leistungen nach Unfalltod bis zum 20.12.2017 auf. Die Beklagte kam der Aufforderung nicht nach und berief sich auf den Ausschlussgrund der vorsätzlichen Straftat.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, der Versicherte habe keine vorsätzliche Straftat im Zusammenhang mit dem Unfall begangen. Insbesondere sei er dem Zeugen Z2 nicht wegen einer aggressiven Fahrweise aufgefallen; der Versicherte habe diesen auch nicht bedrängt. Dass es wegen der Fahrweise des Versicherten zudem fast zu einer Kollision mit dem von dem Zeugen Z3 gesteuerten LKW gekommen sei, werde mit Nichtwissen bestritten. Allein aufgrund der überhöhten Geschwindigkeit liege noch keine grob verkehrswidrige und rücksichtslose Begehung eines Verkehrsverstoßes vor. Weder sei eine üble Verkehrsgesinnung noch ein vorsätzliches Handeln dargetan oder nachgewiesen.
Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, die Klägerin sei bereits nicht aktivlegitimiert, weil sie nicht Leistung an die Erbengemeinschaft beantragt habe, sondern jeweils an ihren Ehemann und an sich. Sie sei zudem von ihrer Leistungspflicht befreit, weil der Versicherte eine vorsätzliche Straftat nach § 315c Abs. 1 Nr. 2 StGB begangen habe, indem er rücksichtslos mit weit überhöhter Geschwindigkeit in einem unübersichtlichen Kreuzungsbereich eingefahren sei und das Leben anderer Verkehrstei...