Entscheidungsstichwort (Thema)
Bevorstehender Austritt Großbritanniens aus der EU kein erleichterter Arrestgrund
Leitsatz (amtlich)
Aufgrund des bevorstehenden Austritts Großbritanniens aus der Europäischen Union kann dann ein erleichterter Arrestgrund wegen des Erfordernisses einer Auslandsvollstreckung im Sinne des § 917 Abs. 2 ZPO bestehen, wenn nach diesem Zeitpunkt kein weiteres internationales Abkommen entsprechend der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 die erleichterte Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen regelt und zulässt, so dass die Gegenseitigkeit verbürgt sein wird. Zur Beurteilung ist eine Prognose für die künftige Vollstreckung eines Titels anzustellen. Dass es letztlich zu einem Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union kommt, ohne dass irgenein Abkommen mit der Europäischen Union diesen Austritt vertraglich regelt, welches solche vertraglichen Regelungen enthält, ist gegenwärtig noch nicht überwiegend wahrscheinlich.
Normenkette
VO (EU) Nr. 1215/2012 Art. 36; ZPO § 917 Abs. 1-2
Verfahrensgang
LG Wiesbaden (Urteil vom 27.11.2018; Aktenzeichen 2 O 256/18) |
Tenor
Die Entscheidung ist nicht anfechtbar. Zu dieser Entscheidung gibt es eine Pressemitteilung auf der Webseite des OLG (www.olg-frankfurt-justiz.hessen.de).
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Wiesbaden vom 27.11.2018, Az. 2 O 256/18, wird zurückgewiesen.
Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.118,75 EUR festgesetzt.
I. § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO:
Gründe
Die Klägerin ist Eigentümerin von Praxisräumen im 1. Obergeschoss des A-Straße ... in Stadt1, welche sie vom 1.4.2013 an für zunächst zehn Jahre für den Betrieb einer freiberuflichen B-Arztpraxis vermietet hatte (Blatt 7 ff. der Akte). Der Beklagte trat zum 1.4.2014 in diesen Mietvertrag ein. Der monatliche Mietzins inklusive Betriebskostenvorauszahlung betrug zuletzt 2.047,50 EUR.
Im April 2018 stellte der seinerzeit in Stadt2 wohnhafte Beklagte die Mietzahlungen ein. Mit E-Mail vom 7.5.2018 (Blatt 17 der Akte) teilte er dem Ehemann der Klägerin mit, er habe seine Praxis zum 12.4.2018 geschlossen und wolle diese verkaufen. Die Klägerin könne die offene Miete vom Kaufpreis abziehen. Er sei nicht mehr in Deutschland wohnhaft. Ausweislich eines von der Klägerin vorgelegten Ausdrucks aus dem Handelsregister für England und Wales vom 4.1.2018 ist der Beklagte neben einem Herrn C zu 55 % Gesellschafter einer Firma E LIMITED in Stadt3/Großbritannien und fungiert gemeinsam mit diesem als Company Director (Blatt 12 ff. der Akte). Die Nationalität des Beklagten ist in diesem Auszug als "british" und seine Anschrift mit "... D Road, Stadt4, United Kingdom ..." angegeben.
Nachdem die Mieten für den Zeitraum von April bis einschließlich August 2018 offenstanden, ordnete das Landgericht Wiesbaden aufgrund eines entsprechenden Antrags der Klägerin vom 10.8.2018 (Blatt 4 ff. der Akte) durch Beschluss vom 13.8.2018 (Blatt 19 ff. der Akte) wegen und in Höhe eines Anspruchs der Klägerin von 10.237,50 EUR nebst neun Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus je 2.047,50 EUR seit dem 4.4.2018, 4.5.2018, 4.6.2018, 4.7.2018 und 4.8.2018 sowie wegen der Kosten dieses Verfahrens den dinglichen Arrest in das Vermögen des Beklagten an. Die Vollziehung dieses Arrests werde durch Hinterlegung eines Betrages in Höhe von 10.600,- EUR gehemmt und der Beklagte berechtigt, die Aufhebung des vollzogenen Arrests zu beantragen. Als Anschrift des Beklagten war entsprechend den Angaben im Antrag die Praxisanschrift in Stadt1 genannt. Nachdem die Zustellung unter dieser Anschrift zunächst nicht erfolgen konnte, beantragte die Klägerin am 27.8.2018 die Zustellung des Arrestbeschlusses unter seiner geänderten Anschrift in Großbritannien.
Auch in der Folgezeit zahlte der Beklagte die Miete nicht. Mit Anwaltsschriftsatz vom 19.10.2018 (Blatt 84 f. der Akte) ließ die Klägerin ihn nochmals zur Zahlung der offenen Mieten und zur Klärung weiterer Punkte auffordern. Der Beklagte hat zwischenzeitlich seine Zulassung als B-Arzt in Deutschland verloren. Ein von der Klägerin beantragter Mahnbescheid wegen der Miete für den Monat April 2018 wurde dem Beklagten gemäß Mitteilung des Amtsgerichts Hünfeld (Blatt 249 ff. der Akte) am 11.10.2018 zugestellt. Die Klägerin erwirkte weitere Mahnbescheide über die Mieten von Mai 2018 bis einschließlich Dezember 2018.
Auf den Widerspruch des Beklagten gegen den Arrestbeschluss hin hat das Landgericht Wiesbaden den dinglichen Arrest vom 13.8.2018 durch Urteil vom 27.11.2018, dem Beklagten zugestellt am 29.11.2018, bestätigt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Klägerin habe ihren Anspruch auf Zahlung der seit April 2018 rückständigen Mieten glaubhaft gemacht. Es bestehe auch ein Arrestgrund, da die Besorgnis bestehe, dass ohne die Verhängung des Arrests die Vollstreckung eines Urteils vereitelt oder wesentlich erschwert würde, da das Urteil im Ausland volls...